UNFICYP - Blauhelme in Zypern


unficyp.gif (1698 Byte)

Kurz vor Weihnachten 1963 entluden sich die durch den neuen Streit um die Verfassung zusätzlich angeheizten Spannungen zwischen den beiden zyprischen Volksgruppen in heftigen Straßenkämpfen. Am 26. Dezember stimmte Präsident Makarios der Aufstellung einer gemischten Friedenstruppe unter Generalmajor Peter Young, dem Kommandeur der britischen Militärbasen auf Zypern, zu. Da sich die festlandsgriechischen und -türkischen Vertragskontingente ihren kämpfenden Volksgruppen anschlossen, blieben die englischen Einheiten auf sich allein gestellt. Sie errichteten bis Ende Dezember 1963 eine Pufferzone entlang einer Waffenstillstandslinie quer durch Nicosias Altstadt, die als "Green Line" (Young hatte sie mit einem grünen Filzstift auf seiner Wandkarte eingezeichnet) traurige Berühmtheit erlangte. Am 4. März 1964 forderte der UNO-Sicherheitsrat die Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf und empfahl die Stationierung einer UN-Friedenstruppe auf der unruhigen Insel.

Der Auftrag

In der zweiten Märzhälfte 1964 trafen die ersten Einheiten in Zypern ein. Ende April waren alle Kontingente im Einsatz: 6369 Mann aus Finnland, Schweden, England, Irland, Kanada, Österreich. Über ihren Auftrag gibt die UNO-Resolution 186 Auskunft. Danach soll sich die Friedenstruppe für die Wahrung des internationalen Friedens und der Sicherheit einsetzen, ihre Anstrengungen darauf richten, ein Wiederaufflammen der Feindseligkeiten zu verhindern und zur Wahrung und Wiederherstellung von Recht und Ordnung beitragen sowie die Rückkehr zu normalen Verhältnissen unterstützen. In einem Aide Memoire vom 11. April 1964 wurden weitere Einzelheiten des Mandats erläutert, darunter auch in gebotener Ausführlichkeit die heiklen Themen Waffeneinsatz und Selbstverteidigung. Für die UNFICYP, die United Nations Force In CYPrus, erwies sich das Mandat vor dem Hintergrund der verworrenen innenpolitischen Lage Zyperns als eine außergewöhnlich komplizierte Aufgabe. Da waren nicht nur die anhaltenden Spannungen zwischen den Griechen und Türken Zyperns, die beide Volksgruppen zunehmend auseinanderdriften ließen, die griechisch-zyprische politische Szene selbst war in verfeindete Fraktionen zerfallen, die paramilitärische Verbände unterhielten. Straßensperren behinderten die Bewegungsfreiheit, Orte wurden befestigt, Waffen gehortet, politische Morde waren an der Tagesordnung. Das Jahrzehnt 1964/74 mit seinen bürgerkriegsähnlichen Unruhen war zweifellos der schwierigste Zeitabschnitt UNO-Präsenz auf Zypern. Der von Athen initiierte Putsch gegen die Regierung Makarios am 15. Juli 1974 und die dadurch ausgelöste militärische Intervention der Türkei setzte über die Zukunft der UNFICYP ein Fragezeichen, da das ursprüngliche Mandat, so der damalige UNO-Generalsekretär, "unter anderen Voraussetzungen erteilt worden sei".

Der geänderte Auftrag

Am New Yorker East River war man sich jedoch rasch einig, dass „unter den gegebenen Umständen die Präsenz der UNFICYP weiterhin notwendig ist, nicht nur um den Waffenstillstand zu sichern, sondern auch um die fortgesetzte Suche nach einer friedlichen Lösung des Konflikts zu erleichtern.“ Seit dem Spätsommer 1974, nach Putsch, Intervention und faktischer Teilung der Insel, besteht die Hauptaufgabe der UNFICYP darin, die zu einer Pufferzone erweiterte Waffenstillstandslinie zwischen dem türkischen und dem griechischen Teil Zyperns zu überwachen. Sie unternimmt auf einer eigens angelegten Piste entlang der Green Line Patrouillenfahrten mit gepanzerten Fahrzeugen. Sie verfügt über Hubschrauber zur Luftüberwachung und ist auch zu Fuß und mit dem Fahrrad auf Streife. In Teilen der Altstadt Nicosias erreicht die UN-Buffer-Zone eine Breite von gerade mal sechs Metern, dagegen sind es außerhalb oft mehrere Kilometer teilweise fruchtbaren Ackerlandes. Beachtliche 3 % der Inselfläche nimmt der neutralisierte Landstreifen ein. Er reicht im Westen von Kato Pyrgos über 180 km quer durch die Mesarya-Ebene bis Famagusta im Osten.

Die Pufferzone ist in drei Sektoren aufgeteilt. Sektor 1 umfasst etwa 90 km. Er beginnt im äußersten Westen nahe Kato Pyrgos und endet am Dorf Mammari westlich von Nicosia. Seit 1993 übernehmen Kontingente aus Südamerika die Verantwortung für diesen Abschnitt, in erster Linie Argentinier, ergänzt von kleinen Einheiten aus Brasilien, Chile und Paraguay. Im Oktober 2023 konnten die Argentinier ihre 30jährige Zugehörigkeit zur UNFICYP feiern! Ihr Hauptquartier Camp San Martin liegt in der Nähe von Skouriotissa südöstlich von Lefke.

Sektor 2 umfasst etwa 30 km, beginnt westlich von Nicosia und endet östlich der Hauptstadt. Britische UNO-Soldaten kontrollieren diesen besonders brisanten Abschnitt seit 1993. Ihr Hauptquartier war bis 2019 im einst berühmten Ledra Palace Hotel, heute ist es in eigens errichteten Bauten nahebei untergebracht. Sektor 4 (einen Sektor 3 gibt es nicht) beginnt östlich von Nicosia und führt über 65 km bis zur Kapparis Beach nahe dem Dorf Dherinia südlich von Famagusta. Hier tragen seit 2018 allein Slowaken die Verantwortung. Davor waren an diesem Abschnitt auch Kontingente aus Serbien, Ungarn und der Ukraine stationiert. Das Besondere hier ist, dass es civil used areas innerhalb der Pufferzone gibt wie Athienou und Pyla und auch in der „Geisterstadt“ Varosha patrouillieren slowakische UNO-Soldaten von ihrem dortigen Beobachtungsposten aus.

Das UNFICYP-Hauptquartier (Blue Beret Headquarters) liegt westlich von Nicosia innerhalb der Pufferzone auf dem Gelände des früheren Nicosia International Airport, einer 1974 eingerichteten United Nations Protected Area (UNPA).

Der militärische Status Quo an der Pufferzone darf von keiner Seite verändert werden. Darüber besteht zwar Einvernehmen, doch wird immer wieder versucht, kleine, zunächst kaum auffallende Veränderungen zum eigenen taktischen Vorteil vorzunehmen. Dann ist das Geschick der multinationalen UNO-Truppe gefragt, um durch geduldige Gespräche mit der örtlichen militärischen Führung eine Rücknahme der unzulässigen Veränderungen zu erwirken. Da es nach wie vor keinen militärischen Kommunikationskanal zwischen Nord und Süd gibt, gewährleistet allein die UNFICYP den Austausch von Informationen zwischen den Militärs auf beiden Seiten, wenn sich in der Pufferzone Probleme auftun.

Eine besondere Einrichtung der UNFICYP, ein Humanitarian Office, kümmert sich um die Minderheiten in beiden Staaten auf Zypern – um die wenigen Zyperntürken im Süden, die mit Rom unierten Maroniten und einige Hundert Zyperngriechen im Norden.

Aufgrund der territorialen Besonderheit Zyperns – der Pufferzone - wurde erstmals eine UNO-Polizei eingesetzt (UNPOL). Sie kümmert sich um zivile Streitfragen zwischen Angehörigen der beiden Volksgruppen im Grenzgebiet. Wenn zum Beispiel eine zyperntürkische Ziege von einem griechisch-zyprischen Bauern „entführt“ wird oder ein zyperntürkischer Bauer unrechtmäßig einen griechisch-zyprischen Acker unter den Pflug nimmt, ist das Verhandlungsgeschick der UNPOL gefragt, um den gefährdeten Frieden an diesem Grenzabschnitt wieder herzustellen.

Komplikationen

Waren anfänglich über 6.000 Blauhelme in Zypern stationiert, so sank ihre Zahl kontinuierlich auf 2.100 im Jahre 1990 und die Ausdünnung der Kontingente setzte sich fort. Hauptgrund für den anhaltenden Truppenabzug waren Finanzierungsprobleme. Anders als vergleichbare UNO-Friedensmissionen, die durch Pflichtbeiträge aus dem ordentlichen UN-Haushalt finanziert werden, war für den Einsatz der Blauhelme auf Zypern ein Finanzierungsschema entworfen worden, das allein auf freiwilligen Beitragsleistungen beruhte. So zahlten Griechenland und die Türkei die eine Hälfte der anfallenden Kosten, die Truppenentsendestaaten 70 % der zweiten Hälfte. Der Rest sollte durch freiwillige Zahlungen anderer Mitgliedsländer der UNO gedeckt werden. Hier aber lag die eigentliche Schwachstelle: die Zahlungsmoral der Völkerfamilie war so lax, dass bis 1993 der Fehlbetrag auf 200 Mio. Dollar anwuchs. Auch den Truppenentsendestaaten war die finanzielle Belastung auf Dauer zu hoch. Nachdem das finnische Kontingent zurückbeordert worden war, zogen sich auch die Dänen und Schweden zurück, gefolgt von den kanadischen und österreichischen Hauptkontingenten. Um das Problem in den Griff zu bekommen, entschloss sich die UNO 1993 zu einer Restrukturierung der UNFICYP auf eine Stärke von drei Infanterie-Bataillonen mit je 350 Personen. Und die Finanzierung wurde nach Artikel 17 der UN- Charta neu geregelt, wonach die Republik Zypern ein Drittel des 57-58 Mio. Dollar Budgets übernimmt und Griechenland 6,5 Mio. Dollar zahlt. Der Rest wird als Pflichtbeitrag von den UNO-Mitgliedsstaaten aufgebracht.

Seit Ende 2021 fungiert als Chef de Mission und Special Representative of the Secretary-General Colin Stewart aus Kanada, das militärische Kommando wurde im Januar 2024 dem mongolischen Generalmajor Erdenebat Batsuuri übertragen und als oberste Polizistin (Senior Police Adviser of the UNFICYP) agiert die Finnin Satu Koivu.

Alle sechs Monate verlängert der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das Mandat der UNFICYP um ein weiteres halbes Jahr. Diese fast schon routinemäßige Prozedur vermochte in den zurückliegenden Jahrzehnten den Frieden an der Demarkationslinie zu sichern. Ihre Verpflichtung zu strikter Neutralität verbietet den Blauhelmen, militärische Lösungen zu erzwingen oder politische Entscheidungen durchzusetzen. Ein früherer Generalsekretär der Vereinten Nationen hat den Wirkungsbereich der UNFICYP so beschrieben: Eine den Frieden erhaltende Maßnahme, wie erfolgreich sie auch sein mag, kann nicht die Lösung eines politischen Problems herbeiführen. Wohl aber vermag sie das Problem unter Kontrolle zu halten. Auch kann sie den betroffenen Menschen zu leidlich normalen Lebensumständen verhelfen und eine Situation herbeiführen, in der eine dauerhafte Problemlösung mit mehr Aussicht auf Erfolg gesucht werden kann.




Das könnte Sie auch interessieren

.