Die Seele eines Landes offenbart sich in der Musik
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schwarzaufweiss-CD
des Monats
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“Sinti und Roma hören”
Hörbuch mit Musikbeispielen – Sprecher: Rolf Becker, Anne Moll
CD: Silberfuchs / Fenn 65256
Ein kleines Mädchen begann zu singen. Da weinte Gott. Er fragte sie: „Wo kommst du her, kleines Mädchen?“ – Sie antwortete: „Allmächtiger Gott, ich gehöre zu einem eingewanderten Volk. Wir haben keinen Platz auf der Erde, wo wir bleiben können – außer in unseren Liedern.“
Historisch betrachtet sind die Sinti und Roma die Wegbereiter unserer heutigen Tourismus-Kultur. Im Gegensatz zu heutigen Vergnügungsreisenden haben diese Zigeuner-Völker allerdings kaum sichtbare Spuren hinterlassen. Geblieben sind nur ihre Märchen, ihre Mythen und ihre Musik. Kurze Beispiele dieser kulturellen Leistungen wurden für die vorliegende CD verwendet. Anne Moll und Rolf Becker erzählen behutsam und eindringlich die Entstehungsgeschichten der hier zu hörenden Zigeuner-Lieder.
Die Frage nach dem Ursprung des Wortes „Zigeuner“ wurde von den Sprach-Wissenschaftlern bislang nicht geklärt. „Sinti und Roma hören“ stellt in den zur Verfügung stehenden 79 Minuten auch nur einige mögliche Antworten zur Auswahl. Eine These will dieses Hörbuch aber ganz fest untermauern: Die globale Literatur-Geschichte müsste eigentlich geprägt sein von Roma-Schriftstellern, doch die kreativsten Roma waren leider Analphabeten.
Deswegen berichteten Zigeuner von ihren Reise-Erfahrungen vor allem in ihren Liedern. Und sie schufen damit solche regionalen Musikstile wie den Flamenco der spanischen Sinti, den elegant virtuosen Gypsy-Jazz der französischen Zigeuner-Gitarristen, die temperamentvoll deftige Blasmusik aus den Roma-Dörfern auf dem Balkan oder eine neue Form des Chorgesangs in Russland. Die ungarischen Zigeuner-Geiger inspirierten einen Johannes Brahms oder Franz Liszt und andere Komponisten des romantischen Zeitalters. Im frühen 20. Jahrhundert erforschte Béla Bartók in Ungarn mit seinem Phonographen-Gerät die Musik der Roma und ließ später deren Harmonien und Rhythmen in seine eigenen Werke einfließen.
Eine CD wie „Sinti und Roma hören“ hätte eigentlich veröffentlicht werden müssen von einem global agierenden Tonträger-Konzern, der die Geschichte(n) der Zigeuner-Völker in alle Welt hinausposaunen könnte. Denkste. Stattdessen setzen die beiden Hörbuch-Autorinnen Corinna Hesse und Antje Hinz mit ihrem technisch und künstlerisch anspruchsvoll produzierten „Zigeuner“-Album mal wieder auf dem kleinen „Silberfuchs“-Label einen weiteren hohen Maßstab für die Sparte „Hörbuch“.