Famagusta, St. Georg der Griechen
Manche Chronisten deuten den ungewöhnlichen Bau als Resultat eines letztlich gescheiterten Versuchs, die Pracht und Ausstrahlung der benachbarten Nikolaus-Kathedrale übertreffen zu wollen. Man könne gar von einem architektonischen Wettstreit zwischen östlicher und westlicher Christenheit sprechen - orthodoxer Kirchenentwurf vs. gotische Baukunst. Dabei fühlte man sich durchaus nicht der „Lehre des reinen Stils“ verpflichtet. Die dominierende Gotik jener Epoche ist der Kirche ebenso anzusehen wie traditionelle byzantinische Bauvorstellungen. So entstand ein kühnes, höchst ungewöhnliches Bauwerk, das wie kein anderes gotische und byzantinische Architekturelemente in sich vereint.
Der Monumentalbau stammt vermutlich vom Ende des 14. Jahrhunderts. Mit
einer Länge von 39 m und einer Breite von 22 m zählt er zu den
größten orthodoxen Sakralbauten. Er war die „Metropolis“,
die Kathedrale des Bischofs der orthodoxen Gemeinde Famagustas, ein spiritueller
Gegenpol gegen die Glaubensrichtung der „fränkischen“
Fremdherrschaft und unübersehbares Zentrum des griechischen Viertels
im Süden Alt-Famagustas.
Kurzbeschreibung
Die problematische Mischbauweise sollte sich spätestens
bei der Belagerung durch die Osmanen (1571) als verhängnisvoll erweisen.
Spuren des Geschosshagels sieht man noch heute deutlich an der Apsiswand.
Andere Gebäudeteile überstanden die Einschläge nicht und
stürzten ein: die Nordwand und die Pfeiler, Gewölbe und die
Kuppel. Hauptursache war die mangelhafte Stabilität des Baus. Besonders
der Schub der Kuppel auf die Außenwände, die keine Strebepfeiler
verstärkten, war der entscheidende Schwachpunkt.
Der Grundriss entspricht etwa dem der Kirche St. Peter und Paul. Das Mittelschiff
umfasst fünf Raumabschnitte (Joche). Seine halbbogenförmig endende,
überkuppelte Apsis hat die gleiche Breite und ungewöhnlicherweise
auch die gleiche Höhe (nämlich bis zu den heute verschwundenen
Kreuzgewölben). Zwei Seitenschiffe mit ebenfalls halbbogenförmigen
Apsidialkapellen flankieren das Mittelschiff.
Kreuzgewölbe überdeckten das Hauptschiff und die Seitenschiffe,
getragen von Wandsäulen und zwei Reihen freistehender Säulen.
In die Wände der Seitenschiffe waren zahlreiche tiefe, mit Spitzbögen
gerahmte Nischen zur Aufnahme von Grabstätten eingelassen.
Die Westseite weist drei Portale auf mit noch erhaltenen Zierleisten und
Blattwerkdekoration. Über der Portalzone, etwa in Höhe der Seitenschiffdächer,
war eine Galerie angebracht, erreichbar über eine Wendeltreppe, die
in einem achteckigen Turm an der Südwestecke nach oben führte.
An das südliche Seitenschiff grenzt eine ältere, mit der Kirche
verbundene byzantinische Kapelle. In ihre Nord- und Südseite wurden
nachträglich Tore eingelassen, durch die man die St. Georgs-Kirche
wie durch einen Narthex betreten konnte.