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Reiseführer Nordzypern

Tourismus in Zypern - ein Rückblick

Schon frühzeitig unternahm die britische Kolonialverwaltung Schritte zur touristischen Erschließung ausgewählter Gegenden im Troodos-Gebirge. Nach dem Vorbild derindischen "hill stations" entstanden hier "hill resorts". Ein Reisehandbuch aus dem Jahre1947 zählt an die dreißig solcher Einrichtungen auf - von luxuriösen Hotels bis zu einfachen Zeltcamps. Noch Anfang der fünfziger Jahre lag der Schwerpunkt des touristischen Angebots im Gebirge. Es richtete sich vornehmlich an Kunden aus Zypern selbst und an Kolonialbeamte und Militärs der britischen Stützpunkte im Nahostraum. Dazu gesellten sich Angehörige der reichen Oberschicht benachbarter Staaten: König Faruk von Ägypten zum Beispiel, der in dem Troodosdorf Prodhromos eine Sommervilla besaß. Auch in Kairo und Alexandria lebende wohlhabende Griechen verbrachten die heißen Sommermonate vorzugsweise auf den kühlen Höhen des Troodos. Die wenigen damals schonbestehenden "seaside resorts" waren vergleichsweise dürftig ausgestattet und galten unter Reisefreudigen als "zweite Wahl".

Das gut betuchte Publikum, vor allem aus Ägypten, hielt der Insel so lange die Treue bis politische Unrast und Gewalt dem noblen Müßiggangein abruptes Ende bereiteten: ausgerechnet die touristischen Zentren im Troodos-Gebirgewaren zum Übungs- und Rückzugsgebiet der griechisch-zyprischen EOKA-Guerilla geworden. Lawrence Durrell notierte in "Bittere Limonen": "Eine Weile kamen noch Touristen, aber dann blieben sie aus. Schritt für Schritt wurde die Insel zum Feldlager, und all die Beschränkungen des Verkehrs, die Pässe und Ausweise ließen ein Gefühl des Erstickens aufkommen". Mit dem Einsetzen des Massentourismus und seines unaufhaltsamen Drangs an die mediterranen Strände, verlagerte sich auch in Zypern das touristische Geschehen vom Gebirge an die Küste. Eine von der jungen Republik 1960 in Auftrag gegebene Studie wies 118 Strandabschnitte als "touristisch nutzbar" aus. Daran knüpfte die Empfehlung an, große, selbständige Urlaubsanlagen, sogenannte "mushroom resorts" zu errichten, die ohne Anbindung an vorhandene Siedlungen ein komplettes Dienstleistungsangebot aufweisen müßten.Dieses Konzept fand freilich keine Akzeptanz. Stattdessen konzentrierte sich die Entwicklung vornehmlich auf Famagusta-Varosha. Hier gab es einen passablen Strand, die Erschließungskosten erschienen niedrig und an Investoren war kein Mangel. Ohne nennenswertes Know-how, aber mit hohen Ertragsaussichten stiegen sie in die neue Branche ein: durch Orangenanbau und -export reich gewordene Unternehmer, wohlhabende Importeure von Industrie-und Luxusgütern und nicht zuletzt ehemalige Geldverleiher, die verpfändete Küstenparzellen an sich gebracht hatten.

Der Boom in Varosha führte zu dem abschreckenden Ergebnis, das heute von der Terrasse des "Palm Beach Hotels" mit einer Gänsehaut betrachtet werden kann. Nach einer Anfangsphase rein privater Investitionen stiegen der zyprische Staat, die orthodoxe Kirche, Cyprus Airways und ausländische Interessenten in das Tourismusgeschäftein. Waren 1935 9.200 und 1938 12.100 Gäste aus dem Ausland auf die Insel gereist, davon in manchen Jahren bis zu 60 % aus Ägypten, Palästina und Syrien, so stieg ihre Zahl 1961, im ersten Jahr nach der Staatsgründung, auf über 40.000. 1969 wurde erstmals die Zahl von100.000 überschritten und 1973, im letzten Jahr vor der Teilung, erreichte sie 264.200 . Allein 53,5 % der Touristen zog es in jenem Jahr in den Raum Famagusta, dessen ungestüme Entwicklung Tourismusexperten zunehmend Kopfschmerzen bereitete. Eine Analyse sprach denn auch von "Überentwicklung hinsichtlich der Bettenzahl im Verhältnis zur verfügbarenStrandfläche". Der Bau von Hochhaushotels und Apartements erfolge viel zu nahe am Strand, wodurch große Teile der Stadt von Meer und Strand abgeschnitten würden. Nicht weniger deutlich äußerten sich deutsche und englische Zeitungen, die in Famagusta-Varosha "alle Bausünden des Massentourismus an der knappen Strandmeile der Hochhaushotels konzentriert" sahen oder über einen zugebauten Strand klagten, dessen Hotels "die Sonne verdecken,den Sandstrand wegwaschen und die See verschmutzen". Nach der Teilung des Landes (1974) versuchten beide Regierungen den zusammengebrochenen Reisemarkt wiederzubeleben. Die Ausgangslage schien für den Norden nicht ungünstig zu sein, lagen doch hier zwei Drittel der zyprischen Hotels.

Was jedoch die Entwicklungnachhaltig erschwerte und den Rückstand der nordzyprischen Tourismusbranche erklärt, beschrieb an einem Beispiel die FAZ vom 2.3.1978: "Als die Türken nach dem Kriege1974 Bilanz zogen, zählten sie im türkischen Teil der Insel nur 32 ausgebildete Hotelfachkräfte, nur 32. Keine Zahl macht deutlicher, wie total die Türken bis 1974 im Abseits standen. Handel und Dienstleistungsgewerbe blieben ihnen, nach eigener Darstellung, konsequent verschlossen". Und die Süddeutsche Zeitung berichtete am 30.5.1978 aus Girne (Kyrenia): "Die gewinnträchtigen Restaurants gehörten damals vor 1974 Griechen. Vergebens versuchten türkisch-zyprische Gastronomen in diese Erfolgsphalanx einzubrechen, denn immerhin besaß Kyrenia eine starke muslimische Minorität. Doch die griechisch kontrollierten Behörden verstanden es, die Lizenzen nur den Griechen zuzuschustern".Ein Mangel an Professionalität blieb für Jahre unübersehbares Merkmal des nord-zyprischen Tourismussektors. Noch immer fehlt ein durchschlagendes Konzept, das langfristig angelegt, die anhaltende Stagnation durchbricht. Ob die Verantwortlichen der Branche und die staatlichen Planungsbüros den prahlerischen Verheißungen des Massentourismus erliegen, ob "Masse" über "Klasse" siegen wird, das steht ebenfalls in den Sternen. Ironischerweise waren es die äußerst wirkungsvollen Boykottmaßnahmen und -drohungen der griechischen und griechisch-zyprischen Regierungen, die bis heute Nordzypern vor den zerstörerischen Folgen eines ungebremsten Strandtourismus à la Rhodos, Mallorca oder Südtürkei bewahrten. Was wird aus dem heutigen Urlaubsparadies Nordzypern, wenn der politische Wind sich wider Erwarten drehen sollte? Wird man rechtzeitig die Nische "anspruchsvoller Qualitätstourismus" angesteuert haben ?

 


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