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Reiseführer Nordzypern

Orientalische Zwischenspiele

Es sollte sich schon bald zeigen, dass auch nach der Landnahme durch achäische Kolonisten die engen Beziehungen Zyperns zur orientalischen Welt fortbestanden. Die Zuwanderung aus dem Westen war gerade abgeebbt, als eine kleine Vorhut morgenländischer Migranten die Insel erreichte. Die Neuankömmlinge waren Phöniker von der gegenüberliegenden levantinischen Küste, wo auf einem schmalen Landstrich zwischen Meer und wüstenhaftem Hinterland so namhafte Städte wie Arwad, Byblos, Sidon und Tyros lagen. Die Achillesferse dieser hochentwickelten Region war ihre räumliche Enge. Eine Sicherung ihrer Zukunft war nur jenseits der engen Grenzen vorstellbar und so entstand das erstaunliche Konzept eines expansiv zu betreibenden Überseehandels, ergänzt durch Kolonisationsvorhaben in küstennahen Gebieten rings ums Mittelmeer.

Phöniker

Die ersten phönikischen Unternehmer werden schon gegen Ende des 11. Jahrhunderts v. Chr. auf Zypern Fuß gefasst haben. Sie trafen hier auf eine Gesellschaft, die im Begriff war, die Krisensituation im Gefolge der spätbronzezeitlichen Invasionen und Naturkatastrophen zu überwinden. Lange Zeit als "Dark Ages" (dunkles Zeitalter) apostrophiert, als eine Epoche der Isolation und Verarmung, ja des unaufhaltsamen Niedergangs, zeichnen jüngste Forschungen ein differenzierteres Bild dieser Zeit, die als Eisenzeit oder auch kypro-geometrische Epoche in den Geschichtsbüchern geführt wird. So waren die Außenkontakte Zyperns nie unterbrochen (wenn auch in ihrem Umfang reduziert), die Wirtschaft des Landes keineswegs kollabiert. An die Stelle der Städte waren dörfliche politische Einheiten unter der Führung lokaler aristokratischer Eliten getreten, die sich auf vormals prosperierende, jetzt auf niedrigem Niveau weiterproduzierende "Industriezentren" stützen konnten. Ihre Machtbasis erweiterten sie gegen die Jahrtausendwende zu stabilen unabhängigen Kleinstaaten, zu Vorläufern der künftigen Stadtkönigreiche.

Schiffe der Phönizier
Phönikische Kriegsschiffe
(Kalksteinrelief ca. 700 v. Chr.)

Traditionell handelten die Phöniker mangels eigener Rohstoffe mit Fertigprodukten höchster Qualität. Dazu zählten Elfenbeinschnitzereien und Juwelen, Öle und Kosmetika in Flaschen, Silber- und Goldarbeiten und eine Spezialität aus Tyros: purpurgefärbte Stoffe.

Nach der Errichtung von Handelshäusern und Produktionsstätten begannen die rührigen Neuankömmlinge in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts v. Chr. mit der planmäßigen Kolonisation ausgesuchter Landesteile Zyperns. Dahinter können mehrere Beweggründe vermutet werden. Zum einen sollte die Erschließung neuer Ländereien die übervölkerten phönikischen Küstenstädte entlasten, zum anderen wollte man sich der Insel als Drehscheibe für die expandierenden Handelsaktivitäten bedienen. Und dann war da noch der Hunger nach Kupfer, wenn auch weniger für den Eigenbedarf als zur Bedienung der Tributforderungen des mächtigen assyrischen Nachbarn.
Wie weit Macht und Einfluss der phönikischen Zyprer reichten, ist kaum schlüssig zu beantworten. Als sicher gilt, dass die Einwanderung aus den Küstenstädten ein beträchtliches Ausmaß erreichte, dass Zypern fest in das phönikische Handelsnetz eingebunden war und die zyprische Warenproduktion sich durch eine neue Qualität und Vielfalt auszeichnete. Neunzehn ihrer Siedlungsplätze sind bislang epigraphisch nachgewiesen, worunter der wichtigste Kition an der Südküste war, zweifellos ein Machtzentrum und kultureller Mittelpunkt der Phöniker auf Zypern. Ihr Zusammenleben mit den eingewanderten Griechen verlief offenbar problemlos. In Orten wie Lapethos (türk. Lapta), Marion u.a. lebten beide Bevölkerungsgruppen in enger Nachbarschaft. Auch scheint das Verhältnis zur autochthonen Bevölkerung, deren Namen niemand kennt, und die daher in Analogie zu den "Eteokretern" als "Eteokyprer" bezeichnet werden, spannungsfrei gewesen zu sein.

Assyrer

Eine seit dem ausgehenden 8. Jahrhundert v. Chr. sich abzeichnende dominante Rolle Assyriens auf Zypern gibt einige Rätsel auf. So berichten Inschriften aus jener Zeit, die auch kypro-archaische Epoche genannt wird, von der Unterwerfung der Insel durch den assyrischen König Sargon II. und von Tributzahlungen an das mächtige Reich am oberen Tigris. Es fehlen aber alle Anzeichen einer militärischen Intervention oder einer Stationierung von Besatzungstruppen. Nichts deutet auf die Anwesenheit assyrischer Gouverneure oder auf die Existenz eines von Assyrien eingesetzten Verwaltungsapparates hin. Es scheint, als habe die Oberhoheit der mesopotamischen Großmacht über die kleine Insel an der westlichen Peripherie ihres Einflussgebietes Züge einer Schutzmachtpolitik getragen, in der Zypern die Rolle eines Vasallen einnahm.
Das lässt sich auch aus einem kurzen Text in den sog. "Annalen" herauslesen, chronologischen Aufzeichnungen an den Wänden seines Palasts in Khorsabad, in denen Sargon II. (721-705) die kriegerischen Ereignisse seiner Regierungszeit in prahlerischer Manier darstellen ließ. Es heißt dort: ".und ebenso hörten sieben Könige des Landes Ja (d.i. Zypern) . . . von den Taten, die ich in dem Lande Kaldu (Chaldaea) und im Land Hatti (dem Hethiterreich) unablässig vollbrachte, und da schlug ihnen das Herz bis zum Hals und die Angst überwältigte sie . . . So brachten sie Gold, Silber und Gegenstände aus Ebenholz und Buchsbaum, Erzeugnisse ihres Landes, zu mir nach Babylon und küssten mir die Füße."

Sargon II.
Sargon II. (rechts)
und sein Premierminister

Ein Hinweis auf der berühmten Sargon-Stele, die 1845 in Kition ausgegraben wurde und durch Vermittlung des deutschen Archäologen Ludwig Ross nach Berlin gelangte, wo sie heute im Vorderasiatischen Museum ausgestellt ist, könnte den Schlüssel zum Verständnis der zyprisch-assyrischen Beziehungen liefern, denn sein Text erwähnt ausdrücklich den Kupferreichtum der Insel.
Ein Arrangement ist denkbar, das beiden Seiten (und noch einer dritten) Vorteile brachte. Die Unterworfenen und die neuen Oberherren verständigten sich auf einen intensiven Handelsaustausch mit dem Schwerpunkt Kupfer und die erfahrene phönikische Kolonie Zyperns organisierte die Abwicklung der Warentransfers.
Die "assyrische Epoche" der Insel wird bis zum Kollaps des Assyrischen Reiches (612 v. Chr.) Bestand gehabt haben.

Ägypter

Alle nahöstlichen Machthaber, die je die Hand nach Zypern ausstreckten, konnten die Erfahrung machen, dass die Insulaner willens waren, mit ihnen überlegenen fremden Mächten gemeinsame Sache zu machen, sich geschmeidig den wechselnden Großwetterlagen anzupassen. Das war nicht anders, als der ägyptische Pharao Amasis um 570 v. Chr. die Insel seiner Oberhoheit unterstellte. Die ägyptische Episode währte nur wenige Jahrzehnte und hinterließ nur flüchtige Spuren, namentlich in der Gestaltung von Skulpturen und Kleinkunst. Die Fremden vom Nil räumten die Insel, als das aufstrebende Persische Reich ihre Heimat bedrohte.

Die dynamische wirtschaftliche Entwicklung Zyperns unter dem Einfluss phönikischen und assyrischen "Managements" förderte den Urbanisierungsprozess, ließ sieben bis maximal elf unabhängige Stadtkönigreiche entstehen, die das Inselterritorium unter sich aufteilten. Und es waren wie schon im 13. und 12. Jahrhundert die Bodenschätze der Insel, deren Nutzung den Fortschritt brachte, das Land öffnete. Wieder trafen sich hier West und Ost, Ägäisraum und nahöstliche Staatenwelt, Begegnungen, die dem Land einen kosmopolitischen und doch unverwechselbar zyprischen Charakter gaben.

 


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