Streifzüge durch die südliche Peloponnes

Mistras

Im Viertel der Archonten und Patrizier
Mistras
Mistras` Oberstadt war der bevorzugte Wohnsitz hoher Amtsträger in Verwaltung, Kirche, Militär und anderer Angehöriger der Oberschicht. Als Hauptkirche diente ihnen die Agía Sophía, rund hundert Meter unterhalb der Burg, die nach 1350 der erste Despot Mistrás, Manuel Kantakouzenós, erbauen ließ. Ihren Namen, „Kirche der Heiligen Weisheit“, erhielt sie in Anlehnung an Kaiser Justinians grandiose Hagia Sophia in Konstantinopel, heute als Ayasofya Müzesi eine Istanbuler Hauptattraktion. Mistrás` Agía Sophía war Palastkirche und Katholikon zugleich, d. h. sie wurde auch von den Mönchen des benachbarten Klosters als ihre Hauptkirche genutzt.

Mistras

Ruinen des Refektoriums

Von dem Kloster „Christos Zoodotos“ (Lebensspendender Christus) sind noch die Ruinen des ursprünglich zweistöckigen Refektoriums erhalten. Wie andere Kirchen in Mistrás weist auch die Palastkirche den Grundriss einer dreischiffigen Basilika auf und ein Obergeschoss in Form einer Kreuzkuppelkirche. Der breite und kompakte Kirchenkomplex wird von einem quadratischen Glockenturm und von der Hauptkuppel und der etwas niedrigeren Narthex-Kuppel überragt. Innen zeigt der Bau hingegen schlanke Proportionen wie die Tonnengewölbe und die schmalen Fenster in der Kuppel, was auf westliche Einflüsse hinweist, gleiches gilt auch für den als Campanile konstruierten Glockenturm. Unter der Mittelkuppel hat sich ein Fußbodenschmuck erhalten, ein als „Nabel der Welt“ (Omphalos) beschriebenes polychromes Mosaikwerk und von den wenigen Fresken der Erbauungszeit ist der Christos Pantokrator mit segnender rechter Hand, das Evangelium in der Linken haltend, hervorzuheben.

Mistras

"Nabel der Welt"


Folgt man dem Pfad abwärts, liegen rechter Hand die Ruinen des kleinen Palasts (Palataki). Das einst herrschaftliche Anwesen soll nach einer umstrittenen These der Alterswohnsitz der byzantinischen Kaiserin Helena nach dem Tod ihres Ehemannes Kaiser Manuel II. Palaiologos gewesen sein.

Einige Dutzend Meter weiter erhebt sich die leidlich erhaltene Kirche Agios Nikólaos. Sie ist dem heiligen Nikolaus von Myra (heute: türk. Demre) geweiht, auf den bekanntlich zahlreiche Legenden und Volksbräuche zurückgehen. Entstanden ist sie während der türkischen Zeit in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als einzige nachbyzantinische Kirche Mistrás`. Erhaltene Fresken erzählen die Geschichte des Nikólaos. Sehenswert ist auch die Darstellung des Jüngsten Gerichts an der Südwand der Kirche.

Mistras
Nahebei erstreckt sich die einzige größere, ebene Fläche in der Oberstadt, ein felsiges Plateau, auf dem in byzantinischer Zeit Versammlungen stattfanden und während der türkischen Herrschaft der Basar seinen Standort hatte. Und hier war auch ausreichend Raum für die Errichtung der Despoten-Paläste. In Winkelform nehmen die Residenzen der byzantinischen Statthalter (Despoten) zwei Seiten der Plattform ein. Sie waren damals die größten byzantinischen Repräsentationsbauten außerhalb Konstantinopels. Und sie bezeugen nachdrücklich die Bedeutung der Stadt Mistrás.

Der Begriff „Despot“ ist hier als hochrangiger aristokratischer Titel zu verstehen, der im Byzanz des 12. Jahrhunderts eingeführt wurde. Das Herrschaftsgebiet eines Despoten war das „Despotat“, zum Beispiel das Despotat Morea. In den romanischen Sprachen hatte sich seit dem Mittelalter das Wort „Morea“ (frz. Morée) für die Peloponnes eingebürgert.

Seit Jahren werden die Despoten-Paläste aufwändig restauriert. Sie sind daher meistens für Besucher gesperrt. Das rechte Gebäude („A“) bleibt als Ruine erhalten. Es ist der älteste Teil der Anlage aus der Zeit nach 1250, vermutlich noch von „fränkischer“ Hand errichtet, wie man an den gotisch inspirierten Spitzbogenfenstern zu erkennen meint. Der kleine Bau („B“) links des vierstöckigen, turmartigen Gebäudes („C“) entstand wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie „A“. Hier gab es Wirtschaftsräume wie Küchen, Zisternen, Kamine. „C“ wurde rund hundert Jahre später (nach 1350) gebaut. Die vielen am Hof benötigten Mägde und Diener hatten hier ihre Kammern. Das angrenzende Eckhaus „D“, zweistöckig mit je sechs Zimmern pro Etage, diente dem Despoten und seiner Familie als komfortable Unterkunft. Erbaut wurde es zwischen 1350 und 1400. Der große Prachtbau („E“), der sich anschließt, stammt vermutlich aus der Zeit zwischen 1400 und 1460. Auf ein tief liegendes Erdgeschoss mit Vorratsräumen folgte die erste Etage mit acht Zimmern, die jeweils mit einem Kamin ausgestattet waren. Vor ihren Fenstern verlief eine Arkade, die einen der zweiten Etage vorgelagerten Balkon trug. In diesem zweiten Geschoss gab es nur einen einzigen großen Raum, den Thronsaal mit einer Länge von annähernd 36 Metern und einer Breite von mehr als 10 Metern. Noch gut zu erkennen sind die spätgotischen Spitzbogengiebel über den Fenstern und die Ochsenaugenfenster unter dem Dach.



Mistras

Der auf dem Foto nicht sichtbare, schmalere Anschlussbau („F“) kam später dazu. Er wurde für die Hofdamen der italienischen Frau des Despoten Theodoros II. Palaiologos errichtet. Sie entstammte einer Adelsfamilie in Pesaro und trug den aparten Namen Kleopatra Malatesta. Sie starb, wie berichtet wurde, „unter mysteriösen Umständen“ im April 1433 in Mistrás. Ihre Tochter, Helena Palaiologina, machte von sich Reden, als sie Königin von Zypern wurde und rasend vor Eifersucht der Geliebten ihres königlichen Ehemannes die Nase abschneiden ließ und ihren Schwiegersohn vergiftete, einen portugiesischen Prinzen, der nicht ihren Vorstellungen entsprach.

Rückblick
Nach der oben erwähnten Übernahme Mistrás` durch Byzanz (1262) verlegten die Einwohner Spartas und anderer benachbarter Ortschaften ihre Wohnsitze in den Schutz der befestigten Stadt. Mistrás blühte auf. Besonders unter dem Kaisersohn Manuel Palaiologos Kantakouzenós, der als 22jähriger Despot 1349 das Ruder übernommen hatte, entwickelte sich Mistrás zu einem beachtlichen Wirtschaftsstandort. Auch seine Nachfolger förderten die Wirtschaft und gaben dem intellektuellen und religiösen Leben der Stadt die entscheidenden Impulse, die Mistrás zu einem wichtigen Zentrum des griechisch-byzantinischen Geisteslebens machten, zur bedeutendsten Metropole des Reiches nach Konstantinopel. Der neuplatonische Philosoph und Humanist Geórgios Gemistós Plethon gründete hier eine Akademie zum Studium der antiken Autoren. Er war Teilnehmer des Unionskonzils mit der Römischen Kirche, wo er auf Cosimo de Medici traf und ihn zur Gründung der Platonischen Akademie anregte, die „Florenz zum Mittelpunkt des Humanismus machte“. Die Despoten-Paläste waren 1449 die Bühne eines ganz außergewöhnlichen Festakts. Es war das letzte bedeutende Ereigniss im Despotat: Die Krönung des früheren Despoten der Morea, Konstantinos Dragases Palaiologos, zum byzantinischen Kaiser Konstantinos XI. Palaiologos. Er starb 1453 bei der Verteidigung Konstantinopels, als die Stadt am Bosporus endgültig in die Hände der Türken fiel. Mistrás konnte sich noch einige Jahre halten, musste aber 1460 unter dem Kaiserbruder Dimitrios Palaiologos den Türken übergeben werden.






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