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Liège (Lüttich)

Das Zentrum der an der Mass gelegenen Provinzhauptstadt liegt rund um die Grundmauern der ersten Bischofskirche und der auf ihnen erbauten Kathedrale am Place St.Lambert. Nur nach massiven Protesten Lütticher Bürger wurden systematische Ausgrabungen betrieben, um der frühen Geschichte der Stadt auf die Spur zu kommen. Bei den Grabungen wurden die Reste der Kirche von Notger, dem ersten Fürstbischof, ebenso freigelegt wie Funde geborgen, die auf eine 50 000 Jahre zurückliegende Besiedlung schließen lassen. An den Place Saint-Lambert erinnert sich Georges Simenon, der durch seine Kriminalromane um den Kommissar Maigret bekannt geworden ist, wie folgt: "... Place Saint-Lambert, mit den vielen, noch helleren Lichtern des Grand Bazar, der immer mehr erweitert wird und bereits zwei Häuserblocks verschlungen hat. Die schönen Schaufenster, die Kupfertüren, die sich lautlos öffnen und schließen ..." Unweit von hier wurde der wohl berühmteste Sohn der Stadt, Georges Joseph Christian Simenon, in der dritten Etage des Hause Rue Léopold 18 (heute 26) am 13. Februar 1903 geboren.

Belgien - Wallonien - Skulptur von Georges Simenon in Liege
Georges Simenon-Statue © OPT JP Remy

Die Ilot St.Catherine mit der Rue Neuvice, in der schon die Simenons ihren Kaffee kauften, als sie noch in der unweit gelegenen Rue Léopold lebten, ist eine der herausgeputzten Straßen der Maasmetropole, die augenblicklich einen zweiten Frühling erlebt. Der Bahnhof EuroLiège – erbaut nach dem Entwurf des Stararchitekten Santiago Calatrava – ist nur eines der architektonischen Highlights. Mit der jüngsten Restaurierung und Umgestaltung des Museumskomplexes Grand Curtius ist ein weiterer „Leuchtturm“ in der „Waffenschmiede an der Maas“ entstanden. Wie in der Vergangenheit, als Musketen, Gewehre und Pistolen von den Lütticher Waffenschmieden gefertigt wurden, ist die Stadt durch den Namen Herstal mit internationalen Waffengeschäften und dem legendären Winchester-Gewehr in Verbindung zu bringen.

Sehenswerte Museen

Die Besinnung auf die eigene Tradition und Geschichte spiegelt sich auch in den sehenswerten Museen der Stadt wieder: Unweit vom Zentrum der Stadt befindet sich das Musée de la Vie Wallonne in einem ehemaligen Minoritenkloster. Eine historische Fotoausstellung und alte Diapositive erschließen das Alltagsleben in den Regionen Hautes Fagnes, Hesbaye, Condroz und Famenne. Traditionelle Bräuche wie das Backen des Gateau roi zu Epiphanien (6. Januar) werden ebenso vorgestellt wie der Einfluss der Magie von Amuletten und Fetischbäumen, von denen in einigen Gegenden bis heute geglaubt wird, sie helfen gegen Krankheiten. Küchengeräte wie Butterfässer und eine Pfeffermühle aus dem 14.Jh. gehören wie Kohlebügeleisen ganz selbstverständlich zu den Ausstellungsstücken des Hauses, das sich dem Alltagsleben in Wallonien verschrieben hat. Das traditionelle Handwerk der Pfeifenmacher, der Kupferschmiede, der Glasbläser, der Waffenschmiede und die Herstellung von Schieferschindeln wird in eindrucksvoll inszenierten Werkstätten lebendig. Das Museum verfügt außerdem über eine umfangreiche Sammlung von Marionettenfiguren, darunter vier hölzerne Maurenkrieger, die Prinzessinnen Rosemunde und Helene, die heiligen drei Könige und Tchantchès. Regelmäßig werden diese und andere Marionetten aus den Vitrinen geholt, um dann ihren großen Auftritt in Aufführungen von „Orson et Valentin“ oder „Les quatre fils Aymon“ zu erleben.

Belgien - Wallonien - Liege - Musee de la Vie Wallone
Musée de la Vie Wallonne © OPT JP Remy

Gleich mehrere museale Sammlungen finden sich im Grand Curtius: Das Waffen- und das Glasmuseum sowie das Museum für dekorative Kunst, das Museum für sakrale und maasländische Kunst sowie das Archäologische Museum befinden sich in diesem Komplex für Kunst und Kultur, der Anfang 2009 eröffnet wurde. Bei dem Komplex handelt es sich um einen schmucken Bau im maasländischen Renaissancestil. In seinen Mauern wurde 1803 der französische Kaiser Napoleon erstmals als Gast willkommen geheißen. Acht Jahre später kam er noch einmal an die Maas und nächtigte im Wohnhaus der Familie de Hayme de Bomal.
Die Waffensammlung umfasst rund 11 000 Exponate, die einen Einblick in die Entwicklung der Waffentechnik erlauben. Genannt seien als wertvolle Stücke eine Sächsische Pistole (1587) und ein Pistolenpaar im Koffer aus Paris (1855). Jagdwaffen und Hellebarden, Rüstungen und Hinterlader aus den Sammlungen Pierre Solvay und Roger Malengret-Lebrun vervollständigen die Waffensammlung. Zu den Sammlungen, die im Grand Curtius untergebracht sind, gehören außerdem das Evangeliar von Notger, eine kunstvoll gestaltete Ausgabe der vier Evangelien, und zudem die wohl umfassendste Präsentation historischer Glaskunst in Belgien.

Belgien - Wallonien - Prunksaal im Grand Curtius
Prunksaal im Grand Curtius © Tourisme de Liège

Kunstfreunde zieht es in das Museum der Modernen Kunst, das wegen seiner umfänglichen Sammlung von Kunst seit dem Impressionismus besonders sehenswert ist. „Die blauen Pferde“ von Franz Marc, Arbeiten von Paul Gaugin oder Fernand Khnopffs „Der Mund“ sowie James Ensors Maskenbilder und Arbeiten von Karel Appel, Pierre Alechinsky und anderer Mitglieder der Gruppe CoBrA lassen die Herzen von Kunstliebhabern höher schlagen. Die Liste bekannter Künstler des 20. Jahrhunderts lässt sich noch um Namen wie Oskar Kokoschka („Monte Carlo“, 1925), Claude Monet (Le Bassin du Commerce, Le Havre, 1874), Emil Claus („La Maison Bleue“, 1920) oder Max Liebermann („Reiter am Strand“, 1904) ergänzen.

Kunst im öffentlichen Raum und eine Begegnung mit den führenden Künstlern der Moderne und Gegenwart steht beim Besuch des Universitätscampus Sart-Tilman auf dem Programm. Mehr als 100 skulpturale Arbeiten kann man bei einem Besuch dieses einmaligen Freilichtmuseums der Kunst bestaunen. Pierre Alechinsky ist ebenso mit einer Arbeit vertreten wie George Grard, Idel Ianchelevici, Pierre Caille, Rik Wouters, Jo Delahaut, Félix Roulin, Tapta und Serge Vandercam.

Die Stadt der Kirchen

Liège war im Mittelalter Hauptstadt eines Fürstbistums und ist bis heute ein wichtiges geistliches Zentrum des Landes, wenn auch nicht alle der 30 Klöster, 5 Abteien, 32 Pfarrkirchen und 7 Stiftskirchen erhalten sind. Eines der bis heute erhaltenen Gotteshäuser ist die Eglise Saint-Barthélemy, in der sich ein sehenswertes, Renier von Huy zugeschriebenes, romanisches Taufbecken aus dem 12.Jahrhundert befindet: Dieser Kirchenschatz ruht auf vier Steinsockeln und wird von zehn Ochsen getragen. Neben der Taufe Christi gehört die Taufe des Zöllners zu den szenischen Darstellungen. Weithin sichtbar sind die in den Himmel ragenden Zwillingstürme der aus Sandstein erbauten ehemaligen Stiftskirche, die ursprünglich zur Befestigungsanlage der Stadt gehörte. In der Rue Cathédrale steht die Eglise Saint-Denis Gläubigen und Besuchern offen. Vom ursprünglichen Kirchenbau des 10.Jahrhunderts sind das romanische Haupt- und der untere Teil des Querschiffes noch erhalten. Am Ende des 17.Jahrhunderts wurde die Kirche  dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend mit Barock- und Rokokodekor ausgestaltet. Besonders erwähnenswert ist der Altarschrein aus dem 16.Jh., auf dem der Leidensweg Christi und die Legenden von Dionysius, Bischof von Paris, dargestellt sind. Südlich von St.Denis erhebt sich die Cathédrale Saint-Paul, die zwischen dem 13. und 15.Jh. erbaut wurde. Ein streng gotisches Bauwerk, das in den nachfolgenden Epochen allerdings verändert wurde. In diesem Kontext erhielten auch die gotischen Seitenschiffe und die acht Seitenkapellen ihre Rankenornamente, die zunächst nur in den Gewölben des Haupt- und des Querschiffs vorhanden waren. In der Schatzkammer befindet sich unter anderem die Reliquienbüste des Heiligen Lambertus (1512). Ein überaus interessantes Beispiel spätgotischer Architektur ist die Eglise Saint-Jacques, die zunächst als romanische Kirche im 11.Jh. entstand. Aus dieser Zeit stammt die Vorhalle unterhalb des im 12.Jh. erbauten, achteckigen Glockenturmes. Die Säulen des Hauptschiffes sind mit Schnitzarbeiten (17.Jh.) von Heiligen wie dem heiligen Lambertus und dem heiligen Andreas versehen. Beeindruckend ist der um 1600 entstandene Orgelprospekt mit seiner reichen Verzierung. Ein weiterer sehenswerter Sakralbau der Stadt ist die Stiftskirche Sainte-Croix, die 979 gegründet wurde. Sie ist, was in der Lütticher Gegend selten ist, eine gotische Hallenkirche mit romanischen Fragmenten in der Chormauer. Besondere Aufmerksamkeit verdient das sehr schöne Gemälde „Auffindung des heiligen Kreuzes“ von Bertholet Flémalle (1614-75). Ganz in der Nähe der Heiligkreuzkirche wurde der Komponist und Organist César Franck (1822-90) geboren, zu dessen wichtigsten Arbeiten das Oratorium „Les béatitudes“ (1869-1879) und das Orgelwerk „Six pièces pour grand orgue (1860-1862)“ gehören.

Belgien - Wallonien - Kathedrale Saint-Paul
Cathédrale Saint-Paul © OPT JP Remy

Lüttichs Gassen und Treppenstraßen

Über den nach historischen Vorbildern erbauten und postmodern interpretierten Cour-St-Antoine, einst Wohn- und Arbeitsort der Brauer, geht es zur Rue Hors-Château mit ihren prächtigen, aus bläulichem Kalkstein erbauten Häusern (17./18. Jh.). Während Nonnen und Mönche sowie das Lütticher Bürgertum in der Rue Hors-Château lebten, musste sich das einfache Volk mit bescheidenen Häuschen in den abgehenden Gassen begnügen, darunter die Impasse de la Vignetten. An deren Ende standen ursprünglich bis hinauf zur Zitadelle Weinstöcke, wie schon der Name dieser Gasse verrät. Erstklassig war der Wein wohl nicht. So wird erzählt, dass man, um ein Loch im Strumpf zu stopfen, nur einen Tropfen Lütticher Wein darauf fallen lassen musste. Sorgsam restaurierte Fachwerkarchitektur findet man in der Impasse de l’Ange, die in die Impasse de la Couronne übergeht. In der Impasse Venta wurde im Mittelalter gefärbt, gab es dort doch einen dafür dringend benötigten Wasserzulauf mit Schleuse. Neben der barocken Eglise des Carmes et des Rédemptoristes befindet sich das ehemalige Ursulinenkloster an der Rue Hors-Château. Wer über mehr als 373 Treppenstufen hinauf zur Zitadelle steigen möchte, erklimmt die Montagne de Bueren. Anderenfalls bewegt man sich durch enge Gassen und über Treppen zum ehemaligen Beginenhof Zum Heiligen Geist und durch eine kleine Parkanlage zum Tour des Vieux Joncs, einem Teil der ehemaligen Komturei des Deutschen Ritterordens aus dem 10.Jahrhundert. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf den Bischöflichen Palast und die übrige Stadt.

Mit dem Krimiautor Georges Simenon in Lüttich unterwegs

Mit langen Schritten eilte einst der Vater des Autors aus seinem Versicherungsbüro in der Nähe des Bahnhofs zur Passerelle, um auf die andere Seite der Maas nach Outremeuse zu gelangen, wo die Familie lebte. Die Passerelle ist, wie Simenon es beschreibt, „eine Grenze zwischen dem Faubourg und der Stadtmitte. ... Die Passerelle ist etwas für die Bewohner von Outremeuse, die Brücke, über die man ohne Hut geht ..." Hüte sind wohl in Outremeuse aus der Mode gekommen, denn kaum jemand auf der Brücke trägt einen. Regenschirme gehören bei zu erwartendem Nieselregen und zumeist grau verhangenem Himmel über der „Tochter der Maas“ eher ins Bild.

Schaut man in Richtung Pont des Arches, so wartet man vergeblich auf eine vorbeifahrende Straßenbahn. Sie sind wie auch die Linie 4, die Simenon so liebte, durch TEC-Busse ersetzt worden. Wer die Passerelle verlässt, läuft unter Schatten spendenden Bäumen den Boulevard Saucy entlang.

Die Rue Puits-en-Sock ist immer noch eine der Lebensadern des Viertels, ähnlich wie zu der Zeit, als der Großvater Simenon dort sein Hutgeschäft betrieb, wo die Rue des Récollects auf die Puits-en-Sock trifft. Simenon erinnert sich: „Durch ein armseliges Gässchen ... gelangt Vater Simenon zu Rue Puits-en-Sock, der Geschäftsstraße, in der alle Häuser Ladenschilder haben, die riesige Schere des Eisenwarenhändlers, die bleifarbene Uhr, ... und schließlich, über dem Hutgeschäft (...) der leuchtend rote Zylinder." Doch all diese Erinnerungen sind längst der urbanen Veränderung gewichen: Nur noch die Haken für die alten Schilder sind an den Fassaden erhalten geblieben.

Um zur Kirche Saint-Nicolas, der Familienkirche der Simenons, zu gelangen, biegt man in die Rue des Récollects ein. Eine riesige Christusfigur schaut vom Giebel des Hauses Nr.13 herab. Über die Fosse-aux-Raines lenkt man seine Schritte zur Rue Georges Simenon, die frühere Rue Pasteur. Das Eckhaus „Au Belvedere“ von 1911 zieht mit dem gekachelten Giebel, der eine aufgehende Sonne und einen Fanfarenspieler zeigt, die Blicke für einen Moment auf sich. Vergeblich ist die anschließende Suche nach der ehemaligen Wohnung der Simenons in der Rue Pasteur. In seinen Erinnerungen verschweigt Simenon die Hausnummer der elterlichen Wohnung, beschreibt nur den Ort: „Es ist eine neue, breite Straße in einem modernen Viertel, ganz in der Nähe der Place du Congrés ..."

Neugierig biegen wir in die von der Rue Pasteur abzweigende Rue de la Loi ein, gleichfalls eine Wohnadresse der Simenons. Georges besuchte den dortigen Kindergarten Saint-André, der sich noch immer in der Rue de Loi 44-48 befindet. Wenige Schritte von hier entfernt  laufen die Straßen auf die Place du Congrés zu. Es ist eine Anlage geblieben, wie sie auch Georges Simenon in seiner Kindheit kannte: „ (...) so sauber, vollkommen rund, mit ihren vier gleich großen Grünflächen, ihren Bänken, der Straßenbahn 4, die eine gleichmäßige Kurve beschreibt". All dies ist Vergangenheit: Auf der Mitte des Platzes steht unterdessen eine Büste des Schriftstellers, der allerdings die typische „Maigret-Pfeife“ fehlt.

Weitere Informationen

Office du Tourisme
Féronstrée 92
4000 Liège
Tel. 00 32 4 221 92 21
www.liege.be/tourisme

Musée de la Vie Wallonne
cour des Mineurs
4000 Liège
Tel. 04 237 90 40
www.viewallonne.be
www.viewallonne.be/fr/theatre_programme

Musée de l'Art Wallon
Feronstrée, 86
4000 Liège
Tel. 04 221 92 31
www.museeartwallon.be

Le Musée d’Art moderne et d’Art contemporain de la Ville de Liège (MAMAC)
Parc de la Boverie 3
4020 Liège
Tel. 00 32 (0) 4 343 04 03 (MAMAC)
http://www.mamac.be

Musée en plein air du Sart Tilman
Domaine universitaire, B25
4020 Liège
Tel. 04 366 22 20
http://www.museepla.ulg.ac.be/
http://www.museepla.ulg.ac.be/de/sammlungen.html

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