Salep
Wenn die Tage kürzer werden, Regengüsse die kühle Jahreszeit ankündigen und Speiseeis nicht mehr gefragt ist, dann bereichern Cafés, Teehäuser und Straßenverkäufer ihr Angebot um ein schon sehnlich erwartetes Heißgetränk. Salep, das sämige Milchgebräu, klassisch dargereicht in großen, henkellosen Tassen, um die sich dankbar klamme Hände spannen, wird zum „Festhalter“ und „Aufmöbler“ in den nassen, fröstelnden Monaten. Mehr noch: Zwischen Istanbul und Beirut schwört man auf Salep als scharfe Waffe im Kampf gegen Erkältungen, Husten und all` die anderen winterlichen Beschwerden, die wieder ihr lästiges Treiben beginnen. So sieht man die sonnenverwöhnten Levantiner mit der Tasse in den Händen entschlossen ihre Abwehrschlacht gegen den ungebetenen winterlichen Härtefall aufnehmen – an der vom Regen blank gewaschenen Hafenpromenade von Girne wie auch an Bord der zugigen Istanbuler Bosporus-Fähren, die zwischen Asien und Europa hin- und herpendeln, in den Souks von Kairo oder im Schatten der Damaszener Omayyaden-Moschee. Selbst auf dem Uludag, oberhalb von Bursa, wo sich die Hautevolée Istanbuls zum Wintersport einfindet, ist der Genuss von Salep zu einem festen Bestandteil des Après-Ski-Rituals geworden.
Fragwürdig die Zutat . . .
Salep
(im arabischen Raum: sahlab) heißt ein fast seidiges,
geruchloses Pulver, das dem Trank seinen Namen gibt und aus (jetzt
sollten Orchideenfreunde am besten über die nächsten Zeilen
hinwegsehen) getrockneten und dann gemahlenen Orchideenwurzeln gewonnen
wird. Am besten eignen sich dafür auf stark kalkhaltigen Böden
in bewaldeten Bergregionen gedeihende Knabenkrautarten wie Orchis latifolia
(Breitblättriges Knabenkraut), Orchis militaria (Helmknabenkraut),
Orchis morio (Kleines Knabenkraut) und Orchis mascula (Mannsknabenkraut).
Nun wird nicht etwa die ganze Pflanze herausgerissen, denn nur der
junge Seitenspross ist begehrt. Hauptwurzel, Stängel und Blüte überleben
zumeist die Ernteprozedur. Die an der Luft oder in speziellen Öfen
getrockneten Wurzeln werden pulverisiert und luftdicht verschlossen
aufbewahrt. In der türkischen Küche und überall im Vorderen
Orient verwendet man traditionell das Pulver zum Andicken eines schneeweißen
Speiseeises, dem als Aroma Mastix und Orangenblütenwasser zugesetzt
wird. Hauptsächlich aber ist es das Heißgetränk, für
das die Orchideen ihr junges Wurzelwerk hergeben müssen und
so wird es zubereitet:
Für vier Tassen Salep benötigt man gut einen halben Liter
Milch, 2 EL Zucker, 1 EL Salep-Pulver und gemahlenen Zimt. Der Zucker
wird mit dem Salep und etwas Milch zu einer lockeren Paste verrührt,
dann die kalte Milch unter ständigem Rühren dazugegossen
und zum Kochen gebracht. Für einige Minuten muss kräftig
weitergerührt werden bis die Mischung andickt, um sie dann in
Tassen zu füllen und großzügig mit Zimt zu bestreuen.
. . . wirkungsvoll der Trank
Davon jedenfalls sind ihre Genießer fest überzeugt, rühmen seine reizlindernde Wirkung, wenn sie der Husten plagt und greifen selbst bei Magen-Darm-Problemen zur heißen Tasse. Wahrscheinlich ist eine ordentliche Portion Imagination mit im Spiel. Bei schlechtem Befinden und unfreundlicher Witterung gibt das Zusammenspiel von Wärme und Wohlgeschmack ein gutes Gefühl, denn die Inhaltsstoffe allein (vorwiegend Stärke und Zucker) werden nicht allzu viel bewirken, wohl aber könnte der Zimt verantwortlich sein für die eine oder andere behauptete schnelle Besserung oder gar wundersame Genesung. Gemahlene Zimtborke, zumal in warmen Getränken eingenommen, wirkt kreislaufanregend und adstringierend, bekämpft erfolgreich Bakterien und soll gerade bei Darmkatarrhen, Sinusitis und Bronchitis recht wirksam sein.