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Reiseführer Nordzypern

Kaleburnu

Viele Einwohner des Dorfes leben und arbeiten zeitweise in London und davon profitiert der Ort sichtlich. Er gilt als wohlhabend. In einem Reisebericht aus dem Jahre 1873 klang es noch ganz anders: „Kaleburnu kündigt sich schon als Türkendorf von weitem durch seine elenden verfallenen Lehmhäuser, die terrassenartig an den Berg angebaut sind, an“.

Jemand, der das Dorf erforscht hat, vergleicht seinen felsigen Unterbau mit Honigwaben, so durchlöchert von antiken Felskammergräbern zeige sich das weiße Kalkgestein. Star unter den rund hundert kleinen und großen Kammern ist die „Kastros“ genannte Höhle. Sie ist etwa 22 m lang, mißt vom Boden bis zur gewölbten Decke knapp 3 m und weist je drei vom Hauptgang abzweigende Seitenkammern von 8 x 3 m Grundfläche auf: Seit Menschengedenken Unterstand für Ziegen und Brutplatz für Schwalben, doch welche Aufgabe hatte sie in früherer Zeit? Grabanlage oder doch Fluchtburg? Historiker und Archäologen zögern mit einer Antwort.

Das Geheimnis des „Königshügels“

Seit langem weiß man von bronzezeitlichen Siedlungsspuren im Umfeld des Dorfes. So war es keine Übertreibung, wenn Besuchern Kaleburnus erzählt wurde, Dorfflur und Hügelland ringsum seien „praktisch übersät mit Relikten der Bronzezeit, geheimnisvollen Überbleibseln der Geschichte“. Im Sommer 2004 wurde es richtig spannend, als man auf dem Plateau eines nahen Hügels, den die Einheimischen „Kral Tepesi“ (Königshügel) nennen, auf einen wahren Schatz stieß. Spaziergängern war eine durch den Winterregen verschobene Felsplatte aufgefallen, unter der ein voluminöses, mit bronzenen Gegenständen gefülltes Tongefäß („pithos“) sichtbar wurde. Die Finder setzten sich umgehend mit dem „Department of Archaeology and Art History“ an der Eastern Mediterranean University (EMU) in Famagusta in Verbindung. Von hier aus wurde das staatliche „Department of Antiquities“ von dem Ereignis in Kenntnis gesetzt und schon am folgenden Tag waren Mitarbeiter beider Institutionen vor Ort – wo sie sich erst mal von ihrem freudigen Schrecken erholen mußten, denn es waren nicht weniger als 26 Geräte und Gefäße, der größte je in Zypern getätigte Fund spätbronzezeitlicher Metallobjekte, der vor ihnen ausgebreitet wurde.

Was war zu tun? Einer der EMU-Mitarbeiter, der deutsche Archäologe Uwe Müller, seit 2000 am Department in Famagusta als Lehrbeauftragter tätig, setzte sich mit seinem Kollegen Dr. phil. Martin Barthelheim (wiss. Mitarbeiter am Institut für Archäometrie der T.U. Bergakademie Freiberg, seit 2002 Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Bronzezeit bei den deutschen Altertumsverbänden) in Verbindung und er kontaktierte Dr. Ernst Pernicka, Professor für Archäometrie / Archäometallurgie an der Universität Tübingen.

Aus den Kontakten erwuchs eine enge Zusammenarbeit zwischen den Universitäten von Famagusta und Tübingen. Auch die Finanzierung des gemeinsam begründeten Grabungsprojekts (übrigens des ersten mit ausländischer Beteiligung nach 1974) konnte zumindest mittelfristig gesichert werden. Deutsche Experten und Studenten trafen ein und machten sich mit ihren nordzyprischen Kollegen Uwe Müller und Bülent Kizilduman nebst EMU-Studenten an die Arbeit. Diese erste planmäßige Kampagne während sechs heißer Wochen im Sommer 2005 brachte eine Reihe gesicherter Erkenntnisse und versetzte überdies das Grabungsteam in Hochstimmung, schienen doch einige seit Jahrzehnten ergebnislos diskutierte Fragen zur zyprischen Bronzezeit einer Klärung nahe.

Funde aus Kaleburnu (Nordzypern)
Die Funde aus Kaleburnu

Ehe wir uns diesen hochspekulativen Gedanken zuwenden, sollen hier kurz die Funde von 2004 vorgestellt werden. Es handelt sich um Gegenstände aus einem bronzezeitlichen Haushalt und solche, die in der Landwirtschaft gebräuchlich waren, darunter Räuchergefäße, Kessel, Krüge, Schüsseln, eine Säge, Sicheln, eine Kanne mit Deckel (s. Foto) und gedrechseltem Henkel, eine Kohlenschaufel mit kypro-minoischer Inschrift. Die Fundstücke aus der Zeit des Trojanischen Krieges (ca. 1200 v. Chr.) seien, so die spontane Behauptung aus Expertenmund, „unparalleled“ und „repercussions would be world-wide“.

Archäologenglück

Schon 2004 war man bei der ersten noch flüchtigen Geländebegehung auf Mauerreste gestoßen. 2005 wurden sie genauer unter die Lupe genommen. Dabei kamen die Ausgräber zu dem Schluß, es müsse sich um palastartige Gebäudestrukturen handeln, deren architektonische Gestaltung ohne Beispiel in Zypern und den anderen bronzezeitlichen Reichen am östlichen Mittelmeer sei. Ein repräsentativer Bau überdies, worauf winzige Reste von Fresken hindeuteten, die zum ersten Mal überhaupt in einem Gebäude aus jener Zeit in Zypern nachgewiesen werden konnten. Als dann noch Lagerräume entdeckt wurden, in denen 30 große Vorratsgefäße standen, verstärkte sich der Eindruck, auf dem Hügel nahe Kaleburnu bahne sich eine archäologische Sensation an. Dann fand man Mühlsteine und ungewöhnlich kleine Gewichte für Waagen, schließlich Spindeln und Webgewichte.

Fund aus Kaleburnu, Nordzypern

Selbst bei zurückhaltender Deutung der Fundstücke und Fundzusammenhänge, der Gebäudestrukturen, topographischer und geographischer Sachverhalte lässt sich schon ein anschauliches Bild der Siedlung entwerfen und so könnte sie ausgesehen haben: Auf dem Plateau des etwa 200 m hohen Hügels stand ein palastartiger Bau, der vermutlich nicht bewohnt war, vielmehr als hochspezialisierte Produktions- und Lagerstätte für Öle und Parfüme, Textilien und Teppiche diente. Die kostbaren Produkte waren für überseeische Handelspartner bestimmt. Das erscheint plausibel, gab es doch in der Späten Bronzezeit nachweislich eine Fülle wirtschaftlicher und politischer Kontakte zu den Hochkulturen der Levante.

Die Wohnquartiere der herrschenden Klasse befanden sich vermutlich auf der oberen Terrasse, die der anderen Bevölkerungsschichten auf den unteren und in der Ebene, wo sie in der Landwirtschaft eingesetzt waren und den Überschuß erwirtschafteten, der es der Elite erlaubte, sich auf dem internationalen Parkett zu versuchen.

Neuer Zündstoff für den „Alasia“-Streit?

Von Kaleburnu an die Südküste sind es gerade einmal 1,5 km – ein für bronzezeitliche Städte typisches Siedlungsmuster. Ort und Produktionsstätten waren leidlich sicher vor Piratenüberfällen, die nahe Küste ermöglichte den Warenaustausch auf dem Seewege. Dieser Umstand kennzeichnet auch die Lage von Enkomi, einer bedeutenden bronzezeitlichen Stadt, die weit über Zypern hinaus berühmt war für ihre Kupferverarbeitung und den regen Handel mit Kupferprodukten. In zeitgenössischen Dokumenten aus dem Ägypten der Pharaonen, dem kleinasiatischen Hethiter-Reich und Ugarit an der syrischen Küste ist in Bezug auf Zypern häufig von einem Ort „Alasia“ die Rede. Viele setzen „Alasia“ mit Enkomi gleich, doch die Historikergilde ist sich darin keineswegs einig. So kann es auch nicht verwundern, wenn das neu entdeckte bronzezeitliche Handelszentrum nahe Kaleburnu in das Nachdenken über die Identität von „Alasia“ mit einbezogen wird. Ein höchst unsicheres Terrain zwar und Archäologe Dr. Müller spricht selbst von „Spekulation“, aber: dass hier das vielzitierte „Alasia“ zu orten sei „is as good a guess as any“.

Es bleibt spannend in Kaleburnu. Die Arbeiten am Schreibtisch, in den Labors, auf dem Grabungsareal gehen weiter, mit Überraschungen darf gerechnet werden.

 


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