Reiseführer Rom

Tour 5: Streifzüge durch Roms östliche Stadtteile

Entlang der mondänen Via Veneto, zum Quirinalspalast und zur größten Marienkirche der Christenheit


Palazzo Barberini

Palazzo Barberini


Nahe der Porta Pinciana am südlichen Rand des großen Borghese-Parks beginnt die Via Veneto, vor einigen Jahrzehnten noch Flanierboulevard der High Society und Inbegriff des „Süßen Lebens“, dem Fellini in seinem legendären Film „La Dolce Vita“ ein Denkmal setzte. In unseren Tagen geht es hier eher bieder zu, aber gepfefferte Preise verlangen Bars und Cafés wie zu ihren Glanzzeiten. In weiten Kehren senkt sich die Veneto abwärts zur Piazza Barberini (1), wo Berninis elegante Fontana del Tritone sich aus Gram über das Verkehrsgewusel in ein grünes Algenkleid gehüllt hat – jedenfalls bis zur nächsten Reinigung. Gegenüber breitet sich der weitverzweigte Palazzo Barberini aus, ein Prachtpalast des römischen Hochbarock, der die Handschriften von Bernini und Borromini trägt. Wie bei manch` anderen Bauten aus jener Zeit waren die beiden erbitterten Rivalen auf päpstliche Anordnung zur Zusammenarbeit verpflichtet worden. In einem Flügel des Palazzo sind hochkarätige Bestände der Galleria Nazionale d`Arte Antica untergebracht: Gemälde des 12. bis 18. Jahrhunderts, wie auch Möbel, Porzellan, Schmuck und Keramik aus jener Zeit. Der Zugang zum Palazzo ist an der Via delle Quattro Fontane. Wir folgen nun dieser Straße weiter, erreichen den Scheitel des Quirinalshügels und sehen uns unverhofft im Verkehrsgewühl Skulpturen gegenüber, die die Flussgötter von Arno und Tiber und die Göttinnen Juno und Diana verkörpern sollen. Sie schmücken vier Brunnen (Quattro Fontane)an den vier Eckhäusern einer Straßenkreuzung. Der Tiberbrunnen ziert die Fassade der Kirche San Carlo alle Quattro Fontane (2), die von Borromini entworfen und gebaut wurde.

Sant`Andrea al Quirinale

Sant`Andrea al Quirinale

Die Antwort seines ewigen Widersachers Bernini ließ nicht lange auf sich warten: Nur wenige Meter weiter entstand die Kirche Sant`Andrea al Quirinale (3). Beide Kirchen sind klein, ihr Kirchenraum ist oval und beide Gotteshäuser gelten als außergewöhnliche Schöpfungen, als „geniales Spätwerk“ Berninis Sant `Andrea, als „Meisterwerk“ (capolavoro) Borrominis San Carlo. Eine Winzigkeit hat Borrominis Bau dem Konkurrenten doch voraus, nämlich einen kleinen Kreuzgang, der sich eng an die Kirche anlehnt. Wir machen jetzt einen kurzen Abstecher die Via del Quirinale hinunter zur gleichnamigen Piazza, die an drei Seiten von Palästen begrenzt wird, darunter dem Palazzo del Quirinale (Quirinalspalast) (4). Hier residierten zunächst Päpste, dann für einige Jahrzehnte Italiens Könige und seit 1947 ist der Prachtbau, dessen Baugeschichte bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht, Sitz des Präsidenten der Republik.

Santa Susanna

Santa Susanna

Zurück zur oben erwähnten Kreuzung, von der die Via XX. Settembre abzweigt. Wir folgen ihr bis zur Piazza di San Bernardo, wo Ende des 16. Jahrhunderts auf den Fundamenten einer der ältesten Kirchen Roms die Santa Susanna (5) errichtet wurde. Gerühmt wird sie wegen ihrer Fassade, dem Erstlingswerk von Carlo Maderno, einem Meister des frühen Barock. Sie übertreffe ihr Vorbild, die Fassade der Il Gesù, durch ihre „ungemein gesteigerte Plastizität“, die Gestaltung sei freier und lockerer, „nicht so stiernackig und unfroh“, sie sei „Zeichen eines großzügigen, neuen Geistes“, meint ein Architekturhistoriker. Auf der Straßenseite gegenüber liegt Santa Maria della Vittoria (6), die anlässlich des Sieges des katholischen Heerführers Tilly über die Protestanten 1620 errichtete wurde. Maderno schuf den Innenraum und Soria die Fassade, doch die Hauptattraktion ist diesmal nicht die Architektur, sondern in der letzten Kapelle auf der linken Seite die aus weißem Marmor angefertigte Statuengruppe „Die Verzückung der hl. Theresa“, von Gian Lorenzo Bernini. Sie stellt zwischen buntfarbigen Marmorsäulen und gebündelten Sonnenstrahlen die mystische Vereinigung der hl. Theresa mit Jesus Christus dar und das in einer Weise, die früher wie heute von manchen Betrachtern als reine Sinnenlust gedeutet wird. Der französische Enzyklopädist Charles de Brosses äußerte um 1740, nachdem er die Skulptur betrachtet hatte: „Wenn das die himmlische Liebe ist, dann kenne ich sie auch. Ihr kann man schon auf dieser Welt in Fleisch und Blut begegnen.“ Ein paar Schritte sind es nur zum Moses-Brunnen und weiter zur Piazza della Repubblica (7) mit den mächtigen Ruinen der antiken Diokletiansthermen (8) im Hintergrund und den spielenden Nackedeis des Najaden-Brunnens in seiner Mitte.

Najaden-Brunnen

Najaden-Brunnen

Die Thermen des Diokletian waren das größte Bade- und Freizeitparadies Roms, größer noch als die berühmteren Caracalla-Thermen. Man konnte sich pflegen und heilen lassen, sich ganz dem Amüsement hingeben, Sport treiben oder in Bibliotheken schmökern. Mit dem Niedergang Roms im frühen Mittelalter verkamen die Thermen zu bequemen Steinbrüchen. Wer Baumaterial brauchte, holte es sich hier. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte Papst Paul IV. ein Einsehen und schenkte die Ruinen dem Karthäuser-Orden, der den greisen Michelangelo 1561, drei Jahre vor seinem Tod, mit dem Bau der Basilika Santa Maria degli Angeli e dei Martiri beauftragte. Unter Einbeziehung des einstigen Frigidariums und des Tepidariums (Abkühlraum und Wärmeraum) wurde die Kirche in die antiken Gebäudereste der Thermen hineingebaut. Und sie wirkt von außen tatsächlich ein wenig ruinenhaft, aber entfaltet in ihrem weiträumigen hallenähnlichen Innenraum ihre ganze Pracht.

Santa Maria degli Angeli e dei Martiri

Santa Maria degli Angeli e dei Martiri

Mit dem Palazzo Massimo alle Terme (9), seinem prächtigen Innenhof und den Skulpturen, Reliefs und Wandmalereien (Höhepunkt: die Fresken aus dem Haus der Livia, der Frau des Augustus) und dem Thermenmuseum, einer Abteilung des Römischen Nationalmuseums, wozu der herrliche Kreuzgang des Michelangelo gehört, sind im nahen Umfeld der Piazza della Repubblica zwei unbedingt sehenswerte Museen angesiedelt.

Antike Fresken aus dem Haus der Livia im Palazzo Massimo

Antike Fresken aus dem Haus der Livia im Palazzo Massimo

Ins Blickfeld gerät immer wieder die ungewohnt moderne Architektur der Stazione Termini (10), Roms nahebei gelegener Hauptbahnhof. Er entstand zwischen 1938 und 1950. Jenseits des Bahnhofs breitet sich die zwischen 1933 und 1935 erbaute Città Universitaria (11), ein großer Universitätskomplex, aus. Da nicht durchgängig im faschistischen Stil errichtet, stieß der Neubau unter den Hardlinern des Regimes auf herbe Kritik, die in den Worten „unrömisch“ und „unitalienisch“ gipfelte. An die östliche Spitze des Uni-Geländes grenzt Roms Hauptfriedhof, der Campo Verano, ein weiträumiges, mit hohen Bäumen und dichtem Buschwerk bewachsenes Gelände, wo sich elegische Engelsfiguren trauernd über Gräber beugen, wo es Kriegerdenkmäler gibt und Bänke zum Verweilen einladen. Gleich am Haupteingang liegt San Lorenzo fuori le Mura (12), eine der sieben Pilgerkirchen Roms und eine sehr alte Gründung auf einem Fundament aus dem 4. Jahrhundert. Ein Neubau aus dem 6. Jahrhundert und eine weitere Kirche wurden im frühen 13. Jahrhundert zur Laurentiuskirche zusammengefasst.

Vor der Lorenzo liegt eine Haltestelle der Linie 3. Manchmal ist es die Tram, dann sind es wieder Busse, die die Strecke bedienen. Wir lassen uns bis zur Piazza Buenos Aires (13) mitnehmen und besuchen das angrenzende kleine, nur ein paar Straßen und einen Platz umfassende Coppedè-Viertel (14), das so untypisch für Rom erscheint wie kein anderes. Man bewegt sich in einer Architektur, die sich durch ihre dekorative Übersteigerung auszeichnet, „durch Marzipanhäuser aus einem Märchenbuch“, wie der römische Chronist Marco Lodoli schrieb. Auf nur etwa 30.000 m² verteilt sich das Jugendstil- und Belle Èpoque-Ensemble des Gino Coppedè, der einen Froschbrunnen herbeizauberte, den Spinnenpalast und eine Feenvilla erdachte. Fragt man Römer nach ihren Lieblingsparks, wird spontan die Villa Borghese genannt. Auch der Gianicolo rangiert hoch oben in der Beliebtheitsskala. Das Favoritentrio vervollständigt die Villa Ada (16). Diese zweitgrößte Grünanlage der Stadt wird höchst selten von Touristen besucht, da sie weitab der römischen Highlights liegt. Mit der Linie 3 fahren wir von der Piazza Buenos Aires weiter bis Piazza Ungheria (15) und von dort ist es nur noch ein Katzensprung zum Parkgelände zwischen Via Panama und Via Salaria mit viel Grün, einem künstlichen See, Wiesen und schönem Baumbestand.

Im Coppedè-Viertel

Im Coppedè-Viertel

Stippvisite im Nordosten...

Andere reizvolle Ziele im Nordosten der Stadt lassen sich am bequemsten vom Stadtzentrum mit der Metro-Linie B erreichen. Wir verlassen sie an der Piazza Bologna (17) und fragen uns durch zum Largo di Villa Massimo. Hier empfängt auf geradezu fürstlichem Grund inmitten üppigen Blumenschmucks, Rasenflächen und Schatten spendenden Schirmpinien die Villa Massimo (18) ihre Stipendiaten, die für ein Jahr in den Genuss der renommierten deutschen Kunstförderung und eines außergewöhnlichen Ambientes kommen. Einige Hundert Meter sind es von hier in die Via Nomentana zur uralten Santa Costanza (19), der Grabstätte der beiden Töchter des Kaisers Konstantin, Constantina und Helena. (Man kann es sich bequemer machen und von der Piazza Bologna mit der Linie B, Richtung Conca d`Oro, bis zur übernächsten Station „S. Agnese- Annibaliano“ fahren). Der prächtige Rundbau – er gilt als beispielhaft für die antik-römische Grabarchitektur – entstand im 4. Jahrhundert, wurde später ein Baptisterium und wird seit 1254 als Kirche genutzt. Das einstige Mausoleum der Konstantin-Töchter war der Anbau einer Basilika, von der nur noch einige Reste erhalten sind. Unmittelbar daneben und direkt über dem in den Katakomben gelegenen Grab der hl. Agnes ließ Papst Honorius I. im frühen 7. Jahrhundert die Basilika Sant`Agnese fuori le Mura errichten, von der es heißt, sie sei eines der besterhaltenen Beispiele für den Typus der frühchristlichen Basilika.


... und im Kirchenviertel zwischen Monte Viminale und Esquilino

Zurück geht es mit der Metro-Linie B bis zur Haltestelle „Cavour“ an der gleichnamigen Straße, der wir nun bis zu einer der wichtigsten Kirchen Roms folgen. Die Santa Maria Maggiore (20) trägt nicht ohne Grund den Beinamen „maggiore“, hatten doch ihre Erbauer die feste Absicht, sie zur größten, dem Marienkult geweihten Kirche der Welt zu machen. Ihre beträchtlichen Ausmaße füllen das Gelände zwischen der Piazza Esquilino und der Piazza di Santa Maria Maggiore. Als sicher kann der Beginn der Bauarbeiten im Jahre 432 angenommen werden. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich ihr Aussehen ständig. Erst im 18. Jahrhundert, als Ferdinando Fuga die Hauptfassade gestaltete, kamen die Bauarbeiten zu einem Ende. Bewundernswert sind die Mosaiken aus dem 5. Jahrhundert und die kostbaren Marmorfußböden aus dem 12. Jahrhundert oder auch die vergoldete Kassettendecke, dazu gesellen sich unzählige in der Kirche ausgestellte Kunstwerke, die eine Zeitspanne von 1.300 Jahren umfassen. Was die Kirche so bedeutend macht, ist nicht allein ihr ehrwürdiges Alter und ihr Reichtum an Kunstwerken. Für Pilger ist sie eine von sieben Stationen, die innerhalb eines Tages zu Fuß erreicht werden müssen, wenn sie denn in den Genuss von Ablässen (Erlass bestimmter Kirchenstrafen) kommen möchten. Neben der Maggiore zählen noch St. Peter, San Giovanni in Laterano, San Paolo fuori le Mura, San Lorenzo fuori le Mura, Santa Croce in Gerusalemme sowie Il Santuario della Madonna del Divino Amore (diese seit 2000) zu den sieben Pilgerkirchen. Außerdem ist die Maggiore wie San Giovanni in Laterano, St. Peter und San Paolo fuori le Mura eine Päpstliche Basilika, das heißt, sie untersteht der direkten Gerichtsbarkeit des Heiligen Stuhls.

Bescheidenes Portal: Basilica di Santa Prassede

Bescheidenes Portal: Basilica di Santa Prassede

Um die Ecke liegt etwas versteckt und unscheinbar die Kirche Santa Prassede (21). Ihr Name geht auf die hl. Praxedis zurück, die nach der kirchlichen Überlieferung Petrus in das Haus ihres Vaters aufnahm. Die Gebeine der Praxedis werden in der Kirche als Reliquien aufbewahrt. Der Bau selbst gründet auf einer frühchristlichen Versammlungsstätte. Er entstand im 9. Jahrhundert und erhielt sein heutiges Aussehen im 16. Jahrhundert. Zwei Kapellen und das Hauptschiff zeigen bedeutende Reste von Mosaiken und Wandfresken. Die ebenfalls heilig gesprochene Schwester der Praxedis, Pudentiana, ist die Namensgeberin der Kirche Santa Pudenziana (22) in der nahen Via Urbana. Auch die Ursprünge dieser Kirche reichen weit zurück. Um 400 soll sie in einen antiken Thermensaal hineingebaut worden sein, dreischiffig, im Stil einer Basilika, vielfach verändert in den folgenden Jahrhunderten und um einen Campanile vermutlich im 13. Jahrhundert ergänzt. Prunkstück der Kirche ist ihr Apsismosaik aus der Zeit um 400 ganz im Stil der antiken römischen Tradition. Und zum Schluss der Tour durch die östlichen Stadtteile noch ein letzter Glanzpunkt, die großartige Kirche San Pietro in Vincoli (23). Sie trägt die Züge eines Renaissancebaus, aber ihre Anfänge reichen bis in die Zeit der frühen Christen zurück, wie es bei so vielen römischen Kirchen der Fall ist. Die häufigen baulichen Veränderungen im Mittelalter und in der Renaissance haben die Grundstruktur des Baus kaum angetastet. Die antiken römischen Bauwerken entstammenden 20 dorischen Säulen des Innenraums der dreischiffigen Basilika und der Triumphbogen der Apsis, auch er antiken Ursprungs, verleihen dem weiträumigen Kirchenschiff sein besonderes Flair und noch ein außergewöhnliches Werk zählt zur Ausstattung der Kirche: Michelangelos Figur des Moses, Teil eines monumentalen, nie fertiggestellten Grabdenkmals für Papst Julius II., das eigentlich im Petersdom aufgestellt werden sollte.









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