Abtei Bellapais
Greifen Schriftsteller zur Feder, um über Bellapais zu schreiben, überschlagen sich die Superlative. Da ist vom "schönsten gotischen Bauwerk in der Levante" die Rede, "das in Bezug auf seine malerische Lage wenige Baudenkmäler seinesgleichen haben dürfte", wie es an anderer Stelle heißt. Bellapais sei "die liebreizendste aller gotischen Abteien", "in ihrer grandiosen Anlage mehr ein Fürstensitz als ein Ort des Askese und Meditation", gar stelle sich die Frage, "ob es nicht frevelhafte Vermessenheit war, sich an so einem phantastischen Ort niederzulassen..."
Man könnte allen begeistert zustimmen, die sich an der Beschreibung dieses Juwels versucht haben, denn in der Tat bereitet das klösterliche Gebäudeensemble, wie es hoch am Hang, harmonisch eingebettet in Obst und Olivenhaine, die See überblickt, Herz und Augen ein grandioses Erlebnis. Wohl hinterließen Erdbeben ihre zerstörerischen Spuren, auch trugen Anwohner Steine und Platten als Baumaterial für ihre Häuser davon, doch ist die aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammende Anlage noch größtenteils erhalten. So wird hier eindringlicher als an anderen Orten die Geschichte ablesbar, werden Funktionszusammenhänge erkennbar, gewinnt das Tageswerk der Praemonstratenser-Chorherren, die hier lebten, arbeiteten und forschten, klarere Konturen.Rund drei Jahrhunderte wirkten sie an diesem Ort. Seit der osmanischen Machtergreifung (1570/71) ist die Anlage verwaist. Bellapais wurde zu der malerisch überwucherten, dramatisch sich auftürmenden, legendären Abtei,die durch die Jahrhunderte Besucher in ihren Bann zog.
Das Dörfchen Beylerbeyi
"Von Cerines(Girne) nach dem Kloster Lapais geht der Weg gen Morgen; er erstreckt sich fünf Meilen in einer Ebene, die wegen des guten Anbaus und der Mannigfaltigkeit von Frucht- und wilden Bäumen und wegen der sie schmückenden, in allen Jahreszeiten grünenden Hügel die schönste auf der Insel ist . . .", notierte in den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts ein Reisender. Auch noch zweihundert Jahre später erzählt ein Zypernbuch von Orangen-, Zitronen- und Olivenhainen, die auf dem Weg nach Bellapais "eine Parklandschaft voll würziger Gerüche, grünen Schattens und flirrender Lichter formen". Mittlerweile ist die ländliche Idylle dieser Wegstrecke in der Gegenwart angekommen: ein unansehnliches Gemenge aus protzigen Villen und Swimmingpools, Hotelanlagen und Reihensiedlungen hat die einstigen Fruchthaine weitgehend verdrängt. Selbst große Busse verkraftet nun die ausgebaute Auffahrt zum 220 m hoch gelegenen Dorf, das die Einheimischen Beylerbeyi nennen.
Restaurant neben der Abtei Bellapais
Nach der letzten Rechtskurve, einem beliebten "Postkartenblick", türmen sich jenseits einer Senke auf steiler Klippe festungsgleich die Mauern der Abtei empor. Scheinbar unverwundbar in der nicht enden wollenden Abfolge von Erdbeben und Bränden, Kriegen und Aufständen, behauptet sie hier ihren Platz seit nahezu achthundert Jahren. Als sei sie eine Schutzburg, breiten sich in ihrem Schatten die Häuser von Beylerbeyi inmitten blühender Gärten über den Hang. Hier oben hat sich nicht viel verändert. Einige Villen sind hinzugekommen, eine Handvoll Ausländer hat sich niedergelassen. Ziegen, Schafe, Hühner, Katzen teilen sich die engen, ansteigenden Gassen mit spielenden Kindern und mächtig aufdrehenden Autos, die einige versprengte Touristen in den nächstgelegenen Hauseingang scheuchen. Ziemlich weit oben, die Hauptgasse hinauf, liegt linker Hand, dezent kenntlich gemacht, das Haus, das einst der Romancier Lawrence Durrell kaufte und ausbauen ließ. Davon und von vielen anderen Begebenheiten im Zypern der Jahre 1953-1956 erzählt er in seinem unvergänglichen Klassiker "Bittere Limonen". Wie schon zu seiner Zeit und lange vor ihm, sitzt man auch heute noch unter dem "Baum des Müßigganges" am Platz vor der Abtei. Der Muktar, der Ortsvorsteher, vertraute Durrell damals augenzwinkernd an, was es damit auf sich habe:
"Ich muß sie warnen! Falls Sie hier zu arbeiten gedenken, setzen Sie sich nicht unter den "Baum des Müßigganges". Haben Sie davon gehört? Sein Schatten macht den Menschen unfähig zu ernster Arbeit. Die Bewohner von Bellapais gelten von alters her als die faulsten Leute der Insel. Sie sind alle Grundbesitzer, Kaffeetrinker und Kartenspieler. Deshalb werden sie auch so alt..."
Offenkundig konnten die wunderlichen Eigenarten des Baumes Durrell nichts anhaben, vollendete er doch hier seinen großen Roman "Justine" (den ersten Band des Alexandria-Quartetts) und er skizzierte die Anfänge von "Bittere Limonen", das sein erfolgreichstes Reisebuch werden sollte.
Reste der Toranlage
Eine wehrhafte Toranlage und die massige Kirche, überragt von tiefgrünen Zypressenspitzen, sind der erste Blickfang beim Betreten des Abteigeländes. Schatten empfängt nun den Besucher und hier kaum vermuteter frischer Rasen, eingefaßt von duftenden Blumenbeeten und mit Sitzgruppen bestellt, die zu einer Rast bei kühlen Getränken oder Kaffee und Kuchen einladen. Dieser "Kaffeegarten" gehört zum traumhaft gelegenen Restaurant Kybele. Seinen unvergleichlichen Reiz gewinnt dieser romantische Winkel aus dem Zusammenklang von strenger europäischer Sakralarchitektur und sonnenüberflutetem, mediterranem Berg- und Meerespanorama. Im Angesicht gotischer Bögen und Joche lässt`s sich hier genußvoll speisen und am Abend -die Abtei ist dann hell angestrahlt-, wenn die Klänge eines Konzerts aus dem Refektorium herüberwehen, breitet sich fast schon weihevolle Stimmung aus.