Streifzüge durch die südliche Peloponnes

Androusa und die "Frankokratia"


Androusa

Die Burgruinen am Rande des Dorfes Androusa, rund 20 km nordwestlich von Kalamata, zählen gewiss nicht zu den imposantesten mittelalterlichen Wehrbauten auf der Peloponnes, sind aber ein augenfälliger Beleg für die Vielzahl befestigter Residenzen, die zumeist französische, mehr oder weniger prominente Kreuzrittergeschlechter auf der Insel des Pelops errichteten und damit die „Frankokratia“ etablierten. So nannten die Einheimischen die lange währende fränkische Fremdherrschaft, der fast übergangslos unter der Fahne des Halbmonds die „Turkokratia“ folgte.

Rückblick: Auslöser für ihre Landnahme war der unselige 4. Kreuzzug (1202-1204), der entgegen allen anfänglichen Bekundungen seine ursprüngliche Richtung änderte und das christliche Zara (Zadar an der kroatischen Küste) überfiel, sich dann nach Konstantinopel aufmachte und die Verteidiger der christlichen Stadt überrannte. In den folgenden Tagen „herrschte ein unbeschreibliches Morden und Plündern . . . unersetzliche Kulturwerte ... . gingen . . . zugrunde.“ War es die Verkettung einer Reihe von Zufällen oder ein sorgfältig vorbereiteter Komplott? Über die Richtungsänderung sei „sehr viel Gelehrtentinte verschrieben worden . . . ein im Grunde unfruchtbarer und unlösbarer Streit“, der noch immer weiter blühe, so das Resümee eines der führenden Kreuzzugshistoriker. Die Folgen waren gravierend: Das Byzantinische Reich war (vorerst) zerschlagen, die „Lateiner“, die bei den Orthodoxen verhassten Anhänger der Römischen Kirche, übernahmen die Macht, zerstückelten das Reich und Venedig (allgemein verdächtigt, der Drahtzieher gewesen zu sein) war der große Gewinner, errichtete zahlreiche Stützpunkte an den griechischen Küsten und stärkte so seine Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer – eine Art venezianisches Kolonialreich entstand, das erst durch das militärische Übergewicht der Osmanen im 16. und 17. Jahrhundert zerbrach.

Die Eroberung von Konstantinopel

Palma Le Jeune (1544–1620), Public domain, via Wikimedia Commons



Zurück zur Peloponnes. Die Halbinsel und das griechische Festland nebst Inseln waren bei der Aufteilung der Beute nach dem Fall Konstantinopels den französischen Kreuzrittern zugesprochen worden. Während die meisten dieser neuen Besitzungen nicht lange überlebten, entwickelte sich das peloponnesische Fürstentum Achaia zum unbestrittenen Zentrum des fränkischen Griechenlands, ein wohlorganisiertes Staatswesen, das die Normen des westeuropäischen Feudalsystems übernahm. Es lebte sich wie daheim, der Umgang mit den Griechen war entspannt, es entstand „quasi nova francia“ (gleichsam ein neues Frankreich), wie ein Papst seinerzeit voller Bewunderung feststellte. Zwölf Barone mit ihren Lehnsleuten bildeten die privilegierte Oberschicht des Fürstentums. Sie sicherten ihre Besitztümer durch Burgen oder feste Türme in großer Zahl. In der Chronik von Morea, einem anonymen Werk des 14. Jahrhunderts, und bedeutendste Quelle für die Epoche der „Frankokratia“ auf der Peloponnes, heißt es:

Und in den festen Burgen nun, die jeder sich erbaute,
da legten sie die Namen ab, die sie in Frankreich trugen,
und nannten nach den Plätzen sich, die jetzt ihr eigen waren...

Nehmen wir den aus der Champagne stammenden Jean de Nully, der sich nun Herrscher von Passava nannte, einer Burg in Lakonien oder Othon de Durnay, auch er kam aus der Champagne und stieg zum Baron von Kalavrita in der nördlichen Peloponnes auf. Oder denken wir an Gauthier de Rosières aus dem Burgund, der die Baronnie d`Akova in Arkadien besaß und Robert de Dramelay, ursprünglich beheimatet im französischen Jura. Er nannte sich nun Baron von Chalandritsa und residierte südlich von Patras.

Über die Burg von Androusa, die einst den Oberlauf des Pámisos-Flusses und große Teile der messenischen Ebene (heute Griechenlands größtes Olivenanbaugebiet) kontrollierte, wissen wir, dass sie um 1250 auf Initiative des damaligen Fürsten von Achaia, Guillaume II. de Villehardouin, errichtet wurde, vermutlich zum Schutz der Hafenstadt Kalamata. Später geriet sie in die endlosen politischen Machtkämpfe, die das Geschehen auf der Peloponnes bestimmten. So übermannte 1381 die gefürchtete Compañia Navarra, die Navarresische Kompanie, eine Truppe von Söldnern aus der spanisch-baskischen Provinz Navarra und der südwestfranzösischen Provinz Gascogne die Burgbesatzung. Die Söldner standen in Diensten eines gewissen Jacques des Baux, der mit ihrer Hilfe seine Ansprüche auf das Fürstentum Achaia durchsetzen wollte. Androusa wurde Hauptsitz der Söldner. Gegen 1417 fielen Burg und Umland in die Hände der wieder erstarkten byzantinischen Kräfte – aber nur für wenige Jahrzehnte, dann übernahmen die Osmanen nach 1460 die Peloponnes, wurden aber 1685 von den Venezianern verdrängt, die sich gerade dreißig Jahre halten konnten, um 1715 vor der osmanischen Übermacht die Flucht zu ergreifen. Die Burg verlor zunehmend ihre strategische Bedeutung und verfiel im Laufe der Zeit.

Androusa ist ein typisches messenisches Dorf mit einer Einwohnerschaft von 600 – 700 Seelen. Es besitzt weitläufige landwirtschaftliche Nutzflächen, auf denen die berühmten Kalamata-Oliven gedeihen. Oliven-Öl, Feigen und Rosinen, Weintrauben und Wein sind wichtige Produkte dieser fruchtbaren Landschaft.

Androusa

Einige Außenmauern sowie runde und eckige Türme der Burg am Rande des Dorfes blieben erhalten. Ihre östlichen und nördlichen Abschnitte weisen spitzbogige Blendarkaden auf, also verzierende Andeutungen einer Arkade. Auf ihnen verlief der Mauergang der Wachmannschaften. In regelmäßigen Abständen verstärken Türme unterschiedlicher Formen das Mauerwerk, Der größte von ihnen – er wird durch ein Kunststoffdach geschützt – diente vermutlich einst als sog. Bergfried, als wehrhafter Wohnturm. Im Nordostturm wie auch im Nord- und Südwestturm deuten Schießscharten darauf hin, dass man im 15. Jahrhundert mit einer neuen Waffe, den Pulvergeschützen, die Burg verstärkte.

In den Jahren 2012 – 2015 arbeitete die messenische Präfektur für Altertümer an der Stabilisierung des östlichen Mauerabschnitts. Es wurde verfugt, Mörtel injeziert, der Regenschutz verbessert.

Androusa





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