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Reiseführer Nordzypern

Handwerk hatte goldenen Boden

In früheren Zeiten war das Großdorf am Nordhang des Pentadaktylos, wie die Zyperngriechen das Beşparmak-Gebirge nennen, inselweit bekannt für seine hochspezialisierten Handwerker. Zu ihnen zählte die traditionsreiche Gilde der Töpfer, deren Produkte selbst außerhalb Zyperns begehrt waren.

Ihren Rohstoff, einen dichten, feinkörnigen Ton von gelbbrauner bis rötlicher Farbe lieferten die Hügel der Umgebung, Wasser gab es im Überfluß und die Freude der Töpfer an Farben, Formen und Dekor schien grenzenlos. An eine uralte Tradition anknüpfende glasierte Gefäße waren eine Spezialität aus Lapithos. Sie dienten der Aufbewahrung von Olivenöl und Hellim-Käse. Die Glasur war eine Mischung aus erhitztem und pulverisiertem Graphit und ebenso bearbeitetem Feuerstein. Mit leichter Hand wurden die Kannen, Vasen und Schüsseln bemalt, menschliche Figuren darstellend oder Vogel- und Pflanzenmotive und phantasievolle geometrische Muster. Vorherrschende Formen waren das kelchähnliche Gefäß und die halbkugelförmige Schüssel.

Kaum weniger bekannt waren die Künste der Holzschnitzer, die aus Pinien- und Sykomorenholz, aus Zypressen- und Walnußstämmen ganze Inneneinrichtungen – von Türen, Treppen und Tischen bis zu Stühlen, Regalen, Spiegelrahmen und Balkongittern – mit dekorativen Elementen versahen. Bei der Ausschmückung der Kirchen, wie etwa der Gestaltung der Ikonostasen, der Kanzeln, Bischofsthrone und Altäre, war ihr Können besonders gefragt. Unübertroffen: ihre phantasievoll bearbeiteten Truhen für die Aussteuer der jungen Bräute. Vögel, Früchte, Blumen, Engel, Zypressen und andere Gewächse, dazu Phantasiegebäude und Phantasiegetier belebten in symmetrischer Manier die Flächen der Truhen.

Holzhandwerker, Nordzypern

Holzhandwerker heute

Diese schweren hölzernen Meisterwerke im Format 190 X 50 X 50 cm bargen ihrerseits großartige textile Handwerkskunst aus Lapithos: handgewebte Stoffe aus Leinen und Seide, die an Webstühlen mit vier Pedalen entstanden, Stickereien, Spitzenborte, gehäkelte Leinenvorhänge, zarte Teppiche aus Ziegenhaar und viele andere Kostbarkeiten – alles selbst gefertigt, oft schon in ganz jungen Jahren.

Die Herstellung von Seide war noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als auch die anderen Gewerbe ihre große Zeit hatten, in Lapithos weit verbreitet. Unser Kapitel „Seide für Aphrodite“ beleuchtet ausführlich den Weg der zyprischen Seidenindustrie durch die Jahrhunderte. Lawrence Durrell erzählt in „Bittere Limonen“ von der Heimarbeit der Seidenraupenzüchter in den fünfziger Jahren, doch schon 1970, schreibt Chris Connell, war es vorbei mit der Seidenherstellung. Er begegnete damals dem alten Sotiris Hadjitofi, dem letzten seines Berufsstandes. Für die rund 16.000 Maulbeerbäume, die eifrige englische Beamte 1946 in und um Lapithos zählten, gab es nach der Aufgabe der Seidenraupenzucht keine Verwendung mehr. Viele mußten profitablen Fruchtbäumen weichen.

Und noch ein weiteres Handwerk, das der Messerschmiede, genoß weit über die Grenzen von Lapithos hinaus hohes Ansehen. Man sprach gar von Lapithos als dem „Sheffield Zyperns“, wurden doch hier fest stehende Messer und die begehrten Klappmesser mit Holz- oder Horngriffen gefertigt. Wie es heißt, wurde ein besonders martialischer Messertyp „während der Zeit der Türkenherrschaft am Gürtel getragen“. Zu den Messern gesellte sich noch ein unüberschaubares Sortiment stählerner Werkzeuge und Ausrüstungsgegenstände, die in den kleinen Dorfschmieden entstanden (während der Blütezeit des Gewerbes wurden an die vierzig Werkstätten gezählt!). Ihre begehrten Produkte fanden in Küche und Haushalt, in der Landwirtschaft, auf dem Bau, beim Friseur Dreschschlitten, Nordzypernoder Zimmermann Verwendung, die Scheren, Sensen und Sicheln, Pflüge und Waagen, Maurerkellen und selbst Gewehre, Karabiner und Pistolen.

Von Ort zu Ort durch die Getreideanbaugebiete ganz Zyperns zogen die Schöpfer jener urtümlichen Dreschschlitten, die man jetzt mancherorts als authentische Dekoration benutzt. Die Experten aus Lapithos wußten, wo die besonderen Steine, Flintsteine mußten es sein, zu finden waren und sie beherrschten die Technik, diese scharfkantigen Steine an der Unterseite der Dreschschlitten anzubringen, die dann auf der Tenne, gezogen von einem Ochsen und gelenkt von einem Kind oder der Oma, gemächlich ihre Runden drehten.

. . . und nirgendwo gediehen die Zitronen besser

Und das hatte seinen Grund: der Boden ist nicht nur nährstoffreich, er hat auch die richtige Mischung aus groben und feinen Anteilen, die für eine ausgewogene Drainage und Wasserspeicherung zugleich sorgen. Und an Wasser war kein Mangel. Die große Quelle am oberen Ortsrand und die vielen Brunnen versiegten nie. Doch Wasser und Boden allein hätten nicht ausgereicht, um die Qualitäten hervorzubringen, für die Lapithos berühmt war. Als drittes Element kam der Einfluß des Meeres hinzu. Die Seeluft sorgt in der Küstenebene und am Nordhang des Gebirges für milde Winter und moderate Temperaturen im Sommer sowie eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit, die den Früchten eine weiche, dünne Schale und viel Saft beschert.

Zwei Drittel aller Fruchtbäume der Gemarkung (das mögen etwa 45.000 gewesen sein) waren Zitrusgewächse, Orangen, Mandarinen, Tangerinen, Grapefruits, vor allem aber Zitronen. Von letzteren wurden in den Jahren vor 1974 zwischen 30 und 40 Millionen Stück jährlich gepflückt und das entsprach etwa einem Viertel bis einem Drittel der Gesamternte Zyperns. Bis zu 90 % der Zitronen gingen in den Export, namentlich nach England, in geringeren Mengen nach Dänemark, Schweden, Frankreich, Polen.

Die tiefgrünen Kronen der Zitronenbäume verschwinden mehr und mehr aus dem Ortsbild und von den Hängen, die sanft zur Küste hin abfallen. Und der Duft der Zitronenblüten, der in den Wintermonaten jeden Winkel des Großdorfes durchwehte, ist nur noch eine melancholische Erinnerung. Die letzten erhaltenen Zitronenhaine wirken vernachlässigt und irgendwie lebensmüde als warteten sie schon ergeben darauf, für eine neue Siedlung mit „luxury villas“ in Kürze das Feld zu räumen.

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