Königsgräber

Salamis

Funde des kleinen Museums bei den Königsgräbern: Rekonstruktion eines Pferdewagens aus Grab 79


Zwischen dem Ausgrabungsgelände der antiken Stadt Salamis und dem zwei Kilometer entfernten St. Barnabas-Kloster zieht sich die salaminische Nekropole hin, eine wahrhaft „königliche“ Gräberstadt. Monumentale Steinkammergräber mit kostbaren Inventaren konnten hier freigelegt werden. Sie bieten faszinierende Einblicke in Grabarchitektur, Totenkult und Repräsentationsformen der Oberschicht von Salamis im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr.

Von Salamis kommend, biegt man nach wenigen hundert Metern nach links in einen Feldweg ein, der auf das Friedhofsterrain führt. Dem Wärterhaus angeschlossen ist ein kleines Museum. Es dokumentiert mit zahlreichen Fotos, Zeichnungen und Plänen die spannende Geschichte der Ausgrabungen, die von den Archäologen Dikaios und Karageorghis in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts vorgenommen wurden. Auch einige Nachbildungen von Funden (z.B. ein Streitwagen) sind hier zu sehen. Zur Enttäuschung vieler Besucher können die hochinteressanten Grabbeigaben nicht vor Ort besichtigt werden. Sie sind im Museum von Nicosia ausgestellt. Allein die Skelette der geopferten Pferde verblieben fachgerecht konserviert und durch Glasdächer leidlich geschützt an Ort und Stelle.

Salamis

Grab Nr. 1

Schon früh war die Nekropole zu einem Eldorado für Plünderer und Grabräuber geworden. Es wurde ihnen auch leicht gemacht, waren doch alle Kammergräber durch einen Erdhügel gekennzeichnet. Glücklicherweise „arbeiteten“ die Schatzsucher nicht gerade zielstrebig und auch die ihnen folgenden ersten Archäologen zählten nicht unbedingt zu den besten ihres Faches. Vieles von dem, was heute zu den Kostbarkeiten des Zypern-Museums in Süd-Nicosia gehört, wurde schlicht übersehen oder für wertlos gehalten.

Prunksucht oder Machtdemonstration?

Die Grabanlagen und die daraus zutage geförderten sensationellen Funde waren nach gängiger Auffassung ein Beleg dafür, dass salaminische Kleinkönige sich hier in prahlerischer Zurschaustellung ihr eigenes Monumentaldenkmal gesetzt haben. Überlegungen aus neuerer Zeit richten ihr Augenmerk verstärkt auf die politischen, sozialen und kulturellen Wandlungen während ihrer Entstehungszeit, die von Archäologen und Althistorikern in eine „kypro-geometrische Epoche III“ und daran anschließend in die „kypro-archaische Epoche I und II“ unterteilt wird. Besonders betont wird nunmehr der lange nachwirkende Einfluss von nahöstlichen Mächten wie Assyrien, Ägypten, Phönizien, die zeitweise die Kontrolle über Zypern ausübten. Auch manche Errungenschaften der aufstrebenden anatolischen Landmacht Lydien scheinen in Salamis Nachahmer gefunden zu haben. Von einer kulturellen Angleichung ist die Rede, erkennbar z. B. an einer kriegerischen Komponente der Grabbeigaben (Streitwagen, Lanzen, Schilde) entsprechend dem assyrischen Ideal des „kriegerischen Königs“, an den „ägyptisierenden“ Malereien in Grab 80, wo Rosenornamente, Papyrusblüten und Lotusknospen Decke und Wände zieren oder auch an dem riesigen Tumulus (Grabhügel) über Grab 3, dessen Vorbild in Lydien zu finden ist.

Neben einer Neubewertung der kulturellen Verflechtungen der salaminischen Elite gibt es auch neue Erkenntnisse über die Absicht, die der erstaunlichen Prachtentfaltung beim Bau der „Königsgräber“ möglicherweise zugrunde lag. Man sieht darin eine bewusste Machtdemonstration der Herrscher von Salamis gegenüber den konkurrierenden Königen der in sieben bis zehn Machtbereiche zerstückelten Insel. Das würde Sinn machen, wenn man die Existenz eines seit der ausgehenden Bronzezeit fest verankerten salaminischen Stadtkönigtums verwerfen würde, Salamis nicht, wie bisher angenommen, „Primus inter pares“ war, der gesellschaftliche Status der Verstorbenen nicht von vornherein als gesichert angesehen werden konnte. Die kostenintensive Statusrepräsentation, wie sie sich in der Nekropole zur Schau stellt, scheint demnach der Versuch gewesen zu sein, die angestrebte Vormachtstellung von Salamis deutlich zu machen, die denn auch nach einer langen Konsolidierungsphase von annähernd 200 Jahren Mitte des 6. Jahrhunderts während der Regierungszeit des Königs Euelthon Wirklichkeit wurde.

Grabarchitektur

Bei den hier interessierenden Steinkammergräbern handelt es sich um die monumentalsten Grablegen auf Zypern. Neun von ihnen bilden den Kern des „königlichen“ Friedhofs. Ihnen gemeinsam ist die tief in den Boden eingeschnittene Grabkammer, ein rechteckiger, vergleichsweise kleiner Raum mit steinernen Wänden und einem Flach- oder Giebeldach aus Steinplatten. Die Fassade der Grabkammern wurde zumeist aufwendig gestaltet. Man verwendete dazu Quadersteine, hier und da auch Wandpfeiler oder Konsolen. Der Vorhof vor der „Schaufassade“, Propylaion genannt, lag ein bis vier Stufen über dem Niveau des Dromos, des eigentlichen Zugangs, der mit leichtem Gefälle und sich ein wenig verengend zur Grabkammer hinabführt. Von oben betrachtet, zeigt er die Form eines Trapezes. Seine erstaunlichen Ausmaße machen den Dromos zum markantesten Teil der salaminischen Grabanlagen. Fast 28 m Länge erreicht er am Grab 50 und über 13 m Breite an Grab 47. Und noch eine Zahl: Grab 47 (es liegt gleich neben dem Museum) hat eine nur 9 m² große Kammer, aber einen Dromos von etwa 245 m² Grundfläche.
Der Dromos war Schauplatz des Bestattungsrituals. Darüber im Anschluss.
Erwähnenswert ist auch die Mehrfachnutzung der Gräber. 16 Belegungen sind für die neun großen Steinkammergräber nachweisbar.

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Grab Nr. 50 ("Gefängnis der hl. Katharina")

Grab 50a ist die älteste Grablege im Gelände. Sie wurde um 800 v. Chr. errichtet, chronologisch gefolgt von den Gräbern 1, 31, 50, 47, 19, 79, 2 und dem die Monumentalphase abschließenden und zugleich krönenden Grab 3, das um 600 v. Chr. entstand und mit seinem gigantischen Tumulus eine Ausnahmeerscheinung bildet. Über die anderen Gräber wölbte sich vermutlich nur ein flacher Erdhügel.

Einzelne Gräber

Wenden wir uns zunächst Grab 3 zu. Das ist der monumentale Grabhügel schräg gegenüber dem Wärterhaus. Zum Zeitpunkt seiner Freilegung (1964) hatte er einen Durchmesser von 50 m und eine rekonstruierte Höhe von 15 m (heute: 10 m). Wie man bei einem Blick in seine aufgeschnittene Flanke gut erkennen kann, nahm eine bienenkorbähnliche Lehmziegelkonstruktion, gestützt von massivem Mauerwerk, das enorme Gewicht der Erdmassen über der eigentlichen Grabkammer auf. Diese ist, wie auch bei den anderen Gräbern, erstaunlich klein geraten (2,95 m lang, 2,40 m breit, 2,80 m hoch bei einer Mauerdicke von 75 – 90 cm). Vor der Grabkammer endete der ca. 25 m lange, nach Osten ansteigende Dromos, in dem die Ausgräber ein reiches Sortiment kostbarer Grabbeigaben entdeckten: die Überreste eines Streitwagens, Pferdeskelette, Waffen, Amphoren, Überbleibsel von Holzmöbeln, Stoff und Leder.

An Grab 47 aus der Zeit um 740/710 v. Chr. (auf der Rückseite des Wärterhauses gelegen), lässt sich am besten das Schema der salaminischen Grabanlagen ablesen: die Totenkammer aus Steinplatten, davor das Propylaion, von dem vier Stufen zum abschüssig verlaufenden Dromos hinabführen. Auch hier wurden die Skelette von Pferden entdeckt, zunächst zwei und in einer oberen Schicht noch einmal sechs – sicheres Indiz für eine zweite Grabbelegung ca. 50 Jahre später.

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Grab Nr. 79

Grab 79 (in der Verlängerung von Grab 47) wurde 1966 ausgegraben und überraschte mit ungewöhnlichen Funden. Auch hier gab es zwei Bestattungen. Die erste um 760/740, die zweite etwa 690/660. Allein vier reich verzierte Leichenwagen/Streitwagen mit den dazugehörigen Pferdeskeletten konnten freigelegt werden. Von dem bronzenen Pferdegeschirr und der Wagenausstattung blieb das meiste erhalten. Besonders auffallend: die prächtigen Brustschilde, die assyrische Einflüsse zeigen und die einzigartigen, mit Elfenbein verzierten Throne, wahrscheinlich Importe von der gegenüber liegenden phönikischen Küste.

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Funde des kleinen Museums bei den Königsgräbern:
Teil des Pferdeschmuckes

Nahe der Straße erhebt sich Grab 50, das in die Zeit um 750/700 datiert wird. Eine zweite Grabbelegung erfolgte gegen 600. Die halb unterirdische Grabkammer (ca. 9 qm) aus großen Steinplatten und der 28 m lange und 13 m breite Dromos entsprechen genau der Anlage von Grab 47. Doch Grab 50 fällt wegen einer Besonderheit aus der Reihe der übrigen salaminischen Gräber heraus: Im 4. Jahrhundert n. Chr. wurde das Propylaion aus unbekannten Gründen mit Seitenwänden und einem Tonnengewölbe aus mächtigen Monolithen überbaut. In Berichten von Reisenden des Mittelalters erscheint das Bauwerk als „Gefängnis der heiligen Katharina“, die nach einer in vielen Versionen kursierenden Legende die Tochter eines salaminischen Königs gewesen sei und als heimliche Christin ein Opfer der diokletianischen Verfolgungen wurde. Nach der Einkerkerung habe sie den Märtyrertod erlitten. Bis 1950 diente der düstere Bau als griechisch-orthodoxe Kapelle.

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Grab Nr. 50 ("Gefängnis der hl. Katharina")

Grab 77, besser bekannt als Scheingrab des Nikokreon, liegt weitab des zentralen Gräberfelds am Ortsrand von Tuzla. Ähnlich wie Grab 3 wird auch dieses Grab durch einen gewaltigen Tumulus markiert, der trotz intensiver landwirtschaftlicher Nutzung des Geländes erhalten blieb.

Nordzypern - Königsgräber
Scheingrab des Nikokreon

Selbst die sonst so findigen Grabräuber des 19. Jahrhunderts konnten ihm sein Geheimnis nicht entreißen. Das gelang erst während der systematischen Grabungsarbeiten 1965/66. Eine Grabkammer wurde nicht entdeckt, dafür kamen - seitlich versetzt - Stufen zutage, die zu einem Podest aus Lehmziegeln mit den Resten eines Scheiterhaufens hinaufführten. Die Brandstelle war von einem pyramidenförmigen Steinhaufen überdeckt, unter dem kostbare Opfergaben lagen. Auch fanden die Ausgräber Bruchstücke von lebensgroßen Tonfiguren, vor allem Fragmente farbig bemalter Gesichter, die sich zu den Köpfen von vier Männern und einer Frau zusammensetzen ließen. Ursprünglich hatte man die an Holzpfählen befestigten Lehmfiguren um den Scheiterhaufen gruppiert – aber was bedeutete nun das Szenario? Ein Kenotaph, ein Leergrab sei hier freigelegt worden. Darüber herrschte rasch Einigkeit. Aber wer wurde hier symbolisch gefeiert? Eine umstrittene These nennt den letzten König von Salamis, Nikokreon, von dem es heißt, er habe sich im Jahre 311 v. Chr. gemeinsam mit seiner Familie in die Flammen seines Palastes gestürzt, nachdem ihn Ptolemaios I. der Abtrünnigkeit bezichtigt hatte. Die Bewohner von Salamis errichteten der Königsfamilie das Scheingrab oder es war Ptolemaios I. selbst, der die Salaminer auf diese Weise zu besänftigen suchte.
Der Tod des Nikokreon von Salamis könne nicht identisch sein mit dem bei Diodor und Polyaen erwähnten Selbstmord eines zyprischen Stadtkönigs und dessen Familie, lautet eine andere These. Das tragische Ereignis beziehe sich vielmehr auf Nikokles von Paphos, der tatsächlich hochverräterische Kontakte zu Antigonos unterhielt. Diese Version ließe allerdings die Frage offen, wem das monumentale Leergrab gewidmet war.

Die Beisetzung

Es gibt sichere Anhaltspunkte für Körperbestattungen wie auch für Brandbestattungen, wobei letztere vermutlich die herausragende Stellung der Verstorbenen unterstreichen sollten. Der Körper wurde auf einem Leichenwagen, gezogen von reich geschmückten Pferden, den Dromos hinuntergefahren bis unmittelbar vor das Propylaion. Bei Brandbestattungen wurde im unteren Teil des Dromos ein Scheiterhaufen errichtet. Asche und Knochenreste des Toten hüllte man in ein Stück Stoff und versenkte sie in ein Keramik- oder Bronzegefäß, welches dann in feierlicher Zeremonie in die Grabkammer verbracht wurde.
Bei Körperbestattungen legte man den Leichnam in der Grabkammer auf ein nach orientalischen Vorbildern mit kostbaren Elfenbeineinlagen oder –schnitzereien verziertes Bett.

Vor der Auffüllung des Dromos wurden die angeschirrten Zugtiere samt Leichenwagen auf brutale Weise geopfert, die Grabkammer mit Steinplatten verschlossen und mit Gips abgedichtet, dann die Grabbeigaben im Propylaion und im Dromos ausgebreitet. Es waren durchweg atemberaubende Prestigegüter, die den Toten mit auf den Weg gegeben wurden: Throne, Betten, Stühle, z.T. mit Silber-, Elfenbein- und Emaileinlagen versehen, große Keramik- und Bronzegefäße (manche mit Olivenöl gefüllt), importierte Töpferwaren, Utensilien aus Alabaster, Elfenbein, Bronze, Silber, Blei. Auch Goldschmuck, Glasskarabäen, Fayence-Perlen und Kleidungsstücke, die wie so viele andere Fundstücke den Einfluss assyrischer und phönizischer „Designer“ und Handwerker widerspiegeln.

. . . und noch ein Gräberfeld

Vom Wärterhaus führt ein unbefestigter Weg zunächst in südöstlicher Richtung, dann nach Osten in gut zehn Minuten zur so genannten Cellarka. Die abgesonderte Nekropole wurde vom 7. bis zum späten 5. Jahrhundert v. Chr. genutzt. Sie weist an die hundert Felskammergräber auf, die nicht mit den „königlichen“ Gräbern zu vergleichen sind. Es war der Friedhof der weniger gut betuchten salaminischen Familien, die hier ihre Toten in dicht an dicht gesetzten, in den Fels gehauenen Kammern beisetzten. Kurze getreppte Dromoi, auf denen die Grabbeigaben niedergelegt wurden, führten hinunter zu den Gräbern. Später, als der Raum immer knapper wurde, mussten die Dromoi verkürzt und schließlich ganz weggelassen werden. An der Erdoberfläche wurde die Lage der Gräber durch Steinmauern kenntlich gemacht.

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Königsgräber: Cellarka Gräberfeld


Da auch hier Plünderer aktiv waren, sind nur wenige Grabbeigaben gefunden worden. Man entdeckte einige Tongefäße, kleine Terrakotta-Figuren, etwas Schmuck. Verkohlte Reste von Getreidekörnern, Trauben, Feigen und Mandeln deuten auf Brandopfer für die Toten hin.





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