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Reiseführer Nordzypern

Lusignan-Haus

Der große Quadersteinbau am Anfang der Yenicami-Straße ist eines der wenigen in Nicosia erhalten gebliebenen Stadtpalais des Späten Mittelalters. Und wie schon die nahe Residenz des früheren osmanischen Gouverneurs Küçük Mehmet präsentiert sich auch das „Lusignan-Haus“ in einem reizvollen gotisch-osmanischen Mischstil. Im 15. Jahrhundert als gotisches Bauwerk entstanden, blieb ihm in späterer Zeit das Schicksal so vieler anderer Massivbauten erspart, die ihrer schönen Steine wegen nach und nach abgetragen wurden. Dass es nicht als bequemer Steinbruch endete, verdankt es seinen türkischen Nachnutzern, die an dem Haus Gefallen fanden und ihm durch Um- und Anbauten türkische Stilelemente beifügten.

Spurensuche

Als Camille Enlart (1862-1927), französischer Archäologe, Architekturhistoriker und „gotisches Gewissen Zyperns“, Ende des 19. Jahrhunderts die architektonische Hinterlassenschaft der Lusignan-Ära und des venezianischen Kolonialregimes unter die Lupe nahm, deutete er eine der Steintafeln an der Fassade des „Lusignan-Hauses“ als Wappen derer von Rochechouart. Die zwischen den Adelsständen von Grafen und Baronen angesiedelten Vicomtes des Hauses Rochechouart stammten aus der gleichnamigen Kleinstadt im heutigen Département Haute-Vienne in Südwestfrankreich. Dort steht noch ihr altes Schloss, doch in Zypern sucht man ihre Spuren vergebens und selbst Enlart war sich seiner Sache keineswegs sicher.

Aus seinem großen Werk „L`Art gothique et la Renaissance en Chypre“ (1899) entnehmen wir, dass die anderen Wappenschilder auf der Fassade schon zu seiner Zeit nicht mehr identifizierbar waren. Wir lesen über den schön geschwungenen gotischen Torbogen und dass seine Spitze sich in einer sog. Kreuzblume fortsetzt, einer stilisierten Blume mit kreuzförmig angeordneten Blättern. Darüber ist ein jetzt leeres Wappenschild angebracht, um das sich wenige Reste einer steinernen Röschenkette ranken. Das architektonische Element über dem Wappenschild soll eine Art „Tropfstein“ gewesen sein, der das Regenwasser von Wappenschild und Kreuzblume fernhalten sollte.

Lusignan-Haus, NordzypernDiese authentische gotische Fassade wird von einem türkisches „Köşk“ (daher Kiosk) konterkariert, einem schmalen, erkerähnlichen Vorbau am Obergeschoß, wie er in Lefkoşas alten Wohnquartieren häufig anzutreffen ist. Er wurde auf traditionelle Weise aus Holzbohlen, Latten und Putz erstellt.

Ein anderer aufmerksamer Besucher des erst in jüngster Zeit so genannten „Lusignan-Hauses“ war Ludwig Salvator, Erzherzog von Österreich. Im Winter 1872/73 lief der habsburgische Schöngeist mit seiner Dampfyacht „Nixe“ die Insel an und hielt sich längere Zeit zu Studien in Lefkoşa auf. 1873 veröffentlichte er seine Aufzeichnungen unter dem Titel „Levkosia. Die Hauptstadt von Cypern“. Er benennt darin die Residenz „Kaloiro al Effendi Konak“ und weiß zu berichten, dass zwei türkische Familien sich das Haus teilten. „Auf der quadernen Vorderseite haben sie einen hölzernen Kiosk aufgeführt“ und „das Innere des Gebäudes hat die morgenländische Phantasie vor langer Zeit reichlich ausgeschmückt.“ So bestaunte Ludwig Salvator die schönen Diwanzimmer („hier laufen die weichen Diwans ringsum“), die mit türkischen Motiven gestalteten Zimmerdecken, zierliche kassetierte Schränke, hübsche Stellbretter („um die zierlichsten Nippsachen des Harems aufzustellen“), getäfelte Türen, vergitterte Fenster – „aber das Ganze ist jetzt leider vernachlässigt und halb verfallen“.

Später bewohnte eine russische Emigrantenfamilie das Haus. Sie betrieb hier eine Weberei und überließ das Gebäude 1958 den Kolonialbehörden. Als neue Bewohner zogen nach ihnen für viele Jahre Flüchtlinge ein.

Neubeginn

Lusignan-Haus, Rückseite; NordzypernIn den 80er Jahren erhielten die Flüchtlinge andere Quartiere, das ramponierte Gebäude wurde restauriert, ein Museumsprojekt gestartet und wieder aufgegeben, um schließlich Ende der 90er Jahre unter den Fittichen des Department of Antiquities and Museums als Architekturdenkmal in neuem Glanz zu erstrahlen.

Aus dem Eingangsbereich betritt der Besucher eine zum überraschend weiträumigen Innenhof offene Loggia, von der alle Räumlichkeiten zugänglich sind: Info- und Souvenirraum, Garderobe, Toilette und der Werkstattraum, in dem vor Jahrzehnten die Webmaschine ratterte. Die (jetzt ausgefüllten) Steinbögen auf der gegenüber liegenden Hofseite könnten die Reste eines verandaähnlichen Gebäudeteils sein. Vor der Loggia mit ihrem dekorativen braun-schwarzen Gebälk wurde eine quadratische Zisterne aufgemauert und an diese angelehnt führt eine überdachte Steintreppe auf die Veranda des oberen Stockwerks. Während im Erdgeschoß Steinsäulen die Veranda tragen, fallen im Obergeschoß kräftige Holzpfeiler ins Auge, die das weit ausladende, mit Ziegeln gedeckte Dach stützen. Hier oben liegen vier weitere Räume, darunter das Zimmer mit dem zur Straßenseite vorragenden „köşk“, alle ausgestattet mit teils nachempfundenen, teils original fränkischem und osmanischem Mobiliar und zeitgenössischem Dekor.

 


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