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La Hulpe

Für die Hauptstädter ist die Domäne Solvay in La Hulpe eine grüne Oase, die gerade an Wochenenden zu ausgedehnten Spaziergängen, zum Picknick oder zum Besuch der Ausstellung der Werke von Jean-Michel Folon in der Fondation Folon animiert.

Belgien - Wallonien - La Hulpe - Schloss Solvay
Das ehemalige Schloss Solvay © fdp

Die Domäne Solvay ist ein ausgedehnter Park mit teilweise exotischen Gehölzen. Einzelne Mammutbäume finden sich ebenso wie die bläuliche Atlaszeder oder die eigentlich aus China stammende Schierlingstanne. Douglasien gedeihen neben kegelförmigen Sicheltannen; Azaleen und Rhododendren sind besonders im späten Frühjahr ein bunter Farbtupfer. Eichen, Kastanien, Buchen und Föhren formen kleine Baumgruppen. In der Dämmerung gehen die Fransen- und die Zwergfledermaus auf Insektenjagd. Tagsüber den Kuckuck zu hören, ist keine Seltenheit. Auch das Klopfen des spatzengroßen Kleinspechts ist hin und wieder zu vernehmen. An den Ufern der Seen lauern Graureiher auf Fischbeute, und Löffelenten paddeln gemächlich über das Wasser.

Belgien - Wallonien - La Hulpe - Gehöft
Das ehemalige Gehöft der Domäne Solvay © fdp

Die Stiftung Folon

Ein aufgelassenes Gehöft inmitten der Domäne dient der Stiftung Folon dazu, das Konvolut an Arbeiten, darunter Aquarelle, Siebdrucke, Plakate, Figurinen und Plastiken des Multitalents Jean-Michel Folon zugänglich zu machen. Präsentiert werden ungefähr 300 Arbeiten des 2005 verstorbenen Künstlers. Ob er der Mann mit dem Hut ist, dem der Besucher bereits vor dem Eintritt in das Schlaraffenland der Kunst begegnet ist, erfährt man auf der Reise durch die teilweise geheimnisvolle Bilderwelt Folons nicht.

Belgien - Wallonien - La Hulpe - Plastik
Plastik von Jean-Michel-Folon vor der
Fondation Folon in La Hulpe © fdp

Eine Bilderreise hinter dem Buchdeckel

Langsam öffnet sich ein riesiger Buchdeckel, hinter dem sich der erste Ausstellungsraum befindet. Von unsichtbarer Hand schließt sich diese Tür zur Kunstwelt Folons auch wieder. Nun wird man eingenommen von den zarten Aquarelltönen, die für Folon so charakteristisch sind. Neben Bucheinbänden, die Folon gestaltet hat, finden sich hier außerdem Arbeiten zum Thema Menschenrechte. Gestaltet hat der Künstler unter anderem Einbände zu Veröffentlichungen von Jorge Semprun und von H.G. Wells. Wie auf dem Rundgang erfahrbar wird, sind dies nicht die einzigen Arbeiten als Illustrator. Auch den New Yorker und die Time zieren Folons Bilderwelten.

Menschenrechte

Die Botschaften, die Folon in seinen Arbeiten zur Frage der universellen Menschenrechte vermittelt, sind durch einfache und vereinfachte Symbolik bestimmt: Eine weiße Schemengestalt hinter Stacheldrahtverhau steht für „Ja zum Leben“. Schemenhaft ist auch der chinesische Kuli angelegt, der von einer Rakete in den Rücken getroffen wird: „Nein zur Intoleranz“. Auf einem weiteren Blatt sieht man eine in den Himmel aufsteigende Friedenstaube mit einem Palmenblatt. Doch an Frieden kann man nicht glauben, betrachtet man die vier Galgen, an denen Menschen ihr Leben ließen.

Belgien - Wallonien - La Hulpe - Skulptur
Natur und Kunst vor der Fondation Foolon © fdp

Der Mensch, die Stadt und die Natur

Neben Illustrationen schuf Folon während seiner künstlerischen Karriere Aquarelle und Siebdrucke wie die in Blau und Grün getauchte, skulptierte Landschaft mit einer riesenhaften Sphinx, auf deren Pfoten ein blauer Mann steht und verloren in die Ferne starrt. „Der Fremde“ ist der bezeichnende Titel: Doch wer ist hier fremd? Den urbanen Betondschungel, der unsere Lebenswelt ist, nahm der Künstler immer wieder ins Visier und setzte seine feinsinnige Kritik in eine gekonnte Bildsprache um: Zwischen den emporschießenden Hochhäusern steht ein einsames Männlein mit Würfelkopf und grünem Beinkleid. Die Welt der Zeichen und Wegweiser greift Folon in „Chemin“ (1983) auf. In einer pfeilförmigen Vertiefung sucht ein in Blau gekleideter Mann nach dem Weg. Pfeile, die sich selbstständig gemacht haben, umschlingen auf einem anderen Blatt backsteinerne Hochhäuser, die ins Schwimmen geraten sind. Pfeile schießen einem Zeitungsleser aus dem Schädel, der nicht etwa zuhause die neusten Nachrichten liest, sondern während er unterwegs ist. Inmitten qualmender Schlote und Rohre – aus ihnen entweicht blauer und grüner Qualm – steht ein Mann, aus dessen Kopf ebenfalls Rauch aufsteigt. Beim Anblick von „Erinnerung an Palladio“ denkt kaum ein Betrachter an die klassizistischen Villen Palladios in Venetien. Im Gegenteil: Folon zeigt uns eine surreale Welt: Ochsenaugenfenster wandeln sich zu glasklaren, hellblauen Augen, und eine halb geöffnete Tür ist der Mund der steinernen Person. „Tag für Tag“ betitelte Folon eine Landschaft mit Hügeln, in der eine Stanzmaschine für das Einstanzen von Ösen sorgt. Ist dies Folons Beitrag zur aktuellen Debatte über Mensch und Natur? Man kann es vermuten. Auch der „Tod eines Baumes“ spricht eine klare (Bild)sprache: Nur der Stumpf ist oberirdisch vorhanden, während das unterirdische Wurzelwerk einem Strang von Blutbahnen gleicht, die nun keinen Zweck mehr erfüllen.

Das Thema "Der Mensch und die Natur" wird außerdem in einer Seelandschaft angesprochen, die 1998/99 entstand. Gezeigt wird das bläulich-violette Meer mit weißen Schaumkronen. Am Strand sitzt der Mann mit Hut, den der Besucher in Folons Arbeiten immer wieder entdecken kann.

Belgien - Wallonien - La Hulpe - Skulptur
Jean-Michel Folon: Der Mann mit Hut ©  fdp

Märchenhafte Weltbilder

Einen Mann mit blauem Hut und Stiernacken betrachten wir beim weiteren Rundgang. Auf dem Nacken – nicht zu übersehen – zeichnet sich ein Auge mit einer Pupille ab, die aus orangen, gelben und tiefroten Ringen besteht und somit an einen feurigen Sonnenball denken lässt. Stand hier vielleicht George Orwells „1984“ für Folon Pate, der mit dieser Arbeit die Allgegenwart der Bespitzelung aufs Korn zu nehmen versucht? Physiognomie und Kostümierung des Mannes lassen durchaus an einen Stasi- oder anderen Geheimagenten denken.

Mit einem Riesensprung überwindet der goldene "Hase von Alice" große Entfernungen – und das, obgleich er – ach du schöne surreale Welt – noch acht Aktentaschen mit sich trägt. Schließlich ist das nur möglich, da dem Hasen  acht Arme aus dem Leib wachsen – und diese müssen schließlich beschäftigt werden. Etwas Märchenhaftes hat auch das Glasfenster, das in der Ausstellung zu sehen ist, und wohl den Mann im Mond thematisiert: Aus dem grauen Wolkenhimmel ragt eine Hand heraus, die die Mondsichel am Henkel trägt.

Belgien - Wallonien - La Hulpe - Landschaft
Nicht Fernziel, sondern Nahziel der Brüsseler:
die Domäne Solvay und ihre Teichlandschaft © fdp

Reisen, einsame Schiffe und Fernweh

Das Reisen, das Fernweh und das Überschreiten des Horizonts bündelt sich für Folon in dem immer wiederkehrenden Motiv des einsamen Schiffes auf dem Weltmeer, sei es als Collage und Materialbild oder in Aquarell gemalt. Scheinbar aus dem Nichts taucht bei Folon ein Schiff auf, zumeist mit rotem Rumpf, und setzt seine Reise bei ruhiger See fort.

Gekonnt sind die szenischen Inszenierungen der Ausstellungsräume. Unter anderem betreten die Besucher einen verspiegelten Raum. An den verspiegelten Wänden  laufen Projektionen ab, die zum Beispiel fliegende blaue Männer zeigen, die die Sonne umkreisen. Mit dem Untergehen der Sonne und dem Auftauchen des Nachthimmels verschwinden die Fliegenden.

Sammelleidenschaften für Objektkunst

Ein Hutmodel wandelt sich bei Folon in einen Kopf und eine Holzforke zu einer Person mit Geweihkopf. Und aus weiteren Readymades schuf der Künstler verschiedene teuflische Fratzen. Objekte wie ein mechanisches Boot und ein Flugzeug werden zu Bildvorlagen.

Verlassen die Besucher den ersten Teil der Ausstellung, so durchqueren sie einen kleinen Hof mit einem Brunnen, in dessen Mitte ein Mann mit Hut und Regenschirm steht. Dabei ergießt sich aus dem Regenschirm ein Wasserschwall auf den Mann.

Im zweiten Teil der Ausstellungen sind es vor allem Kleinplastiken und große skulptierte Arbeiten, die Besucher faszinieren. Zudem kann man einen Blick in die Künstlerwerkstatt werfen. Vögel sind Hauptfiguren des plastischen Schaffens. Dazu zählt auch der „Botschafter“ – eine Bronzehand, auf deren Fingerspitzen eine Taube ihre Flügel ausbreitet. Die kauernde Katze mit Trapezkopf, die als Kleinstplastik gezeigt wird, ist noch einmal als überlebensgroßes Werk zu bestaunen. Einige Figuren sind deformiert, tragen einen Bohrer oder einen Propeller statt des Kopfes auf den Schultern. Auch einem Zentaur mit Hut begegnen wir auf der Reise durch die Traumwelten Folons. Der Mann mit Hut bespielt zwei inszenierte Räume am Schluss des  Rundgangs: Einmal sitzt er ein wenig verträumt am steinigen Strand und das andere Mal turnt er akrobatisch unter dem inszenierten Sternenzelt auf einer Himmelsleiter.

Sinnlich ist diese Ausstellung, die den Alltag ausblendet – nicht nur durch die Ausstellungsarchitektur und Dramatik der Präsentation. Störend kann der eine oder andere Besucher die fortgesetzte Musikberieselung empfinden. Gänzlich verzichtet wurde auf Textbausteine zur Kunst Folons und auf Bildinterpretationen. Allerdings kommt der Künstler selbst zu Wort – doch wer kein Französisch beherrscht, ist arm dran.

Weitere Informationen

Solvay Estate La Hulpe
Chaussee de Bruxelles 111
1310 La Hulpe
Tel. 02/653 64 04

Fondation Folon
Ferme du Château de La Hulpe
Drève de la Ramée 6 A
1310 La Hulpe
Tel. 02/6 53 34 56
fondation.folon@skynet.be
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr

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