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Wallonien

Schelde, Maas, Semois und waldreiche Ardennen

Der Süden Belgiens war eine überaus prosperierende Region, als Kohle und Stahl noch Arbeitsplätze sicherten und Gewinne versprachen. Doch die alten Industrien haben längst ausgedient. New Economy mit Hightech und Biotech ist nun das neue Zauberwort, dessen Segnungen allerdings an Wallonien weitgehend vorbeigegangen sind. So hängt die Region am Tropf des reichen Nordens Flandern, der dem armen Bruder im Süden mit Transfers von Finanzmitteln unter die Arme greift. Die alten Industrien sind heute, wenn überhaupt noch erhalten, industriearchäologische Denkmäler, die wie Grand Hornu eine neue Nutzung erfahren haben.

Die Region zwischen Charleroi und Lüttich war eine der wichtigen belgischen Industriestandorte und wurde durch die Schwerindustrie und Rüstungsindustrie geprägt. Die Existenz von Forts in Namur, Huy und Lüttich unterstreicht zugleich die militärisch-strategische Bedeutung der Region. Allerdings waren diese Festungswerke kein ausreichendes Bollwerk, um den Vormarsch deutscher Truppen im Ersten und Zweiten Weltkrieg aufzuhalten.

Belgien - Wallonien - Mons Grand Place in Mons  © fdp
Grand Place in Mons © fdp

Beginnen wir unsere Rundreise durch Belgiens Süden ganz im Osten des Landes. Eine „Enklave deutschsprachiger Belgier“ am Rand der französischsprachigen Wallonie ist Ostbelgien mit Städtchen wie Eupen und Malmédy, wo man eine ganz eigene Karnevalskultur pflegt. Wenn die Jecken anderswo sich auf die nächste närrische Saison vorbereiten, beginnt an Laetare der Karneval in Stavelot, wo die Reste der Abtei an die Zeiten erinnern, als noch ein Fürstabt die Geschicke von Stavelot und Malmedy lenkte. In Ostbelgien erstreckt sich über die Grenze hinweg der Naturpark Eifel-Hohes Venn. Das Hohe Venn ist eine einmalige Moorlandschaft, die unter strengem Naturschutz steht und in den für die Allgemeinheit zugänglichen Teilen gute Wandermöglichkeiten bietet. Bei ausreichendem Schnee ist das Hohe Venn außerdem ein Dorado für Skilangläufer. Wer in der Gegend von Stavelot und Malmedy ist, sollte einen Abstecher zu den Grotten von Remouchamps unternehmen, die zu Fuß und in einem Kahn zu erkunden sind. Kalksteinformationen und Grotten findet man neben einem Wildtierpark außerdem in Han-sur-Lesse. In waldreicher Umgebung liegen Orte wie Hotton mit seinen sehenswerten Kalksteingrotten und St. Hubert, das als Hauptstadt der Jagd gilt. Durbuy nimmt für sich in Anspruch die kleinste Stadt der Welt zu sein. Der kleine Ort Rochefort mit den Ruinen einer fürstlichen Schlossburg liegt in einer Senke zwischen dem Plateau Condrusien und dem Haut Plateau Ardennais und ist gleichfalls eine Stippvisite wert.

Hätte es die verlustreiche Ardennenoffensive im Dezember 1944 nicht gegeben, wer weiß, ob jemand La Roche-en-Ardennen kennen würde. Die strategisch wichtigen Brücken über die Ourthe bei La Roche waren das Ziel einer deutschen Offensive, um den Vormarsch der in der Normandie gelandeten und von dort vorrückenden alliierten Truppenverbände zu verhindern. Das Musée de la Baitaille des Ardennes erinnert an diese Ereignisse. Ein anderer Ort des Schreckens war Baugnez, wo im Zuge der Ardennenoffensive durch deutsche Panzereinheiten amerikanische Kriegsgefangene regelrecht abgeschlachtet wurden.

Belgien - Wallonien - Namur - Hotel de Ville
Rathaus in Namur © OPT Joseph Jeanmart

Mächtige Festungsbauten finden wir an der Maas, man denke an die Zitadellen von Namur und Dinant sowie Huy. Die einstige Industriestadt Lüttich hat sich unterdessen dank des Museumskomplexes Grand Curtius und des Freilichtmuseums der Kunst auf dem Campus Sart-Tilman zu einer Kunststadt gemausert. Jazzfreunde treffen sich jedes Frühjahr zum Jazzfestival in der Stadt, aus der auch der unter Jazzliebhabern bekannte, 1994 leider verstorbene belgische Saxofonist Jacques Pelzer stammt.

Der Süden Belgiens ist reich an Schlössern und Burgen, ob nun die Burg des Königs von Jerusalem in Bouillon, die gräfliche Burg in Rochefort oder das Schloss in Modave mit seinen meisterlich ausgeführten Stuckarbeiten in den Sälen des Schlosses. Das eher schlicht wirkende Schloss von Annevoie nebst seinen formalen Gärten wurde 1759 unter Charles Alexis de Montpellier geschaffen. Gerade die Gartenanlage ist es, die Gartenfreunde nach Annevoie lockt. Als ein belgisches Versailles wird das Schloss Beloeil unweit von Tournai angesehen.

Belgien - Wallonien - Ein Sommertag am Canal du Centre © fdp
Ein Sommertag am Canal du Centre © fdp

Zeugnisse der Industriekultur sind nicht nur Charleroi, sondern auch die Schiffshebewerke des Canal du Centre und La Louvière, wo die Porzellanherstellung von Royal Boch zuhause ist. Wie der Canal du Centre so sind auch die Kathedrale und der Glockenturm von Tournai Teil des UNESCO-Welkulturerbes. Zu diesem gehören außerdem die Riesen Goliath, Samson und Ambiorix aus dem nahen Ath. Was es mit ihnen auf sich hat, erfährt man nicht nur im Haus der Riesen, sondern beim jährlichen sommerlichen Umzug durch die Stadt.

Belgien - Wallonien - Gartenkunst im Schlosspark von Eghien © fdp
Gartenkunst im Schlosspark von Eghien © fdp

Gartenfreunde sollten unbedingt den Geburtsort von René Magritte Lessines mit dem dortigen Klostergarten des Hospitals Unsere Liebe Frau von der Rose und den Schlosspark von Eghien besuchen. Dass und in welcher Weise der Kalkabbau die Gegend um Tournai über Jahrhunderte prägte, erfährt man auf einer Wanderung durch das „Weiße Land von Antoing“. Wanderungen kann man auch im Naturpark Scheldeebene bei Péruwelz unternehmen, wo beim Naturparkhaus außerdem ein Abstecher in die Wipfel der Bäume möglich ist.

Belgien - Wallonien - Aufgelassene Kalkbrennöfen in Antoing © fdp
Aufgelassene Kalkbrennöfen in Antoing © fdp

Im „Speckgürtel“ der belgischen und flandrischen Hauptstadt Brüssel liegen die Schlachtfelder von Waterloo, zu denen jährlich Abertausende pilgern, auch und gerade wenn Mitte Juni durch Laiendarsteller in historischen Kostümen das Schlachtgetümmel nachgestellt wird. Eine Oase der Ruhe ist die Domäne Solvay (La Hulpe), wo man in einem ehemaligen Gehöft die Arbeiten des vielseitigen Künstlers Jean-Michel Folon zeigt.

Belgien - Wallonien - Nivelles - Die romanische Stiftskirche St.Getrud
Die romanische Stiftskirche St.Getrud in Nivelles © fdp

Eine besondere Idylle ist die Ruine der Abtei von Villers-la-Ville südöstlich von Waterloo. Als Modellstadt und als das Ergebnis der Neugründung einer Universität infolge des Sprachenstreits entstand Louvain-la-Neuve, wo sich auch die Heimat von Tim und Struppi befindet, nachdem man hier einen spektakulären Museumsneubau, das Museum Hergé, errichtet hat. Ein Muss für Architekturliebhaber ist der Besuch von Nivelles mit seiner einmaligen romanischen Stiftskirche.

Belgien - Wallonien - Tournai - An der Grand Place: die Kirche des hl. Quintinus
An der Grand Place in Tournai:
die Kirche des hl. Quintinus © fdp

Als Kunststädte verstehen sich Mons und Tournai, eine Stadt, die mit der romanisch-gotischen Kathedrale und dem Glockenturm gleich zwei UNESCO-Weltkulturerbestätten in ihren Mauern beherbergt. Unweit von Mons liegt Binche, das für seinen wallonischen Karneval ebenso bekannt ist wie Stavelot und Malmedy und in dessen Mittelpunkt die Gilles mit ihrem aus Straußenfedern bestehenden Kopfputz stehen.

Europäische Kulturhauptstadt 2015: Mons

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