Die Seele eines Landes offenbart sich in der Musik
Musik aus aller Welt
präsentiert CDs, Hörbücher und DVDs
Die bisherigen Empfehlungen unseres Musik-Experten Winfried Dulisch finden Sie unter Musik aus aller Welt.
USA
Verschiedene Interpreten: “The Rough Guide to Native America”
Compilation-CD (60.39 Minuten) plus Bonus-CD (49.09 Minuten)
World Music Network (deutscher Vertrieb: harmonia mundi)
EAN: 605633128826
Das Fotomodell auf dem CD-Cover ist nicht Kevin Costner’s („Der mit dem Wolf tanzt“) Tanzpartnerin. Sie ist auch nicht Winnetous Schwester. Und musikalisch befriedigen jene zwei CDs, die in dieser Verpackung zu finden sind, ebenfalls nicht die Erwartungen von Hollywood-Fans oder von den Lesern der Romane eines Karl May.
Die zwölf überaus unterschiedlichen Tracks auf der einen CD lassen viel mehr den historischen und aktuellen Reichtum der indigenen Kulturen Nordamerikas erahnen. Und auch die meisten Ethno-Fans erfahren hier zum ersten Mal, dass Indianer-Musik weitaus mehr ist als nur dumpfes Trommeln und Gejohle am Lagerfeuer. Die Repertoire-Auswahl reicht hier von traditionellen Indianer-Gesängen bis hin zu Folk-Song, die von europäischen Vorbildern inspiriert wurden. Das klingt teilweise sogar wie Cowboy-Music – was überhaupt nicht verwundern darf, schließlich arbeiteten viele Indianer als Kuhhirten; erst die Wildwest-Romantiker des 20. Jahrhunderts trieben einen Keil zwischen diese weißen und rot-häutigen Arbeitskollegen.
Außerdem wird die in Europa weit verbreitete Meinung, dass nordamerikanische Ureinwohner und ihrer Nachfahren mit einer gesunden Tanzfreude gesegnet sind, hier auf mehreren CD-Tracks bestätigt. Von präkolumbianischen Rhythmen bis hin zu Reggae, Punk und elektronischen Pop-Stilmitteln reicht die Palette der tänzerischen Ausdrucksformen.
Den einzigen Kritikpunkt an dieser Compilation haben nicht die Compilatoren zu verantworten, sondern die Produktions- und Vermarktungs-Möglichkeiten der nordamerikanischen Tonträger-Industrie. Die meisten der hier zu hörenden Aufnahmen kommen aus den USA; dort werden mehr als 500 so genannte „First Nations“ werden von der Regierung in Washington anerkannt – also knapp ein Prozent der US-Bevölkerung. Zwei Prozent aller Kanadier gehören zu jenen 600 First Nations, die in ihrer Heimat anerkannt sind; auf der vorliegenden CD werden sie aber nicht angemessen repräsentiert. Die Ureinwohner Mexikos und erst recht ihre weiter südlich lebenden Nachbarn werden hier – wie im richtigen Leben – sogar vollständig ausgeblendet.
Dieses Manko wird ausgeglichen von der Blues-Sängerin und Gitarristin Pura Fé. Auf der beiliegenden Bonus-CD „Full Moon Rising“ verwebt diese Traditionspflegerin und kulturpolitische Aktivistin die afrikanischen und karibischen Wurzeln der Pop- und Jazz-Musik mit den Ausdrucksmöglichkeiten ihrer indigenen Vorfahren. Eigentlich würde allein schon diese Bonus-CD völlig ausreichen, um allen engstirnigen Vorstellungen von „Indianermusik“ die Grundlage zu entziehen. Denn die Arbeit einer Künstlerin wie Pura Fé lässt sich nur beschreiben mit diesem Etikett: ganz, ganz großes Weltmusik-Theater. wd@saw
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