Reiseführer Rom

Paolina Borghese

Sie war dreiundzwanzig, als sie zum Entzücken der römischen Männerwelt ihren Wohnsitz von Paris an den Tiber verlegte. Sie hatte schon ein bewegtes Leben hinter sich, war mit siebzehn auf Drängen ihres Bruders die Ehe mit dem französischen General Charles Leclerc d`Ostin eingegangen, auch, wie ihr Bruder verlauten ließ, um sich der vielen lästigen Freier zu erwehren. Dabei genoss sie es, umworben zu sein, war Seitensprüngen nicht abgeneigt, selbst als ihr Mann 1802 auf dem Sterbebett lag. Schon im Jahr darauf heiratete sie, die eine geborene Pauline Bonaparte war, den in französischen Diensten stehenden römischen Adeligen Camillo Borghese. Wieder zog ihr Bruder im Hintergrund die Fäden und weil er ihre Neigungen kannte, gab er seiner Lieblingsschwester die Ermahnung mit auf den Weg: „Und keine Eskapaden in Rom, bitte!“
Ihr Bruder war Napoleon Bonaparte.

Paolina Borghese

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Napoleons Heiratspolitik war seinerzeit eine von vielen gefürchtete, von manchen begrüßte Vorgehensweise, mit der er seine Eroberungen zu sichern versuchte. So rückten seine Geschwister und enge Vertraute europaweit in diverse Königs-, Fürsten- und Herzogshäuser ein und kontrollierten das politische Geschehen zum Nutzen der Grande Nation. Seine Schwester Paolina mit dem Borghese-Spross zu verehelichen, versprach den Einstieg in die italienische Hocharistokratie.

Paolina dürfte für derartige Überlegungen wenig Interesse aufgebracht haben. Sie wollte das Leben genießen und den Palazzo Borghese am Tiber der römischen Gesellschaft öffnen, vielleicht hin und wieder mal ein wenig provozieren, ein paar delikate Situationen auskosten. Doch die tonangebenden Familien Roms gingen auf Distanz. Sie waren nicht unfreundlich, aber „ohne Herz“, wie sie klagte. Sie langweilte sich, in der Ehe kriselte es. Camillo war unfähig, für Nachkommenschaft zu sorgen. Wie schon die Ehe mit Leclerc war auch die Verbindung mit Camillo für sie kein Hindernis, ihren römischen Verehrern die Türen weit zu öffnen. Ihr Schwindel erregendes Verwirrspiel mit häufig wechselnden Partnern wurde zum Dauerthema in den Cafès und vornehmen Salons. Es seien an die dreißig Liebhaber gewesen, mit denen sie sich während der formellen Bindung an Camillo vergnügt habe, wussten „gut informierte Kreise“ zu berichten. Verschwendungssucht hielt man ihr vor und ihre wilden Partys und endgültig wurde Paolina zum Stadtgespräch, als sie fast nackt dem Künstler Antonio Canova als „siegreiche Venus“ mit dem Apfel des Paris in der Hand Modell stand. Das ging denn doch zu weit! Gefragt, ob es ihr nichts ausgemacht habe, Modell zu stehen, meinte sie: „Absolut nicht! Es war ja gut geheizt im Atelier!“ Fachkundige rühmen Canovas Skulptur als ein Meisterwerk des italienischen Klassizismus. Es ist im „Museo e Galleria Borghese“ zu bewundern und ist fast immer von Schaulustigen umlagert.

Nach Napoleons Abdankung (1814) als Kaiser der Franzosen und König eines Rumpfitaliens (der schon seinen kleinen Sohn aus der Ehe mit Marie-Louise von Österreich zum König von Rom bestimmt hatte) ging er ins Exil auf die Insel Elba, begleitet von seiner Lieblingsschwester Paolina. Sie hatte unerwartet pragmatisch auf die neue Situation reagiert. So machte sie ihren wertvollen Besitz einschließlich einer märchenhaften Juwelensammlung schnell zu Geld, um ihrem Bruder das Leben im Exil zu erleichtern und seinen kleinen „Hof“ zu führen. Nach dem Intermezzo auf Elba lebte sie wieder in Rom, wo sich inzwischen auch ihre Mutter („Madame Mère“) niedergelassen hatte und nach und nach auch ihre Geschwister Lucien, Louis, Elisa und Carolina sowie etliche Tanten und Onkel. Madame Bonaparte residierte bis zu ihrem Tod im Palazzo Bonaparte an der Piazza Venezia/Ecke Via del Corso. Paolina lebte jetzt getrennt von Camillo in einem kleinen Palazzo am Stadtrand und versuchte ihren gewohnten ausschweifenden Lebensstil fortzusetzen, obwohl sie zunehmend unter Krankheiten litt. 1825 starb sie im Alter von 44 Jahren. Ihre Todesstunde erlebte sie – da blieb sie sich treu – festlich herausgeputzt in ihrer kostbarsten Robe. In der Paulinischen Kapelle der Santa Maria Maggiore wurde Paolina zur letzten Ruhe gebettet, in einem schlichten namenlosen Sarg im Schatten des mächtigen Sarkophags des Borghese-Papstes Paul V.





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