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Reiseführer Nordzypern

Lambousa / Lapithos

Streifzug durch Lambousa

Vorbemerkung

Daß sich die Örtlichkeit nur schwer in ein Besuchsprogramm einpassen lässt, hat triftige Gründe. Der hervorstechendste ist die teilweise Nutzung des Geländes als militärisches Sperrgebiet, was verständlicherweise für Irritationen sorgt. Wohl darf photographiert werden, aber nicht überall und nicht jedes Objekt. Nicht selten taucht unvermittelt ein Soldat auf, der freundlich zu verstehen gibt, was auf den Film gebannt werden darf und was nicht und wo „verbotenes" Terrain beginnt. Wichtig zu wissen auch, dass eine Schießbahn angelegt wurde, auf der tatsächlich scharf geschossen wird. Sind Schießübungen geplant, wird der betreffende Geländeabschnitt weiträumig abgesperrt. Es ist schon ein sonderbarer Ort, wo nichts so recht zueinander passen will: Die Flaggen, das militärische Gehabe, die Interessen der Archäologen, die mittelalterlichen Sakralbauten, antike Fischtanks und Felskammergräber, selbst eine Open-Air-Disco hat sich angesiedelt, dazu noch ein Restaurant und es gibt sogar einen schönen Sandstrand mit allem, was zu einem zünftigen Beach-Ausflug gehört.

Ob Freilichtmuseum, ob martialische oder kommerzielle Nutzung: Schauplatz all dessen ist das Areal der versunkenen, antiken Hafenstadt Lambousa, ein archäologisches, wenn auch arg vernachlässigtes Schwergewicht, das noch viele Geheimnisse in seinem durchwühlten Boden verwahrt. Hier wurde bislang mehr nach brauchbarem Baumaterial und illegal nach „Schätzen“ gegraben als mit Sachverstand die Vergangenheit entschlüsselt.

Der östliche Bereich

Man erreicht ihn über die Stichstraße zum Hotel „Mare Monte“, biegt unmittelbar vor der Hoteleinfahrt nach links ab und folgt dann dem holperigen Weg hinunter ans Ufer. Hier stößt man auf Fischtanks aus römischer Zeit.

Fischtank Lambousa

Die sechs unterschiedlich großen Bassins wurden in den ufernahen Kalksteinfels geschlagen – ein beinhartes Stück Arbeit zur Befriedigung der lukullischen Bedürfnisse einer Handvoll wohlhabender römischer Bürger der Stadt. Aber so ungewöhnlich denn auch nicht, weiß man doch aus der römischen Welt von zahllosen Fischtanks und einer unstillbaren Leidenschaft des römischen Geld- und Feudaladels für edles Meeresgetier. Die Fischtanks dienten der Aufbewahrung lebend gefangener Fische und Schalentiere und das auf eine höchst erfinderische Weise, wie sich am größten Bassin (27 X 14 m) gut erkennen lässt. Wenn sich bei einer Wassertiefe von nur 85 cm der Bassin-Inhalt erwärmte, wurde frisches, kühles Wasser in den Tank hineingeleitet über Zuläufe, die sich der vorherrschenden Windrichtung (WNW bis NNW) öffneten – schön zu sehen an dem langen Kanal, der nach NW zeigt und an den beiden Zuläufen an der schmalen Nordseite, die teilweise übertunnelt sind und mittels kleiner Schleusentore (in seitlichen Führungsrillen auf und ab bewegbare flache Steine) zu öffnen und zu schließen waren. An dieser Schmalseite aufgeschichtete Steinplatten sollten den Tank gegen hohen Wellengang schützen. Als Ausläufe fungierten die beiden in nordöstlicher Richtung verlaufenden Wasserrinnen. Wehte der Wind, was eher selten war, aus nordöstlichen bis östlichen Richtungen, erfolgte der Wasseraustausch in umgekehrter Richtung. Dank der Kanäle mit eingebauten Schleusentoren ließen sich Zu- und Abfluß zuverlässig regulieren falls die Wassertemperatur zu stark anstieg oder Winddruck und Tidenhub (höchstens 20 cm Schwankung) auszugleichen waren.

Noch einige auffallende Details:

Der größte Fischtank (FT 1 in der beiliegenden Skizze) ist von einem Sockel, der wohl als Weg/Arbeitsfläche gedient haben mag, eingefaßt. Das kurze Kanalstück zwischen FT 1 und FT2 zeigt an den Kanten in den Stein geschlagene Halterungen/“Ösen“. Vermutlich wurden an ihnen Netze befestigt. FT3 ist durch zwei kurze Felseinschnitte mit dem westlichen Kanal verbunden. FT4 mit den Maßen 2,60 X 1,90 m bei 1 m Tiefe besitzt eine ganz kurze Verbindung (im SW) und eine lange (Richtung N) mit der See. Zwischen FT5 und FT6 gibt es ein kurzes, auffallend sauber gearbeitetes Verbindungsstück mit zwei Schleusentoren, deren Fugen noch gut zu erkennen sind. Während FT6 keinen Anschluß Richtung Meer hat, weist FT5 (das ist der größere Tank) zwei auf und von seiner SW-Ecke führt noch ein unvollendeter Kanal in südlicher Richtung.

Wendet man sich von den Fischtanks landeinwärts, öffnet sich hinter einem niedrigen Hügel ein Geländeeinschnitt, dessen Felswände von Grabkammern durchsetzt sind. Sie markieren das östliche Ende der damals bewohnten Stadt. Jene Ruhestätten prominenter Verstorbener machte die verfemte frühchristliche Gemeinde Lambousas zu ihrem Refugium. Sie verwandelte die Felskammern in Kirchen und Unterkünfte und harrte aus bis das Provisorium ein Ende hatte, die Christen inmitten der römischen Stadt Quartier nehmen durften. Das wurde möglich, nachdem das Christentum als Staatsreligion im Oströmischen Reich eingeführt worden war. Kaiser Konstantin I. hatte in den ersten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts schrittweise den christlichen Glauben legalisiert, ob aus frommer Überzeugung oder aus Nützlichkeitserwägungen ist umstritten, Christen jedenfalls waren nun gleichberechtigte Bürger. Für die Felskammern in Lambousa gab es keine Verwendung mehr, nur dann und wann dienten sie Ziegen und Schafen als Unterstände, auch noch bis in unsere Zeit.



Aus antiken Grabkammern wurden frühchristliche Unterkünfte

Nur ein Mal, das war 1992, machte sich eine Handvoll Menschen im Gelände zu schaffen. Dazu zählte William Dreghorn als unermüdlicher Ideengeber, der zyperntürkische Archäologe Tuncer Bağişkan, der deutsche Archäologe Dr. Alfred Zeischka, seine Tochter (auch Archäologin) u. a. Ihre Idee, das antike Areal von Lambousa im Laufe von zehn Jahren komplett freizulegen und in einen „Archaeological Park“ zu verwandeln, ließ sich gut an. Felskammern und Gelände ringsum wurden gesäubert, Messungen vorgenommen, Zufallsfunde registriert. Doch die erhoffte fachliche und finanzielle Unterstützung von außen unterblieb (wie so oft!) und aus der Verwirklichung einer vielversprechenden Idee wurde leider nichts.

Der westliche Bereich

Was es jenseits des häßlichen Stacheldrahts, der auf den Überresten des antiken Stadtwalls verläuft, zu sehen gibt, erschließt sich über eine andere Zufahrt. Man folgt der Küstenstraße weiter nach Westen und biegt nach wenigen hundert Metern nach rechts zur Küste ab.

Zunächst fällt der weitläufige Komplex des Klosters Acheiropiitos ins Auge – mit seinen olivfarbenen Fahrzeugen, Schildern, Flaggen, Wachen unverkennbar in militärischer Hand. Daß sich Militär in Sakralbauten einnistet, ist so ungewöhnlich nicht auf Zypern. Das geschah hier bereits Ende der 1960er Jahre, als zyperngriechische Streitkräfte in das Kloster einrückten. Es war seit dem Tod des letzten Mönchs um 1950 verwaist, nur die Klosterkirche wurde noch genutzt. Nach dem zyprischen Krieg von 1974 übernahmen türkische Truppen das Kommando über Lambousa. Natürlich war die Situation unübersichtlich. Gerüchte, es stehe schlecht um Kloster und Kirchen, es werde geplündert und zerstört, machten die Runde, waren aber – zumindest in diesem Fall – unbegründet. Allein die Ikonen (überwiegend 18. Jahrhundert) sind nicht mehr am Ort. Sie werden im Ikonenmuseum, der Kirche Archangelos Michael in Girne, ausgestellt. Die Fresken sind erhalten, auch die marmornen Bodenmosaiken und die Ikonostasis aus dem 17. Jahrhundert. Eine neuere internationale Untersuchung (2005) bezeichnet den Zustand der Klosterkirche (Struktur, Dach, Fassade) als „very good“.

Doch wir kommen nicht hinein, der Posten winkt ab. Greifen wir deshalb auf vorliegende Berichte zurück.

Danach formt der Klosterkomplex ein großes Rechteck mit dem Katholikon (Klosterkirche) inmitten eines weiträumigen Innenhofs. An seiner Nordseite reihen sich die Bögen des Kreuzgangs aneinander. Ihm vorgelagert ist das Refektorium, das von starken Strebepfeilern gestützt wird, wie von außen schön zu sehen ist. Angaben über die Entstehungszeit des Katholikons schwanken zwischen dem ausgehenden 11. und dem 14. Jahrhundert. Es entstand auf den Ruinen eines wesentlich größeren Vorgängerbaus, genauer: auf dem Mittelschiff einer der drei fünfschiffigen Basiliken, deren Überreste im Gelände entdeckt wurden und die Bedeutung Lambousas in frühchristlicher Zeit unterstreichen. Die zentrale Apsis der Basilika wurde in das neue Gotteshaus einbezogen. Gegen 1550 kam es zu einer Erweiterung, als vor der Westseite zwei Vorhallen entstanden (Narthex und Exonarthex) nach gotischen Vorbildern, aber auch mit Stilelementen der Renaissance.

Gegenüber dem Klostereingang liegt ein wirkliches Kuriosum. Agios Evlambios wird der massige Felswürfel genannt, dessen Oberfläche als Steinbruch diente, innen aber zu einer Felskapelle ausgehöhlt wurde. Der einst vorgelagerte Narthex ist verschwunden, innen sind aber noch die Apsis und einige Grabnischen zu sehen.

Agios Evlalios
Kirche Agios Evlalios

Unmittelbar am nahen Küstenabbruch erhebt sich Agios Evlalios, eine im eigenartigen byzantinisch-gotischen Mischstil erbaute Kirche. Sie stammt aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, als Lambousa eine zweite, kurzlebige Blütezeit erlebte. Das einschiffige Gotteshaus wird von einer flachen Kuppel auf hohem Tambour gekrönt. Diese Konstruktion tragen vier Arkaden, deren Säulen aus grauem Zwiebelmarmor antiker Herkunft sind, einst wohl zu einem klassischen Tempel gehörend. Den Boden bedeckten früher quadratische, sechs- und achteckige gelbe Marmorplatten. Um die Kirche herum sind kleine, verstaubte Mosaikfelder zu entdecken – die Überbleibsel eines frühbyzantinischen Vorgängerbaus.

Unterhalb von Agios Evlalios liegt der schon von antiken Schriftstellern wie Strabo („…die Stadt Lapithos mit Hafen und Werften…“) erwähnte und noch heute von Sportschiffern genutzte Hafen. Seine beiden Wellenbrecher sorgen für ruhiges Wasser. Die nördliche Mole, sie ist 155 m lang und 10 m breit, ist an ihrem westlichen Ende gekrümmt und überlappt so die kürzere (40 m) zweite Mole. Auf diese Weise werden die von den vorherrschenden West- bis Nordwestwinden aufgetürmten Wellen gebändigt. Man vermutet unter den Molen natürliche Felsriffe, auf denen zunächst phönikische Arbeiter Steine aufschütteten, später dann sollen römische Sklaven 1,50 m lange Steinblöcke darüber aufgeschichtet haben. Beide Wellenbrecher wurden zwischen 1957 und 1959 durch neue Steinplatten verstärkt, um einen sicheren Hafen für die lokalen Fischerboote zu schaffen. Heute verkehren hier nur noch Sportboote und statt der Fischer kommen Badelustige an den gepflegten Strand.

Die höchste Erhebung landeinwärts, eine verheißungsvoll „Akropolis“ genannte Landmarke, könnte interessant sein, doch ihre (einstige) strategische Bedeutung wird offensichtlich selbst noch von modernen NATO-Militärs geschätzt und das heißt für uns: kein Zugang! Fotos von John L. Myres` Ausgrabungen im Jahre 1913 zeigen eine von Grabkammern, Hausfundamenten, Säulen, Toren, Treppen und Steinbrucharbeiten gezeichnete Felskuppe. Besonders die Gewinnung von Baumaterial in jüngerer Zeit hatte keine unberührten Schichtungen hinterlassen, sodass eine abschließende Aussage über die „Akropolis“ unterblieb und die noch heute gültige Forderung nach „complete clearing of the whole site“ erhoben wurde, um Gewißheit über das antike Lambousa zu erhalten.

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