Nivelles
Dieses Städtchen im Südwesten von Brüssel gehört zu einer Region, in der die Romanik noch gegenwärtig ist, wie in der Stiftskirche der hl. Gertrud in Nivelles oder der Kirche des hl. Laurentius in Haut-Ittre. Die Kunst der Romanik ist aber auch in der Dorfkirche von Wauthier-Braine und in Turbize noch zu finden, wo der romanische Sankt-Reineldis-Brunnen Wasser enthält, das bei Haut- und Augenleiden helfen soll. Die im sogenannten „Land der Romanik“ lebenden Menschen sind bis heute tief im Glauben verwurzelt: Prozessionen zu Ehren des Sankt Reineldis begeht man in Tubize, zu Ehren der Lieben Frau in Braine-le-Château.
Der im Stil des Historismus im 19. Jh.
erbaute Justizpalast © fdp
Es ist nicht so, dass die Stiftskirche von Nivelles die einzige Sehenswürdigkeit des Ortes ist, aber sicherlich die Wichtigste. Neben diesem romanischen Sakralbau existieren als weitere Gotteshäuser der Stadt die im Stil der Brabanter Gotik erbaute Eglise des Récollets (Kirche der Minderbrüder) und die im ausgehenden 19. Jh. auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes erbaute Eglise du Saint-Sépulcre. In den Mauern des Städtchens, das am Jakobsweg liegt, befindet sich auch das ehemalige Refugium der Abtei von Aywière (Rue Saint-Georges), das aus mehreren Häusern besteht. In einem davon wurde im 14. Jh. das erste Geldinstitut der Stadt eingerichtet. Back- und bläulicher Kalkstein sind wie auch an anderer Stelle der Stadt die wesentlichen Baumaterialien dieser ersten Bank der Stadt. Ein Kind des Historismus und des Stilmischmaschs ist der Justizpalast (1891), in dessen Nähe ein ansehnliches Stiftsherrenhaus aus dem 18. Jahrhundert steht.
Liegender Hund vor dem Rathaus © fpd
Wer vor dem Rathaus haltmacht, wird sich fragen, was es mit der Skulptur eines Hundes auf sich hat. Dazu gibt es eine Geschichte zu erzählen: Jean de Montmorency war im 16. Jahrhundert Landesfürst in Nivelles und weigerte sich in dieser Eigenschaft gegen die Truppen des Herzogs von Burgund zu Felde zu ziehen. Seither heißt es im Volksmund für jemanden, der nicht gerade durch Entschlossenheit und Mut brilliert: „Er gleicht dem Hund von Jean de Nivelles, der flieht, wenn man ihn ruft.“ Mit der Skulptur des liegenden Hundes erinnert man an Jean de Nivelles, den man als Stundenschläger an der Stiftskirche der hl. Gertrud entdeckt. Dieser ist mit 350 Kilo überaus gewichtig. Seit fünf Jahrhunderten gibt diese vergoldete Figur, die auch Djan-Djan genannt wird, die Zeit im Stundentakt vor.
Der vergoldete Stundenschläger Jean de Nivelles © fdp
Kommen wir nun zum Highlight von Nivelles: der mächtigen und zugleich trutzig erscheinenden Stiftskirche der hl. Gertrud im Zentrum der Stadt. Namenspatronin ist die heilige Gertrud (626-659), die Tochter des karolingischen Herrschers Pippin des Älteren. Nach dem Tod des Vaters zogen Mutter und Tochter nach Nivelles und ließen dort ein Kloster errichten, zu dessen erster Äbtissin Gertrud bestimmt wurde. Zum Kloster gehörten 40 Stiftsdamen und 30 Stiftsherren. Erbaut wurde die dreischiffige Stiftskirche als Teil der von Ida, der Mutter Gertruds, gestifteten Abtei in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Umbauten des Westwerks erfolgten zwischen 1166 und 1185.
Die romanische Stiftskirche St.Gertrud © fdp
Dieses wurde vor einem Vierteljahrhundert im romanischen Stil restauriert. Damit verschwand auch der barocke Portalvorbau. Stattdessen besitzt das Gotteshaus im Westwerk wieder einen Etagenchor und eine Zwerggalerie in Dreiergruppen. Auffallend sind die beiden vorhandenen Chöre, der West- und der Ostchor. Der Westchor wird von einer 14 Meter hohen Kuppel überspannt. Unter dem Ostchor befindet sich eine Unterkirche mit den Maßen 22x10 Meter. Zudem existieren gleich zwei Querschiffe.
Blick in das Mittelschiff der Stiftskirche © fdp
Im Inneren finden wir Arbeiten des Genter Bildhauers Laurent Delvaux (1696-1778), der unter anderem „Das Lamm der Apokalypse“ und die Bildnisse der hl. Gertrud und Pippin des Älteren schuf. Ein Blickfang ist auch das aus Eichenholz geschaffene Südportal mit seinen Goldverzierungen, für das gleichfalls Delvaux verantwortlich zeichnet. Prächtig ist der aus Marmor und Alabaster bestehende, 1623 entstandene Altaraufsatz. Dargestellt sind in Flachreliefs unter anderem Szenen aus dem Leben der hl. Gertrud und die Anbetung der Hirten. Dieser Kunstschatz hat seinen Platz in einem Arm des östlichen Querschiffs. Ihm gegenüber erblickt der Kirchenbesucher das aus der Renaissance stammende Chorgestühl. Nur noch Fragmente der einstigen Wandmalereien des Kircheninneren findet man im östlichen Chor. Im Kircheninneren stößt man außerdem auf einen Prozessionswagen aus dem 15.Jahrhundert, der zum Fest des hl. Michaels den Reliquienschrein der hl. Gertrud mit sich führt. Wer genau hinschaut, sieht die 24 auf Goldgrund gemalten Tafeln des Wagenaufbaus, die sich mit den Wundern der hl. Gertrud befassen.
Teil des Altaraufsatzes von Thonon © fdp
Weitere Informationen
Office du Tourisme.be
rue de Saintes 48
1400 Nivelles
Tel. 0032 / (0)67/ 84 08 64
www.tourisme-nivelles.be
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