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Reiseführer Nordzypern

Der Johannisbrotbaum

Der Karubenbaum

"Niemand, der sich je an ihrem Duft aus nächster Nähe ergötzte, wird das Aroma der sonderbaren Früchte des Johannisbrotbaumes vergessen. An immergrünen Bäumen wachsend, könnte man sie für Feuerbohnen halten, wenn sie noch jung und grün im frühen Sommer wie aufgereiht von den Ästen herabhängen. Später dann werden sie hart und schwarz, etwas wie Honig tropft heraus und ihr unvergleichliches Aroma erfüllt die Häfen am Mittelmeer... Kaum zu glauben, wie vielseitig sie zu verwenden sind! Einmal bearbeitet, können die Früchte zu allem werden - vom Nahrungsmittel bis zum Gesichtspuder."

Als er vor vielen Jahrzehnten diese Eindrücke festhielt, hätte der unbekannte Reisende kaum treffender Zauber und Inspiration nachzeichnen können, die der eigenartige Fruchtbaum seit Menschengedenken ausstrahlt. Wie der legendäre Ölbaum, mit dem ihn übrigens viele Gemeinsamkeiten verbinden, zählt der Johnnisbrotbaum zu den bedeutenden Kulturpflanzen, die sich aus dem levantinischen Raum in alle mediterranen Zonen ausbreitete.

Johannisbrot

Botaniker ordnen den immergrünen Schotenträger der großen Familie der Leguminosen (Hülsenfrüchtler) , Unterfamilie Caesalpinioideae, zu. In der Nomenklatur der FLORA EUROPAEA erhielt er nach seiner wie ein Ziegenhorn gebogenen Frucht den sinnfälligen wissenschaftlichen Namen Ceratonia siliqua, was schlicht "Hornschote" heißt. Seine umgangssprachliche Bezeichnung leitet sich dagegen von dem hebräischen karuv ab. Die Araber machten daraus karub, die Italiener carrubbio. Caroubier heißt er im Französischen, bei den Spaniern algarrobo und carob bei den Engländern. Auch im Deutschen sprach man früher vom Karubenbaum, ehe sich der sonderbare Begriff Johannisbrotbaum durchsetzte, der auch gelegentlich unter Engländern als St. John`s Bread kursiert. "Unsere Bezeichnung Johannisbrot", war sich der Geograph Oberhummer einst sicher, "dürfte auf den Johanniterorden zurückzuführen sein", denn dieser habe erstmals einen planmäßigen Anbau des Baumes betrieben... Eine andere Erklärung orientiert sich an der christlichen Überlieferung, nach der Johannes der Täufer in der Wüste von wildem Honig und locustae lebte, welche man als die süßen Früchte des Karubenbaumes deutete und nicht als das vermutlich gemeinte Insekt locusta, die Heuschrecke...

Verbreitungsgeschichte

Ursprung und Verbreitungsgeschichte des Johannisbrotbaumes sind noch weitgehend ungeklärt. Möglicherweise stammt die Wildform der Gattung Ceratonia von der Arabischen Halbinsel. Die Ausbreitung in den östlichen Mittelmeerraum machte nach Aussagen neuerer Forschungen ihre Domestizierung erst möglich. Das könnte sich im 2. Jahrtausend v. Chr. abgespielt haben, als eine Anzahl neuer Fruchtpflanzen in Kultur genommen wurde. (Eine frühere Phase der Kulturpflanzenentwicklung -dazu zählten Ölbaum, Feige, Weintraube, Dattelpalme- hatte im 4. und 3. Jahrtausend das von der Getreidekultur bestimmte Nahrungsangebot der Alten Welt beträchtlich erweitert.) In Ägypten, in Gräbern der 12. Dynastie des zweiten Jahrtausends, fand man Reste von Johannisbrotschoten und -kerne. Über ihre nahrungsökonomische oder andere Nutzung gibt es nur Spekulationen. Wir erfahren von Thutmosis III. und Ramses III., dass sie das Holz des Baumes als Baumaterial zu schätzen wußten. Auch heißt es, die pharaonischen Mumien seien in Textilstreifen gehüllt worden, die mit einem Extrakt aus der Johannisbrotschote präpariert waren. Ob schon die "alten Griechen" die Kultur des Karubenbaumes übernahmen, ist strittig. Manches spricht dafür, dass erst die Römer den Fruchtbaum in Griechenland und Italien heimisch machten. Jedenfalls hat der Römer Columella (42 v. Chr.) als erster in seinem Werk Tractatus de Arboribus über den Anbau der Karube berichtet. Später verbreiteten die Araber die "Hornschote" entlang der nordafrikanischen Küste bis hinein in den Süden und Osten Spaniens. Von hier fand sie den Weg in die portugiesische Algarve und in das südöstliche Frankreich. Im 19. Jahrhundert führten Emigranten den Johannisbrotbaum nach Australien (1850) und in die südlichen USA (1854) ein. Auch nach Mexiko, Chile und Argentinien nahmen spanische Auswanderer Setzlinge mit; selbst in Südafrika und einigen Regionen des indischen Subkontinents versuchten englische Pflanzer mit dem Karubenbaum ihr Glück. Freilich konnten die "exotischen" Anbaugebiete mit den traditionellen Standorten des Johannisbrotbaums rund um das Mittelmeer auf Dauer nicht Schritt halten. Gewiß hat auch die tiefe Verwurzelung der Johannisbrotkultur im Leben der mediterranen Völker einen erklecklichen Anteil an dieser starken Position. So liegen heute wie schon vor Jahrhunderten die Hauptanbaugebiete im Mittelmeerraum, in einer subtropischen Klimazone zwischen dem 30. und 45. Grad nördlicher Breite und entsprechend auf der Südhalbkugel (Chile, Argentinien, Südafrika, Australien), einem Verbreitungsgebiet also, in dem auch der Ölbaum am besten gedeiht.

Anbau und Ernte

Der Karubenbaum liebt den Blick auf das Meer. Daher schätzt er die Nähe der Küste. Weiter landeinwärts findet man ihn auf seeseitigen Hängen, doch außerhalb eines etwa 25 km tiefen Küstenstreifens macht er sich rar. Der außergewöhnlich widerstandsfähige Baum bevorzugt als Standort kalkhaltige Böden (auch sandigen, wasserdurchlässigen Lehm) und toleriert sogar einen Salzgehalt im Boden bis zu 3 %. Ungern übersteigt er Höhen über 500 m, da er auf Frost empfindlich reagiert. Dagegen machen ihm sehr hohe Temperaturen wenig zu schaffen. Er übersteht Trockenzeiten ohne Bewässerung und begnügt sich mit 350 - 550 mm Niederschlag im Jahr. Eine listige Methode zur Regulierung des Wasserhaushalts hilft dem Baum über die sommerliche Dürreperiode: er reduziert seine Verdunstungsoberfläche, indem er viele der älteren Blätter abwirft. Sein Laub ist -wie es in der Fachsprache heißt- paarig gefiedert mit je 6-10 kurz gestielten, runden oder ovalen, ledrigen und auf der Oberseite dunkelgrün glänzenden, an der Spitze leicht gefalzten Teilblättchen. Der Baum mit seiner rauhen, stark gefurchten Rinde und langen, dicken Ästen erreicht je nach Standortbedingungen Höhen bis zu etwa 12 m. Sein hartes und dichtes Holz wird traditionell zur Herstellung langsam brennender Holzkohle genutzt. Die ausladende Krone kann einen Umkreis von 12 - 15 m Durchmesser beschatten. Bei der für ihn charakteristischen langsamen Entwicklung, wächst der Johannisbrotbaum zu einem kräftigen, langlebigen Fruchtbaum heran, der 80 - 100 Jahre Schoten produzieren wird, erstmals im siebenten oder achten Jahr nach seiner Anpflanzung. Anfänglich liegen die Erträge nur bei wenigen Pfund pro Baum. Sie steigern sich auf rund 75 kg im jahrzehntelangen Mittel, doch sind Ernten von 100 bis 200 oder gar 250 kg bei besonders kräftig und isoliert herangewachsenen Bäumen keine Seltenheit. Die Blühperiode des Karubenbaums ist lang. Sie beginnt im Juli/August und endet im November/Dezember. In diese Zeit fällt auch die Ernte (im Mittelmeerraum im August/September), die mit größter Umsicht vonstatten gehen muß, um nicht die neuen Blütenansätze zu zerstören. Die Früchte, die braunschwarzen 10 - 20 cm langen Schoten, sind jetzt vollreif und harren mit gemischten Gefühlen der bevorstehenden Ernteprozedur. 

Baummischbestand aus Oliven-und Johannisbrotbäumen
Baummischbestand aus Oliven- und Johannisbrotbäumen

Es sind aber nicht allein die zuckerreichen Schoten und ihre vielseitig verwendbaren Kerne, die den Johannisbrotbaum zu einem Charakterbaum auf den Kulturflächen am Mittelmeer machen. Mit seiner ausladenden Laubkrone verleiht er den meeresnahen Hängen einen eigenartigen Reiz und ist wie Oleander und Agave, Fächerpalme und Aleppokiefer aus dem mediterranen Landschaftsbild nicht wegzudenken. Ölbäume oder Zwergpalmen, auch Weinreben und Mandelbäume fühlen sich in seiner Nähe wohl und in seinem Schatten lagern Mensch und Tier. Als Zierbaum und Schattenspender hat man ihm an vielen Straßen in den Städten Californiens, Arizonas und Australiens einen ungewohnten Platz zugewiesen, den er geduldig erträgt. Obstanbauer schützen gerne ihre Plantagen mit einem Gürtel tief wurzelnder Johannisbrotbäume gegen Sturmschäden. Überzeugend bewährt hat sich der immergrüne Schotenträger bei der Aufforstung erosionsgefährdeter und vom Austrocknen bedrohter Küstenzonen - dank seiner Genügsamkeit, die selbst marginale Böden und extreme Standorte verkraftet und obendrein noch Gewinn abwirft.

Wenn sich gegen Ende August mit langen Stangen bewaffnete Männer in den Karubenhainen zu schaffen machen, hat die Erntesaison begonnen. Das Abschlagen der Früchte ist gewiß kein schonendes Verfahren, doch darauf zu warten, dass die überreifen Früchte von alleine herabfallen, um sie dann aufzusammeln, birgt das Risiko einer raschen Feuchtigkeitsaufnahme und nachfolgender Fäule. Vibrationsmaschinen, die den Stamm umfassen und die Früchte herunterschütteln, haben auch ihre Tücken, denn Stamm und Äste sind dick, dabei unelastisch und bruchanfällig. So bleibt es weitgehend bei der traditionellen Erntemethode, bei der es ein Arbeiter auf 250 - 280 kg am Tag bringen kann. Die Erntekosten sind erheblich. Sie machen 30 -35 % der Produktionskosten aus.

Die Produktion liegt weltweit bei jährlich 300.000 Tonnen, wovon Spanien allein 40 % (ca. 120.000 t) hervorbringt. Zentren des Anbaus sind hier die Provinzen Valencia und Katalonien sowie die Balearen. In der Statistik rangiert Italien (überwiegend Sizilien) mit gut 14 Prozent an nächster Stelle, gefolgt von Portugal (Algarve / 10 %), Marokko und Griechenland mit 9 bzw. 6 %, Zypern (mit den Hauptanbaugebieten in den nördlichen und südlichen Küstenebenen / 5,5 % oder 17.000 t), Türkei und Algerien mit 4,8 bzw. 2,3 % und die anderen Erzeugerländer mit zusammen 4,8 %.

Verwertung der Frucht

Was macht die Johannisbrotschote zu einer begehrten Frucht ? Ein Reisender des 19. Jahrhunderts meinte dazu lapidar: "Der Geschmack der Frucht ist eine Mischung von Syrup und Süßholz, namentlich bei Kindern, Affen, Schweinen und bei dem Rindvieh beliebt..." und ein anderer schrieb von dem "reich angehäuften Zucker", der billiger sei als der Zucker anderer Früchte, auch nehme "ihre Verarbeitung zu Branntwein fortwährend zu"   und in Rußland seien die importierten Schoten "eine beliebte Fastenspeise der Landbevölkerung". Stand damals das Fruchtfleisch als Nahrungsquelle für Mensch und Tier noch ganz im Vordergrund, haben ihm heute in wirtschaftlicher Hinsicht die Kerne (der Samen) den Rang abgelaufen. Bei einem Anteil von nur 10 % am Gesamtfruchtgewicht erreicht ihr ökonomischer Wert über 60 %! Bleiben wir noch bei der "Pulpe", dem Fruchtfleisch oder -mark, das auch in unserer Zeit noch Verwendung findet, wenn auch nicht mehr in den früheren Mengen. Es ist zu einem Nischenprodukt geworden, das, intelligent verarbeitet, Eingang in die Naturkostläden gefunden hat.

In den Mittelmeerländern werden die Schoten weiter als Viehfutter verwendet. Nur weiß man heute, dass ihr die Verdauung beeinträchtigender Tanningehalt Grenzen setzt: als Zusatznahrung sollten sie 10 - 20 % der Gesamtfuttermenge nicht überschreiten.   Auch wird noch immer hier und da Alkohol aus der Karubenfrucht in einem simplen Gärungsprozess gewonnen. Dass sie sich zum Aromatisieren von Tabak eignet, ist ebenso wenig in Vergessenheit geraten wie ihre Fähigkeit, Früchte zu konservieren und in geröstetem Zustand als Kaffeersatz zu dienen. In Ägypten und anderswo ist der aus dem frischen Fruchtmus gepresste Saft ("kaftan") noch immer gefragt und eine vielversprechende Methode zur billigen Sirupgewinnung, die sich den hohen Zuckergehalt der Schote zunutze macht, könnte in der Zukunft ein neues Verarbeitungsfeld eröffnen.

Diese traditionellen Erzeugnisse hat in jüngster Zeit die florierende Naturkostbewegung   um neue und gut verträgliche Produkte erweitert. Grundlage ist das Johannisbrotmehl. Es wird aus dem zerkleinerten Fruchtmark nach einem Röst- und Mahlprozess gewonnen und bewährt sich vor allem als Kakaosubstitut. Für Allergiker und Migränekranke, die kakaoeigene Coffeinoide (Theobromin) oder andere Bestandteile nicht vertragen, bietet sich also ein Ausweg. Überdies ist Karubenpulver deutlich fettärmer als Kakao (7 % gegenüber 23 %). Es hat einen hohen natürlichen Zuckergehalt von 42 - 48 %, auch viele Mineralien und Vitamine. In Naturkostläden werden inzwischen neben dem u.a. als Darmregulativ hilfreichen Johannisbrotpulver die verschiedensten Riegel, Kekse und Brotaufstriche auf Karubenbasis angeboten.

Die rundlichen bis eiförmigen Kerne werden auf mechanischem Wege, dem so genannten "Kibbeln", vom Fruchtfleisch der Schote getrennt. Aus der Samenschale gewinnt man Produkte für die Anwendung in der Textil-, Chemie- und Nahrungsmittelindustrie. Das nun freiliegende Endosperm, der Reservestoff des Samens und kostbarste Bestandteil der gesamten Frucht umschließt den Keimling (Embryo), von dem er durch Hitze und Druck abgespalten wird. Das Endosperm ist reich an Galaktomannanen, hochmolekularen Substanzen mit hervorragenden Gelier- und Verdickungseigenschaften. In gemahlener Form (Johannisbrotkernmehl) dient es als vielseitig einsetzbares Substitut und Additiv in der Nahrungsmittelindustrie. Als Stabilisator und Dickungsmittel gibt es Speiseeis und Milchprodukten, Dressings, Suppen, Saucen und Getränken die verlangte Viskosität und Konsistenz. Bei der Herstellung von Fleischpasten, Joghurt und Frischkäse bewährt es sich als Bindemittel und als Geliermittel findet es bei Fruchtgelees und Puddings Verwendung. Schließlich ist das Johannisbrotkernmehl als kalorienarmer Quellstoff in der Backwarenindustrie und in der Produktion diätetischer Nahrungsmittel als wichtiger Zusatzstoff in Gebrauch.

Dank seiner stabilisierenden Eigenschaften wird das Mehl auch in der boomenden Tierfutterindustrie verstärkt eingesetzt. Katzen- und Hundefutter in Dosen erhält so die gewünschte sämige Festigkeit.

Die technische Anwendung des verblüffend vielseitig verwendbaren Kernmehls erstreckt sich bei allerdings abnehmender Bedeutung noch immer auf zahlreiche Industriesparten - von der Bau- über die Textil- und Papierindustrie bis zur Herstellung von kosmetischen, pharmazeutischen und chemischen Produkten.

Die sehr harten und unverwüstlichen Kerne haben noch eine weitere, fast unbekannte Bedeutung als Wiegegewichte. Seit rund eineinhalb Tausend Jahren werden sie als kleinste Gewichtseinheit (0,2 g) verwendet, da sie unabhängig von Größe und Form immer ein konstantes Gewicht aufweisen. Dieses Gewichtsmaß ist weltweit als Karat in Gebrauch. Es ist abgeleitet von dem altgriechischen Wort für Horn, to kerátion, auf dem auch der wissenschaftliche Name für den Johannisbrotbaum, Ceratonia siliqua, fußt.

 


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