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Reiseführer Nordzypern

Dr. Fazil Kücük (1906-1984)

Vor gut einem Vierteljahrhundert, im Februar 1973, trat der über parteipolitische Grenzen hinweg geachtete und von der Mehrheit seiner Landsleute aufrichtig verehrte Führer der türkisch-zyprischenVolksgruppe von der politischen Bühne ab. Seit Fazil Kücük 1931 als fünfundzwanzigjähriger Student zum ersten Mal öffentlich gegen Honoratioren seiner Volksgruppe opponierte, die sich allzu bereitwillig Forderungen der englischen Administration beugten, setzte er alles daran, seine Landsleute durch Rat und Tat für die Auseinandersetzung mit dem oppressiven britischen Kolonialregime zu rüsten. Die seinerzeit grassierende griechisch-zyprische Propaganda für einen Anschluß an Griechenland ("Enosis") war die andere große Herausforderung, gegen die er den Widerstand seiner Volksgruppe mobilisierte.

An eine politische Karriere hatte Fazil Kücük anfänglich nicht gedacht. Sein Interesse galt der Medizin. Als Sohn wohlhabender Grundbesitzer am 14. März 1906 in Nicosia geboren, besuchte er in Zyperns Metropole und in Istanbul die Schule. In der Stadt am Bosporus absolvierte er anschließend ein Medizinstudium, das er in Lausanne fortsetzte und mit der Promotion zum Dr. med. abschloß. 1938 eröffnete Fazil Kücük in Nicosia seine eigene Praxis, die er trotz zunehmender Beanspruchung durch seine politische und journalistische Tätigkeit noch jahrelang weiterführte. In diesen Jahren setzte er sich entschieden für die Rückgabe der Evkaf aus den Händen der britischenKolonialverwaltung in die Verfügungsgewalt seiner Volksgruppe ein, denn für die Türken Zyperns war diese karitative, auf islamischem Recht fußende Stiftung die bedeutendste institutionelle Basis.Seine scharfen Angriffe auf das englische Kolonialregime veröffentlichte Kücük in der damals einzigen türkischen Tageszeitung Zyperns Söz ("Das Wort"). 1941 schuf er sich mit Halkin Sesi ("Die Stimme des Volkes") ein eigenes Sprachrohr. Als 1943 von englischer Seite der seit 1931 bestehende Bann über zahllose Bürgerrechte aufgehoben wurde, ließ sich Kücük in den nachfolgenden Kommunalwahlen in das Stadtparlament von Nicosia wählen. Doch er wollte mehr. Noch im gleichen Jahr wurde er Mitbegründer der "Vereinigung der Türkisch-Zyprischen Minderheit" (KATAK), die er im Jahr darauf verließ, um seine eigene Partei, die "Türkisch-Zyprische Nationale Volkspartei"(KTMHP) zu gründen. Er hatte jetzt ein schlagkräftiges Instrument zur Hand, mit dem er landesweit den Enosis-Bestrebungen entgegentrat und den Druck auf die Engländer sowohl in der Evkaf-Frage wie auch im Hinblick auf die generelle Benachteiligung seiner Landsleute durch die Kolonialmacht verstärkte.

Kücüks anhaltende Kritik an der "privilegierten Clique", wie er die englischen Führungszirkel nannte,brachte ihm nicht weniger als 47 Anzeigen und Verfahren ein ! Bei aller Mißbilligung der Praktiken einer nur zu oft ungeschickt und ungerecht agierenden britischen Kolonialverwaltung, waren die Türken Zyperns, Reformer wie Traditionalisten, entschieden für die Aufrechterhaltung des kolonialen Status der Insel. Was sie freilich von den Engländern verlangten - und dafür stritt Fazil Kücük - war eine spürbare nationale Aufwertung der türkisch-zyprischen Volksgruppe. 1946 gründete er die erstetürkische Gewerkschaft auf Zypern. 1955 änderte er den Namen seiner Partei in Kibris TürktürPartisi ("Zypern ist türkisch - Partei"). Halkin Sesi erschien in diesem Jahr erstmals auch in englischer Sprache und informierte bis 1958 die Außenwelt über die zyperntürkischen Belange, Meinungen und Stimmungen - ein notwendiger und kluger Schritt angesichts der einschneidenden Ereignisse, die sich für Zypern abzeichneten: die Entkolonialisierungswelle hatte die Insel erreicht, die Zukunft der englischen Besitzung stand zur Disposition, längst befaßten sich internationale Gremien mit dem Problem Zypern. 1958 erläuterte Fazil Kücük vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York den Standpunkt der Zyperntürken. Ihre Interessen vertrat er anschließend auf den Konferenzen von Zürich und London, wo die Weichen für die Gründung der Republik Zypern gestellt wurden. Als gewählter Vizepräsident der jungen Republik - ein Amt, das er nominell bis 1973 innehatte - führte er die Türken Zyperns nach dem Scheitern des Experiments eines Einheitsstaates mit zwei Volksteilen eines Staatsvolks durch die entbehrungsreichen, von Mißtrauen und Gewalt zwischen den Volksgruppen gezeichneten Jahre, bis 1973 Rauf Denktas, heute Präsident der Türkischen Republik Nordzypern, die Führung der zyperntürkischen Gemeinschaft übernahm. Die Entwicklung nach 1974 fand nicht seine ungeteilte Zustimmung. In Halkin Sesi prangerte er offen die Politik seines Nachfolgers an. Besonders die mit der Türkei abgesprochene Politik der forcierten Zuwanderung vonFestlandstürken mißfiel ihm. Schon von schwerer Krankheit gezeichnet, bekannte er am 15. November 1983, am Tage der Proklamation der Türkischen Republik Nordzypern, er fühle sich "wie neugeboren". Er versöhnte sich mit Rauf Denktas. Am 15. Januar 1984 starb Fazil Kücük im Alter von 78 Jahren im Londoner Westminster Hospital. Seine letzten Worte waren: "Gott erhalte und beschütze die türkischen Zyprer".

 


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