Reiseführer Rom

San Giovanni in Laterano

Die weiträumige Piazza auf dem Grundstück der altrömischen Patrizierfamilie Laterani war von der Spätantike bis ins Hohe Mittelalter das Machtzentrum Roms. Hier residierte der Papst, hier wurde Recht gesprochen und hierher wurden die für die Kirchengeschichte bedeutsamen fünf Lateran-Konzilien zwischen 1123 und 1512 einberufen. Welchen Rang die Kirchenoberen diesem Ort beimaßen, belegen die seinerzeit hier ausgestellten berühmten Symbole der Stadt wie die Kapitolinische Wölfin, das Reiterstandbild des Kaisers Mark Aurel und der größte und älteste aller je aus Ägypten nach Rom entführten Obelisken. Lateran-Palast, Baptisterium und Basilika vereinigen sich an der Piazza zu einem mächtigen Komplex. Er steht am Ende einer durch Obelisken markierten Sichtachse, die altehrwürdige Kirchen der Spätantike von der Santa Maria Maggiore bis zur Santa Croce in Gerusalemme mit der Mutterkirche der Christenheit, der Basilika San Giovanni in Laterano, verbindet.

San Giovanni in Laterano, Rom

Ihre Vorrangstellung unter den Kirchen Roms und der Welt ist unumstritten. Wer Zweifel hegt, wird auf die Inschrift am mittleren Eingang verwiesen, die verkündet „omnium urbis et orbis ecclesiarum mater et caput“. Sie sei „Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises“ und eine weitere Inschrift auf einem Marmorstreifen über den Eingängen erläutert, dass ihre wahrhaft überragende Funktion „auf päpstliche und kaiserliche Dogmen“ zurückgehe, „bestätigt im Namen des Heilands“.

Sie war die erste öffentliche christliche Kirche überhaupt. Alle Vorgänger waren private Einrichtungen, zumeist klein und oft nur im Verborgenen den Gläubigen dienend. Das änderte sich grundlegend unter Kaiser Konstantin d. Gr., der 312/313 den christlichen Glauben aus der Illegalität befreite und ihm den Aufstieg zur staatstragenden Religion ebnete.

Rom: San Giovanni in Laterano

Doppelsäulchen mit Intarsien am Kreuzgang

Die Kirche

Und Kaiser Konstantin war es auch, der den Anstoß zum Bau der Kirche gab und zu ihrem Unterhalt Güter stiftete. Wer der Architekt war, ist unbekannt. Nach den lückenhaften Quellen kann man eine Bauzeit von fünf Jahren in der Zeitspanne zwischen 312 und 324 annehmen. Die Kirche entstand im Stil einer Basilika, dem typischen römischen Versammlungsort der Kaiserzeit. Säulen oder Pfeiler trugen die Halle, die als öffentliches Gebäude profanen Zwecken diente, Handelsgeschäften zum Beispiel oder als Aufenthaltsraum. Der Grundtypus der Säulenhalle war sehr variabel und kam den Bedürfnissen der christlichen Gemeinden entgegen.

Die ursprünglich dem Erlöser geweihte Kirche wurde Jahrhunderte später Johannes dem Täufer und Johannes dem Evangelisten geweiht und heißt seitdem San Giovanni in Laterano. Sie ist die Bischofskirche des Papstes, der Oberhaupt der katholischen Kirche ist und zugleich Bischof von Rom.

Rom: San Giovanni in Laterano, Bodenmosaik

Bodenmosaik

Es war ein Monumentalbau, der im frühen vierten Jahrhundert auf den zugeschütteten Fundamenten einer Reiterkaserne hochgezogen wurde, vergleichbar in seinen Dimensionen mit den Diokletian-Thermen oder der Basilica Ulpia am Trajansforum. Mindestens 100 m lang und 55 m breit war sie, allein das Mittelschiff erreichte eine Länge von 90 m, eine Höhe von 27 m und eine Breite von 18 m. Dagegen waren die je zwei Seitenschiffe mit 15 und 9 m verhältnismäßig niedrig. Das heutige Querschiff und die Apsis sind Hinzufügungen, die 1291 unter Papst Nikolaus IV. erfolgten. Der Außenbau war schmucklos. Er bestand aus einfachen Ziegelwänden, die vielleicht verputzt waren. Um so prächtiger war die Innenausstattung mit roten Granit- und grünen Marmorsäulen, Einlegearbeiten im Fußboden und Mosaiken in den Wölbungen.

Die ursprüngliche basilikale Ordnung blieb unangetastet, als die Kirche ihr heutiges Aussehen erhielt. Nach den Vernachlässigungen während der Abwesenheit der Päpste in Avignon, nach wiederholten Bränden, etlichen Plünderungen und Schäden durch Erdbeben machte sich 1647/49 Francesco Borromini an die radikale Umgestaltung des Innenraums und die Neugestaltung der Fassade nahm sich Alessandro Galilei in den Jahren 1732 bis 1736 vor.

Die barocke Gestaltung durch Borromini gab der Hauptschiffswand ein völlig anderes Aussehen. Kolossale Pilaster bedecken sie und tragen ein Gebälk, auf dem die vergoldete Kassettendecke  aufliegt. Zwischen den Pilastern wechseln sich Pfeiler, Relieffelder, Nischen mit übergroßen marmornen Apostelstatuen und hohe Arkaden ab. Der farben- und formenreiche Fußboden in Kosmatentechnik (d. s. vielfarbige Marmoreinlagen) wurde bereits in den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts gelegt. Über den Arkaden ist die Hauptschiffswand durchfenstert. Von hoch oben fällt das Licht in den Raum und dringt auch noch schwach in die Seitenschiffe ein, die durch eine schlichte Pfeilerkolonnade getrennt sind.



Neben der phantasievollen Wandgestaltung fällt die Vielzahl von Grabmälern und Kapellen ins  Auge. Nicht weniger als 28 Päpste haben in San Giovanni ihre letzte Ruhestätte gefunden. Auch die Vierung, dort, wo sich Längs- und Querschiff durchdringen, weist eine Besonderheit auf, den Papstaltar aus weißem Marmor und darüber das Ziborium, das die Häupter der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus als kostbare Reliquien bewahren soll. Die Apsis ist ein Neubau vom Ende des 19. Jahrhunderts. Ihr Mosaik entstand in Anlehnung an die Darstellung im 14. Jahrhundert, die wahrscheinlich noch einen Vorgänger im 4. Jahrhundert hatte.

Vom linken Seitenschiff führt ein Tor in den Kreuzgang, der um 1220/1240 von Mitgliedern der Bildhauerfamilie Vassaletto geschaffen wurde. Er gilt als eines der Hauptwerke der römischen Kosmatenkunst. Filigrane Doppelsäulchen, die abwechselnd schlicht oder kanneliert, gedreht oder geflochten angeordnet und mit schimmernden Einlagen verziert sind, tragen die Bögen des Kreuzgangs. Zahlreiche Relikte aus der alten Basilika sind in den Gängen und an den Wänden zu bestaunen.

Ihr wahres Alter sieht man der Kirche San Giovanni nicht an, schon gar nicht, wenn man ihrer Fassade gegenüber steht. Sie ist das Meisterwerk des florentinischen Architekten Alessandro Galilei. In den Jahren 1732 bis 1736 ließ er sie in klassisch strenger Linienführung der alten Fassade vorsetzen, ohne dekorative Barockelemente und gegliedert nur durch mächtige Pilasterpfeiler, Bögen und Dreiecksgiebel. Gekrönt wird die Kirchenfront mit sieben Meter hohen Statuen von Künstlern des 18. Jahrhunderts. In der Mitte, etwas erhöht, steht Christus, zu seinen Seiten Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist und zwölf Kirchenlehrer. Sehenswert ist die zweiflügelige Bronzetür im mittleren Durchgang. Sie stammt aus dem 3. Jahrhundert und verschloss damals die Curia, den Sitz des römischen Senats auf dem Forum Romanum.

Eine zweite, nicht minder auffällige Fassade in Form eines Portikus mit Loggia ist dem Querhaus vorgelagert. Darüber erheben sich die beiden schneeweißen Glockentürme des 14. Jahrhunderts. Die Neugestaltung der Querhausfront mit dem Seiteneingang besorgte 1586 der Architekt Domenico Fontana im Zuge einer der unzähligen Nachbesserungen und Verschönerungen, die San Giovanni über sich ergehen lassen musste. 

Der Palast

Über einhundert Jahre dauerte der Bau der Papstresidenz. Um 800 auf den Resten eines Vorläuferbaus aus konstantinischer Zeit entstanden, wurde der päpstliche Wohn- und Amtssitz bis zum „babylonischen Exil“ in Avignon genutzt. Rückkehrer Gregor XI. sah sich 1377 einer Brandruine gegenüber und bezog den vatikanischen Palast als neuen Amtssitz. Einer seiner späteren Nachfolger, Sixtus V., ließ die Reste abreißen und von Domenico Fontana 1586 nach dem Vorbild des von Michelangelo gestalteten Palazzo Farnese einen Neubau als Sommersitz der Päpste errichten. Die aber bevorzugten den Quirinalspalast – im neuen Lateran residierte nie ein Papst.

Rom: Lateranpalast

Im Palazzo (er beherbergt heute die römische Bistumsverwaltung) wurden 1929 die sog. Lateranverträge unterzeichnet, die die Souveränität des Vatikanstaats verbindlich regelten. Unterzeichner waren Mussolini als Italiens Ministerpräsident und Kardinalstaatssekretär Gasparri für den Heiligen Stuhl.

Cappella Sancta Sanctorum und Scala Santa

In der Kirche SS. Salvatore della Scala Santa gegenüber dem Lateranpalast befindet sich die Papstkapelle Sancta Sanctorum, die ursprünglich Teil des alten Papstpalastes war. Als päpstliche Hauskapelle verwahrte sie die kostbarsten Reliquien Roms, darunter die Häupter der Apostel Petrus und Paulus. Zur Kapelle führt die Scala Santa, die Heilige Treppe, hinauf. Einer alten Legende zufolge soll sie aus dem Palast des Pontius Pilatus stammen und von Christus betreten worden sein, als man ihn vor Pilatus zerrte. Die heilige Helena, Konstantins Mutter, soll die Treppe, so die Legende weiter, zusammen mit vielen anderen Reliquien aus Palästina mitgebracht haben. Unter Gläubigen genießt die Scala Santa größte Verehrung. Auf den Knien und betend ersteigen sie Stufe für Stufe zur Sancta Sanctorum hinauf, die sie mit der Inschrift empfängt Non est in toto sanctior orbe locus – es gibt keinen heiligeren Ort auf dem ganzen Erdkreis.

Die Taufkapelle

Wie die Basilika ging auch das Baptisterium auf Anregungen Konstantins zurück. Es wurde über dem Nyphaeum, dem Brunnen der Laterani-Familie errichtet, zunächst rund, später achteckig. Der schmucklose Ziegelbau gilt als älteste Taufkirche der Christenheit. Die Zahl 8 ruft den achten Schöpfungstag in Erinnerung und verweist auf die Vollendung der Schöpfung. Auch innen taucht die Zahl 8 wieder auf in Form von acht antiken Porphyrsäulen, die einen achteckigen Umgang begleiten. In der Mitte des Raums steht ein großes antikes Taufbecken aus grünem Marmor. Getauft wurde damals durch Eintauchen des Körpers. Uralte Mosaiken, die Vögel und Blumen und sakrale Motive darstellen, schmücken die Gewölbe und Fresken die Wände und nicht weniger als vier Kapellen aus frühchristlicher Zeit umringen den Taufraum.

(Piazza di San Giovanni in Laterano)





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