Vouni

Vouni

Die enge Straße schraubt sich Meter um Meter den Steilhang hinauf. 250 Meter über dem Ufer der Bucht von Güzelyurt mündet sie auf das Plateau und schon stellt sich bei manchen Besuchern Enttäuschung ein: Photogene Zutaten, wie man sie von unzähligen antiken Stätten kennt – Mauerwerk, dazu Bögen, Säulen und Kapitelle – fehlen hier fast völlig.

Vouni

Ganz nahe liegen die Gebirgszüge des Troodos

Fürs erste entschädigt die atemberaubende Aussicht, die schon 1928/29 die schwedischen Ausgräber von Vouni so faszinierte. Ganz besonders hatte es ihnen eine winzige Insel in nordwestlicher Richtung angetan, die ihnen „wie der Rücken eines wilden, schwarzen Ebers“ erschien. Petra tou Limniti, wie die Einheimischen den mächtigen Felsbrocken nahe dem Ufer nannten, wurde zum Ziel einer spontanen archäologischen Exkursion. Da keine Bootsverbindung zustande kam, schwammen die Forscher kurzentschlossen zu dem 50 m hohen Eiland hinüber. Schon während ihres ersten flüchtigen Erkundungsgangs kamen Zeugnisse einer neolithischen, präkeramischen Kultur ans Licht, die einmal mehr Zyperns Reichtum an archäologischen Fundstätten unter Beweis stellten.

Vouni

Auch eine antike Fundstätte: Der Felsen von Petra tou Limniti

Das Rätsel Vouni

Die Überreste des Palastes auf dem Hügel über dem Meer sind für Archäologen und Historiker eine harte Nuss. Obwohl eher „jüngeren“ Datums – Vounis kurze Geschichte spielt in der ausgehenden Archaischen und in der Klassischen Epoche – ist bis auf den heutigen Tag kein zeitgenössischer Text, keine Inschrift aufgetaucht, die von dem bemerkenswerten Bau erzählt. Wir wissen nicht einmal den Namen der Anlage („Vounó“ steht im Griechischen für Berg), noch ist sicher, wer sie erbaute und wer darin lebte. Ohne sich auf die fachkundige Interpretation schriftlicher Quellen durch Historiker stützen zu können, stand die Archäologenzunft vor dem Dilemma, das Geschehen an diesem Ort allein aus den Grabungsbefunden herauslesen zu müssen. Es entstand eine plausibel klingende Geschichte Vounis, basierend auf den Erkenntnissen der Swedish Cyprus Expedition, akzeptiert vom Cyprus Department of Antiquities und von unzähligen Geschichts- und Reisebuchautoren verbreitet.

Folgendes soll sich abgespielt haben: Im Verlauf des hin und her wogenden Machtkampfes zwischen Persern und Griechen und ihren zyprischen Bundesgenossen, errichtet der von den Persern eingesetzte König Doxandros von Marion (nahe Polis/Westzypern) auf persisches Drängen um das Jahr 498 v. Chr. den Palast von Vouni. Dessen Aufgabe sollte es sein, den nur 5 km entfernten progriechischen Stadtstaat Soloi unter Kontrolle zu halten. Um die Jahrhundertmitte wird der mittlerweile regierende Sohn des Doxandros, der ebenfalls perserfreundliche Sasmai, von dem athenischen Feldherren Kimon vertrieben und durch den progriechischen Fürsten Stasioikos I. ersetzt. Dieser verleiht dem ursprünglich mit persischen Stilelementen ausgestatteten Bauwerk jetzt ein „griechisches“ Aussehen. Gegen 380 v. Chr. soll der Palast nach einem Angriff der Stadt Soloi durch ein Feuer zerstört worden sein.

Diese Darstellung war von Anfang an mit vielen Fragezeichen versehen, doch erst in jüngster Zeit werden neue Überlegungen ins Feld geführt. Im Mittelpunkt der Kritik steht der Versuch, allein aus einem Gebäudegrundriss politische Geschichte zu rekonstruieren. Typisch persische Stilelemente seien nicht nachweisbar, wenn auch die erste Bauphase zweifellos an östlichen Vorbildern orientierte Architektur des Liwan-Typus widerspiegle, wie sie in Zypern und der Levante seinerzeit geläufig war. Die Umbauten der 3. Bauphase könne man schwerlich als Beleg für die Einführung griechischer Architekturprinzipien (Megaron-Typus) deuten. Auch gebe es für einen Angriff Solois auf Vouni nicht den geringsten Hinweis. Vielmehr könnten die Zerstörungen mit dem Feldzug des Evagoras gegen Marion zusammenhängen und schließlich: die Tatsache, dass die im „Schatz von Vouni“ gefundenen Münzen zu 60 % aus Marion stammten, lasse nicht den Schluss zu, in Vounis Machthaber den König von Marion zu sehen . . . . Ein Ende der Debatte ist nicht in Sicht.

Derweil streicht der Wind über das Plateau von Vouni. Leichter Dunst liegt über der See und dem Bergpanorama und kein Archäologe gräbt sich in den felsigen Grund auf dem „Berg unserer Träume“, wie Expeditionsleiter Erik Paul Einar Gjerstad damals die Fundstätte taufte. In seinen Erinnerungen „Ages and Days in Cyprus“ schildert er den Moment, als einer seiner Arbeiter gerade die Spitzhacke schwang und das Fragment eines großen Terrakottakopfes aus der Erde auftauchte:

„Vorsichtig gruben wir weiter. Ein starker Felsblock lag im Weg, nichts als ein gewöhnlicher, roh zugehauener Felsstein. Ich drehte ihn um. Mein Gott! Das archaische Gesicht einer Frau lächelte mich an. . . Nach Wochen intensiver Arbeit gab die Erde keine Statuen mehr frei, dafür konnten wir eine majestätische Treppe freilegen, die hinauf zum Tempel führte, wo einst die Statuen gestanden hatten. Wir gruben weiter. Graben auf Graben wurde ausgehoben . . . Und wir entdeckten massive Mauern aus sauber bearbeiteten Steinblöcken, die sich auf einer Fläche von mehr als 10.000 m² verteilten. Sie alle gehörten zum gleichen Gebäude – es war ein Palast.“

137 Räume und ein Schatz

Der leider nur noch in seinen Fundamenten erhaltene Palast bedeckt die imponierende Fläche von 81 x 60 m. Mit einem wahren Schilderwald versucht das Department of Antiquities den Besuchern die Stätte zu erschließen.

Man weiß, dass der herrschaftliche Bau auf Steinplatten oder dem natürlichen Felsgrund errichtet wurde. Rechteckig zugeschnittene, geglättete Steine und sonnengetrocknete Lehmziegel fanden für die Mauern Verwendung, aber auch Holz kam zum Einsatz wie etwa als Dachbalken und Sturzträger. Aus Holz war auch die Treppe, die ins obere Stockwerk führte. Unter ihren Trümmern fanden die Ausgräber den „Schatz von Vouni“. Da die Gänge zwischen den 137 kleinen und großen Räumen dem Auf und Ab des Felsprofils folgten, wurden Höhenunterschiede durch Treppenstufen überwunden und Unebenheiten im Boden mit Zement ausgeglichen. Auch fand man heraus, dass die Tore vor den breiten Eingängen schon auf Zapfen bewegt wurden. Mit Stroh waren die leicht geneigten Dächer gedeckt und durch aufgestrichenen Lehm oder Kalk leidlich gegen Regen abgedichtet. Das ablaufende Wasser leitete man durch Regenrinnen und Rohre in zementverputzte, mühsam aus dem Fels herausgeschlagene Zisternen. Unter dem zentralen Hof liegt das größte dieser Wasserreservoire, von dem ein unterirdischer Kanal in ein Nebenbecken unter einem der seitlichen Räume führt. Ohne Frage war die Wasserversorgung der Palastanlage eine heikle Angelegenheit, denn Quellen gab es nicht und Tiefbrunnen konnten wegen des felsigen Untergrunds nicht angelegt werden.

Vouni

Stele an einer Zisterne

Während seiner kurzen Existenz von nur etwa 100 bis 120 Jahren wurden an dem Palast erhebliche Veränderungen vorgenommen. Der ursprüngliche Bau aus dem frühen 5. Jahrhundert (1. und 2. Bauphase) umfasste einen aufwendigen Eingangsbereich und daran anschließend eine repräsentative Raumanlage mit dominierendem Mitteltrakt und je drei Räumen an seinen Längsseiten. Eine breite Treppe führte von hier hinunter in den peristylen (mit Säulen umstandenen) zentralen Hof, in dessen Mitte eine Schöpfanlage das darunter liegende Wasserreservoir erschloss. Um den Hof gruppierten sich Wohnräume. In der Nordostecke wurden Badeanlagen und eine Latrine angelegt, im südwestlichen Flügel entstanden Lagerräume und gegenüber lag der Küchentrakt.

Vouni

Ein Teil der Badeanlagen

Um die Mitte des 5. Jahrhunderts kam es zu einschneidende Umbauten. Während dieser 3. und einer weniger ins Gewicht fallenden 4. Bauphase verlegte man den Eingang von der Südseite an die nordwestliche Ecke und blockierte den ursprünglichen Zugang. Eine Flucht großer Lagerräume erweiterte den Bau an seiner südöstlichen Seite und es wurde ein oberes Stockwerk errichtet.

Diese Umorientierung der Palastanlage, so die (mittlerweile angezweifelte) herkömmliche Interpretation, belege eine Annäherung an die griechische Megaron-Architektur, während die erste Bauphase Gemeinsamkeiten mit dem Liwan-Typus anatolisch-nordsyrischen Ursprungs aufweise.

Vouni

Gegenüber dem Parkplatz stößt man auf einer kleinen Erhebung auf die spärlichen Reste eines Athena-Tempels. Kaum zu glauben, dass hier sensationelle Funde ans Tageslicht kamen, darunter ein 21,5 cm großes Bronzerelief. Es zeigt zwei Löwen, die einen Stier schlagen, die berühmte 19 cm große bronzene Votivfigur eines Rindes und eine Terrakottadarstellung, die zeigt, wie Athena einen Streitwagen besteigt – großartige Kunstwerke, die im Zypern-Museum / Nicosia ausgestellt sind.

Um den Palast herum liegen die Fundamente verschiedener Kulträume und Heiligtümer und kaum noch auszumachen sind die Reste einer Siedlung, die sich in der Antike über den südlichen Hang verteilte und mit starken Mauern gesichert war.

Rundgang

Vouni, Karte, Nordzypern

Besucher betreten die Anlage von Südwesten her auf den Spuren des antiken Weges, der einst die Verbindung zwischen Hangsiedlung und Palast herstellte. Der ursprüngliche Eingang (1) wurde im Zuge der Umbauten durch eine Mauer blockiert. Eine zweite, davor hochgezogene Mauer (2) gestaltete die Fassade neu. Man betritt nun die repräsentative, dreigeteilte Halle (3) mit je drei großen Nebenräumen (4) an ihren Längsseiten. Am Ende der Halle führen die sieben Stufen einer breiten Treppe auf den zentralen Hof (5), der – Reste von Säulenbasen deuten es an – an drei Seiten von einem überdachten Säulenumgang (Peristyl) flankiert war. Unter dem Hof lag die Hauptzisterne. Die seltsam geformte Steinstele (6) mit einem unvollendeten Relief in der Mitte hielt vermutlich die Brunnenwinde. Um den Hof reihen sich Privatgemächer (7) auf. Eines von ihnen (7a / auf der Westseite) ist auffallend groß. Es liegt über einer Zisterne, die durch einen unterirdischen Kanal von der Hauptzisterne gespeist wurde. Der geteilte Raum (8) auf der gegenüber liegenden Seite weist noch Spuren einer ins Obergeschoß führendenTreppe auf. Im nordöstlichen Bereich des Palastes liegen interessante Bäder, die zu den frühesten antiken Anlagen dieser Art zählen. Ihre Böden sind zementiert, man erkennt Abflüsse und Spuren von Waschbecken. Raum (9) diente als Caldarium (Warmwasserbad), der angrenzende Raum (10) als Frigidarium (Kaltwasserbad) und das Sudatorium (Dampfschwitzbad) mit anschließendem Praefurnium (Heizungsanlage) war in Raum (11) untergebracht. Und es gab Latrinen, enge Boxen aus Steinquadern, im Anschluss an die Bäder.


Vouni Treppe zum zentralen Hof

Im Raum (12) war es, wo Archäologe Gjerstad seinen Arbeiter Christos ausgestreckt auf dem Bauch liegend, den „Schatz von Vouni“ bewachend vorfand, nachdem der Aufschrei „Die Erde glänzt von Gold und Silber“ die Crew elektrisiert hatte. Versteckt in der Spalte eines Treppenunterbaus, war ein großer mit Holzkohle und Asche bedeckter Tontopf entdeckt worden, der sich als wahre Schatztruhe erwies: 3 silberne Schüsseln, 4 goldene Armreifen, 15 silberne Armreifen, 248 Silbermünzen, 4 Goldmünzen und kleinere silberne und goldene Schmuckstücke kamen ans Tageslicht.

Um die zentralen Räumlichkeiten gruppieren sich im Osten der Wirtschaftshof (13) mit einer Zisterneund Lagerräume (14), im Südosten umschließt ein weitläufiger Küchentrakt (15) einen Innenhof (16) und auf der Westseite sind Wohnräume (17) nachweisbar sowie weitere Lagerräume (18), von denen zwei (18a + b) Löcher im Boden aufweisen, die als Halterungen für Amphoren gedient haben werden.

Die nordwestliche Ecke des Palastes erfuhr während der 3. Bauphase durch die Verlegung des Einganges merkliche Veränderungen. Dazu wurde eine Rampe (19) aufgeschüttet, die auf eine rechtwinklige Eingangshalle (20) zuführte. Von ihr gelangte man über die zehn Stufen einer Treppe hinauf in einen kleinen Vorraum und von dort über eine weitere Treppe in den zentralen Hof (5).

 





Das könnte Sie auch interessieren

.