Reiseführer Nordzypern
Verborgene Schätze
Aus der Geschichtsschreibung kennen wir die Bedeutung der Karpaz-Halbinsel in der Frühzeit und durch die Jahrtausende bis in die byzantinische Epoche. Eine nicht abreißende Kette von teils spektakulären Zufallsfunden bestätigt die einst dichte Besiedlung und den hohen Entwicklungsstand dieses Inselteils. Überreste von nicht weniger als 17 Siedlungen des präkeramischen und keramischen Neolithikums wurden seit 1970 freigelegt, ganz zu schweigen von den noch zahlreicheren Fundstellen der Frühen, Mittleren und Späten Bronzezeit.
Fund aus Kaleburnu aus der Späten Bronzezeit (ca. 1200 v. Chr.), insgesamt 26 Bronzestücke aus einem Pithos, vermutlich in Enkomi hergestellt
Der sonnenverbrannte, harte Boden hält die Zeugnisse der Geschichte
unter Verschluss. Wird er nur ein wenig angekratzt, treten sie schon
zutage und öffnen ein Fenster in die Vergangenheit. So 2001,
als man im Zentrum von Dipkarpaz die Überreste einer frühbyzantinischen
Basilika freilegte oder im März 2003, als in Gelincik bei Bauarbeiten
ein römisches Grab entdeckt wurde und im Sommer 2004 gab ein
Hügel nahe Kaleburnu 26 bronzezeitliche Geräte und Gefäße
frei, darunter einige, die weltweit einzigartig sind. Man denke auch
an die noch unerforschten, nur flüchtig von der Fachwelt betrachteten
Trümmerfelder und Felsengrabkammern, die sich über die
Küstenebene unterhalb von Yenierenköy hinziehen oder die
Stätte Galounia östlich von Kaplica markieren, in der manche
die antike Stadt Aphrodision zu erkennen meinen. Wer weiß schon
von Paleoskoutella auf halbem Wege zwischen Kaleburnu und Kuruova?
Kaum entdeckt, geriet das Felsenplateau mit seinen historisch bedeutsamen
Tumuli und bronzezeitlichen Gräbern, darin Mengen von Keramik
gefunden wurden, wieder in Vergessenheit.
Und im Gelände südlich von Agios Thyrsos an der Nordküste
steht man unvermittelt vor zwei Kalksteinstatuen, einer männlichen
von 4,50 m Größe und einer weiblichen mit eher menschlichen
Ausmaßen. Sie liegen unvollendet am Boden. Warum? Ursprünglich
standen sie auf Fundamenten, wurden aber, unfertig wie sie waren,
umgestoßen oder fielen bei einem Erdbeben. Sie hinterlassen
viele Fragen wie auch der kleine, ehemals robust befestigte Küstenwachposten
(?) Vikla nahebei und die vielen in den Fels geschlagenen Gräber
dieser Gegend.
So könnte man fortfahren und unzählige Fundstätten
aufzählen, erfolgversprechende Grabungsareale benennen.
Auf dem Karpaz unterwegs: Zwei überlebensgroße Statuen südlich von Agios Thyrsos
Keine Frage, die verborgenen Schätze dieses Landstrichs machen
einen Teil seines Reizes aus, sie sind aber auch ein handfestes Politikum.
Dass noch immer so viele Geschichtszeugnisse auf und unter der rotbraunen
Erde des Karpaz unbeachtet dahindämmern, liegt zuallererst an
der törichten Blockadehaltung der griechisch-zyprischen Administration,
die noch immer erfolgreich die internationale Archäologengilde
von der Arbeit in Nordzypern abhält.
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