Kretische Literatur

Einen ersten Höhepunkt erreichte das Literaturschaffen Kretas im 17. Jh., als unter dem Einfluß der italienischen Renaissance auch hier herausragende Werke entstanden. Die Dramen und Komödien des Jorgos Chortátzis entstanden bereits im ausgehenden 16. Jh., bisweilen werden noch heute einige seiner Stücke auf griechischen Bühnen aufgeführt, wie z.B. seine Tragödie Erofili. Den bis heute größten Bekanntheitsgrad erreichte der Dichter Vitzentzos Kornáros, der aus der Gegend von Sitía stammt. Er schuf Anfang des 17. Jh. eines der Meisterwerke kretische Literatur, das über 10 000 Verse umfassende romantische Epos Erotokritos. Noch heute wird bei kulturellen Veranstaltungen aus dieser Dichtung rezitiert und so mancher Kreter kann einige Passagen auswendig vorsagen. Das Werk erzählt von der Liebe des Erotokritos zur Prinzessin Aretusa, eine zeitlose Thematik also.

Weltruhm erlangten jedoch nur drei kretische Literaten. Der eine, Jorgos Seféris, erhielt 1963 für seine Lyrik den Nobelpreis für Literatur. Doch blieb diese Beachtung auf den Kreis der Literaturexperten beschränkt. Nicht anders erging es dem Lyriker Odysseas Elytis, der 1979 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Breite Anerkennung und Übersetzungen in alle Sprachen der Welt erfuhr hingegen ein anderer Kreter: Nikos Kazantzákis (1883-1957). In Iráklion geboren studierte er Jura in Athen und später Staatswissenschaften in Paris, wo er mit der europäischen Literatur des 20. Jh. vertraut wurde.Später war er zunächst im Athener Sozialministerium tätig. Sein literarisches Schaffen ist durch die Breite seiner Tätigkeit gekennzeichnet. Er verfasste Gedichte und Romane, Tragödien und philosophische Aufsätze, ja sogar Reisebeschreibungen. Seine Übersetzungen großer Weltliteratur - darunter Goethes Faust, Dantes Göttliche Komödie und Arbeiten von Nietzsche - machten diese Werke einer breiteren Öffentlichkeit in Griechenland zugänglich. Bekannt im deutschsprachigen Raum wurde Kazantzákis vor allem durch seine Romane. Sein erster Roman Alexis Sorbas, 1946 erschienen, prägte das Griechenlandbild im deutschsprachigen Raum beträchtlich mit. Vor allem seit dessen Verfilmung mit Anthony Quinn in der Hauptrolle, avancierte das Buch zur wichtigsten Strandlektüre deutscher Kretaurlauber. Auch seine weiteren Romane, "Freiheit oder Tod", ein historischer Kreta-Roman, und seine von der Auseinandersetzung mit der Religion stark beeinflußten Werke" Griechische Passion", "Mein Franz von Assisi", "Die letzte Versuchung", wurden ins Deutsch übersetzt.

Kazantzákis war in seiner Heimat lange Zeit eine äußerst umstrittene Person. Aufgrund seiner unorthodoxen und eigenwilligen Auseinandersetzung mit Religion und Glaube exkommunizierte ihn die griechisch-orthodoxe Kirche gar. Kazantzákis zeigte in seiner persönlichen Suche nach Gott Unabhängigkeit, wie eine Textpassage aus seinem Roman Rechenschaft vor El Greco verrät:

"Christus, Buddha, Lenin zogen mich an, und ich saß von klein auf zu ihren Füßen und hörte hingerissen ihrem betörenden, von Liebe erfüllten Gesang zu. Mein ganzes Leben lang kämpfte ich, um mich von allen diesen Sirenen zu befreien, ohne mich von einer einzigen von ihnen loszusagen; auf dass ich ihre drei nicht zueinander passenden Stimmen in eine Harmonie verwandelte".

Sein schlichtes Grab auf der Martinengobastion in Iráklion ziert denn auch die bedeutungsvolle Inschrift: "Ich hoffe nichts, ich fürchte nichts, ich bin frei!"





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