Reiseführer Nordzypern
Theater
Als seine geborstenen Zuschauerränge 1959 vom Dünensand befreit wurden, bestätigte sich rasch die anfängliche Vermutung der Archäologen, auf eine Anlage gestoßen zu sein, die zu den großen Theatern am östlichen Mittelmeer zählen könnte. In seiner Bauweise den Theatern von Side, Perge, Aspendos in der Zypern gegenüberliegenden antiken Landschaft Pamphylien ähnlich, wies das salaminische Theater in seinem Originalzustand fünfzig terrassenartig ansteigende Sitzreihen auf, die annähernd 15.000 Besuchern Platz boten. Damit entsprach sein Fassungsvermögen in etwa dem der erwähnten kleinasiatischen Theater, die unter dem gleichen römischen Herrscher (Hadrian) im 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden waren oder damals ihre endgültige Gestalt erhielten.
Da sich der Zuschauerraum (lat.: cavea, griech.: theatron, danach das
Wort Theater) in Salamis nicht an einen Hang anlehnen konnte, mussten
seine Ränge aufgemauert werden (ähnlich wie beim Theater im
ägäischen Milet) und der obere Rang sogar von gewaltigen Steinbögen
gestützt werden. Die Zuschauer erreichten die Sitzreihen (eigentlich
Sitzstufen) über acht die Cavea strahlenförmig durchschneidende
Treppen, die den Zuschauerraum in neun keilförmige Blöcke teilten.
Von den ursprünglichen Kalksteinverblendungen der Sitze sind an den
unteren Reihen viele erhalten geblieben.
Auf halber Höhe, wo heute die Sitzreihen enden, gliederte ein „Diazoma“
genannter breiter Umgang die Cavea in einen unteren und einen oberen Rang.
Hier waren früher die Prunksitze wichtiger Persönlichkeiten
der Stadt aufgestellt.
Die Bühne
Aus halber Höhe ließen sich Vorführungen am besten verfolgen, denn nicht in der Orchestra, der halbrunden Fläche am Fuße des Zuschauerraums, fanden sie statt, sondern gegenüber auf einem Bühnenpodest, dem Proscaenium. Das war die auffälligste Besonderheit des römischen Theaters gegenüber den frühen klassischen Theatern Griechenlands. Schon in hellenistischer Zeit hatte sich nach und nach das Spielgeschehen aus dem Rund der Orchestra auf eine Bühne verlagert, deren Rückseite von der „scaenae frons“ genannten Fassade eines hohen, oft mehrstöckigen Bühnenhauses (mit den Schauspielergarderoben und Requisitenkammern) begrenzt wurde. Die Scaenae frons war so etwas wie die Kulisse, ein durch Säulen und Nischen gegliederter, mit Statuen bestellter Blickfang. Sie verschloss das Halbrund der Orchestra und bildete auf diese Weise mit der Cavea einen in sich geschlossenen Baukörper.
Vom 40 m langen Bühnenhaus (lat.: scaena) sind nur noch die Grundmauern
erhalten, von den Marmorsäulen und Inschriftentafeln der Prunkfassade
dagegen wurden viele Stücke wiederentdeckt. Darunter war auch eine
Tafel, die Kaiser Hadrian (reg. 117-138) als Wohltäter preist, der
das Theater in einen Prachtbau umgestalten ließ.
Noch für zwei Jahrhunderte sollte das Theater Besucher in Scharen
anziehen. Dabei war es alles andere als ein Musentempel nach klassischem
griechischen Vorbild, eher eine Vergnügungsstätte so recht nach
römischem Geschmack, wo derbe Possen, pantomimische und ballettähnliche
Vorführungen, auch Singspiele über die Bühne gingen.
Als im Jahre 332 das große Erdbeben Salamis heimsuchte, brachen auch die Stützbögen des Theaters ein und rissen den oberen Rang zwanzig Meter mit sich in die Tiefe. Bühnenhaus, Bühnenpodest und die opulent gestaltete Bühnenrückwand stürzten ein. Ob es nüchterne Abwägungen waren, die gegen einen Wiederaufbau sprachen oder die strengen Dogmen der frühen Christen, sei dahingestellt: jedenfalls blieb das Theater ein Ruinenfeld. Doch seine sauber bearbeiteten Steine und viele Säulen fanden bei der Wiedererrichtung des Thermengymnasiums Verwendung und das „opus sectile“, die farbigen Marmor- und Steinfliesen aus der Orchestra, zierten nun den Boden im Ostportikus der Palästra. 1959 aufgenommene Fotos von der Freilegung der Orchestra zeigen noch die Abdrücke der Steinornamente im Boden, so als seien sie erst gestern entfernt worden.
Suchen bei schwarzaufweiss