Feigenkaktus
Eigentlich ein Fremdling auf der Insel – seine Heimat ist Mexiko und das tropische Lateinamerika – stößt man doch allerorten auf seine wuchernden Stengelglieder. Sie können sich schnell in ein chaotisches Dickicht verwandeln, wenn sie als „lebender Zaun“ um Gärten und Obsthaine gepflanzt werden, was früher die Regel war, als aufwendige Steinmauern, Holz- oder Metallzäune für die meisten Grundstückseigner unerschwinglich waren.
Die Fähigkeit des Feigenkaktus, sich ungehemmt zu verbreiten (besonders in Australien und Südafrika geschah das) trug ihm den Beinamen „Unkraut-Opuntie“ ein, der man mit einer sehr erfolgreichen, rein biologischen Unkrautvernichtung zu Leibe rückte: Die Cochenille-Schildlaus, ein natürlicher „Feind“ des Feigenkaktus, und andere Insekten der Gattung „Dactylopius“ wurden in Marsch gesetzt und stellten das bedrohte ökologische Gleichgewicht wieder her.
„Opuntia ficus-indica“, so der wissenschaftliche Name dieser äußerst genügsamen Kakteenart, kann eine Höhe von 4 m erreichen. Ihr mit den Jahren verholzender kurzer Hauptstamm trägt eine Vielzahl ohrenförmiger Sproßglieder. Diese als Kladodien bezeichneten runden bis ovalen „Gliedmaßen“ des Feigenkaktus sind bis zu 40 cm lang, etwa 20 cm breit und 2 cm dick. Sie speichern das Wasser für die langen Trockenzeiten. Im Frühjahr sprießen an den Rändern der Glieder gelbe Blüten, aus denen im Laufe des Sommers die saftigen Beerenfrüchte hervorgehen. Die Sproßglieder sind mit büschelartig zusammenstehenden Blattdornen besetzt und auch die Früchte tragen auf ihrer glatten Oberfläche feine Dornen, die aus warzenartigen Erhebungen herauswachsen – und das erfordert vor dem Genuß des Fruchtfleischs einige Vorsichtsmaßnahmen. Die von den Engländern sinnigerweise „prickly pear“ genannte Frucht wird zwar vor dem Weg zum Händler schon grob abgebürstet, aber es verbleiben immer noch einige winzige Dornenhärchen mit Widerhaken, die sich beim Anfassen unter der Haut festsetzen und einen Juckreiz auslösen oder gar zu Entzündungen führen können. Deshalb sollte man die Früchte in jedem Fall mit Küchenhandschuhen oder einer Serviette anfassen. Und wenn es dann doch passiert ist: Träufeln Sie warmes Kerzenwachs auf die betroffene Stelle. Wenn es erkaltet und hart ist, das Wachs mit den Dornenhärchen abheben.
Ein erfrischender Sommergenuß
Ihre originelle Zweckentfremdung als undurchdringliche Hecke war natürlich nicht der Grund, den Feigenkaktus, den man auch Opuntie nennt, in der Alten Welt anzusiedeln, ihn von Mexiko über Madeira und die Kanarischen Inseln nach Südspanien zu verpflanzen und von dort in den gesamten Mittelmeerraum. Es war das saftige, erfrischende und angenehm säuerlich-süße Fruchtfleisch, das wie eine Mischung aus Birne und Melone schmeckt. Je nach Sorte erreichen die gelblich bis lachsfarbenen oder dunkelbraun bis roten Früchte eine Länge bis zu 10 cm und ein Gewicht zwischen 100 und 200 g. Wie aber ißt man die Kaktusfeige? Man kann sie der Länge nach halbieren und mit wenigen Zutaten (Zitronensaft oder Zimt, auch Ingwerpulver, Zucker oder Obstlikör) ihr Aroma verfeinern und dann auslöffeln. Oder man macht es wie die Mexikaner: Die Frucht wird auf eine Gabel gespießt, die Enden abgeschnitten, die Fruchthaut mit einem scharfen Messer bis ins Fleisch aufgeschlitzt und abgezogen. Die Früchte sollten immer gut gekühlt sein. Die kleinen schwarzen Samenkörnchen werden mitgegessen.
Während für viele arme Menschen Lateinamerikas die Kaktusfeige noch ein Grundnahrungsmittel ist (das „Brot der trockenen Gegenden“), bringt die von Nordzyperns Straßenhändlern auf ihren herkömmlichen dreirädrigen Karren angebotene „babutsa“ eine willkommene Abwechslung in das sommerliche Obstangebot der Insel. Süß oder pikant: Es gibt unzählige Arten der Zubereitung. In Scheiben geschnitten, wird die Frucht in einer Sauce aus Zitronensaft, Vanillezucker und Amaretto mariniert oder man bereitet einen Salat aus „babutsa“-Würfeln und anderen Obstsorten, würzt mit Zitronensaft, Zucker und Brandy und krönt das ganze mit Vanilleeis. Man kann die Frucht durch ein Sieb drücken und hält so die Samenkerne zurück, würzt dann den Fruchtbrei mit Honig und Zimt und serviert ihn zu Puddings, Süßspeisen und Obstkuchen. Lecker auch diese pikante Variante: Das Fruchtfleisch wird halbiert und gepfeffert und von Scampi und Mayonnaise begleitet. Zum Schluß noch ein herzhafter Salat. Dazu werden die gewürfelten Kaktusfeigen mit Grapefruitwürfeln und kleingeschnittenen Wild- oder Geflügelresten und einer zerkleinerten Senfgurke gemischt und mit Olivenöl, Weißweinessig, Salz, Pfeffer, Kräutern gewürzt und in Grapefruithälften serviert.