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Reiseführer Nordzypern

Famagusta

Stadtbefestigung

 

„Den 1. Aprilis frühe kamen wir gen Famagusta /
ist eine feine Stadt / nicht groß / aber fest gebauet /
wird auch noch täglich befestigt . . .“
Christoph Fürer von Haimendorff, 1566

Famagustas imposante Wälle und Bastionen entstanden unter dem Regime venezianischer Statthalter Ende des 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Vor ihnen hatten Könige des Hauses Lusignan bereits im frühen 13. Jahrhundert erste Wehrbauten zum Schutze der Hafenstadt errichten lassen. Später gab König Henri II. den Anstoß zum Bau der Zitadelle und nach ihm waren es Hugues IV. und Pierre II., die bis zur Machtübernahme durch die Genuesen (1373) die Arbeit an den Verteidigungswerken forcierten. Während der Herrschaft Genuas (bis 1464) wurde die Stadtummauerung vollendet.
Für die „Serenissima“, die nach 1489 Zypern beherrschte, bedeutete der Besitz Famagustas einen entscheidenden Schritt zur totalen Kontrolle der levantinischen Handelswege und –märkte. Umso mehr musste sie der bedenkliche Zustand der Stadtbefestigung beunruhigen. Erdbeben und Kriege hatten sie demoliert und einem Angriff mit den neuen Pulvergeschützen, welche Venedigs Hauptgegner im östlichem Mittelmeer, die Osmanen, so meisterhaft beherrschte, würden sie schwerlich widerstehen.

Stadtbefestigung Famagusta, Nordzypern

Erneuerung

Ein rasch entworfenes Programm zur Instandsetzung und Modernisierung der heruntergekommenen Befestigungen begann 1492 mit der Umgestaltung der Zitadelle, 1496 entstand das Seetor, auch das heutige Landtor (Limassol-Tor) nahm Gestalt an. Doch es fehlte ein klares Konzept und von fachkundiger Überwachung konnte auch nicht die Rede sein. Der anfängliche Elan verebbte, die Arbeiten schleppten sich dahin zur Empörung der Bürger der Stadt, die einen Beschwerdebrief an den Senat in Venedig richteten. Hier hatte man inzwischen eine neue Gefahr ausgemacht: Spanien schien sich für einen Angriff auf Zypern zu rüsten. Und das brachte insofern eine Wende, als Famagustas Verteidigung jetzt zur „Chefsache“ prominenter Militärarchitekten in Venedigs Diensten erklärt wurde. Man diskutierte nun ausführlich fortschrittliche Festungsentwürfe, doch es war ein vielstimmiger und überdies zerstrittener Chor. So lässt sich nicht mit Gewissheit feststellen, welchen Anteil die zu Rate gezogenen Architekten am Verteidigungswerk im einzelnen hatten. Die Erweiterung und Verstärkung der Stadtmauern geht wahrscheinlich auf Cav. Orologi zurück. Andere Impulse kamen aus der Ideenschmiede der veroneser Architektenfamilie Sanmichele. Michele Sanmichele gilt als Schöpfer der pentagonalen Bastion, deren weiterentwickelte Form zum Vorbild der Martinengo-Bastion in Famagusta wurde.
Ins Werk gesetzt hat sie hier vermutlich sein Neffe Giovanni Girolamo Sanmichele, von dem bekannt ist, dass er 1557 nach Zypern beordert wurde, um mit Unterstützung seines Schwagers Luigi Brugnoli nach einem vorgefertigten Holzmodell die Befestigung von Famagusta voranzubringen. Er starb 1558 und wurde in der Nikolaus-Kathedrale (heute: Lala Mustafa Pascha-Moschee) beigesetzt.
Die bis dahin geleisteten Arbeiten fanden nicht den Beifall des großen Militärarchitekten Ascanio Savorgnano. In seiner Denkschrift an den Senat von Venedig listetet er 1562 zahllose Mängel auf und entwarf ein Gegenmodell, ein hochentwickeltes Verteidigungssystem, das freilich den vorhandenen Zeit- und Finanzrahmen sprengte.

„Die Stadt ist aber mit gewaltigen Basteien und Streichwehren verwahret,
und so weit sie im Lande lieget, mit einem starken, tiefen und von Stein
ausgehauenen, ausgefütterten Graben umgeben . . .“

Reinhold Lubenau, 1588

Wie Lubenau zeigten sich auch die Mächtigen in Famagusta beeindruckt. Man fühlte sich jetzt gut gewappnet. Die Stadtmauer hatte sichtbar an Stabilität gewonnen und erhielt an ihren drei Landseiten noch eine zusätzliche Hinterfütterung mit Erde, die sie wallartig verbreiterte. Zehn halbmondförmige Bastionen verstärkten ihre 3,5 km lange Front (Camposanto / türk. Halkali Tabia, Andruzzi / Su Burcu, Santa Napa / Altin Burcu, Diocare / Akim Mehmet Masgali, Moratto / Haci Celebi Masgali, Pulacazaro, San Luca / Alti Parmac, Del Mezzo / Sheit Tabia, Diamante / Karpaz Tabia, Signoria). An den neuralgischen Punkten des Hafens gaben die Zitadelle, das Seetor (Porta del Mare) und der Arsenal-Turm (Canbulat-Bastion) dem Verteidigungssystem zusätzlichen Schutz, auf der Landseite ergänzt von der stark befestigten Porta di Limisso (Limassol-, heute Land-Tor) und der Martinengo-Bastion.

Famagusta, Nordzypern

Kriegerisches aus vergangenen Zeiten vor dem Namik Kemal Museum



Auch eine Idee aus dem Hause Sanmichele war der Bau von neun „Kavalieren“. Das sind die Wälle überragende, mit langen Rampen versehene, steinverkleidete Erdplattformen für Geschützstellungen, welche auf diese Weise ihre Reichweite erhöhen konnten. Schließlich der schier unüberwindbare Einschnitt des bis zu 46 m breiten Wallgrabens, der in mühsamer Arbeit aus dem Tuffgestein herausgehauen worden war. Eigentlich sollte er geflutet werden, doch der Stichkanal zum Meer kam nicht mehr zustande. Auch in die Sicherung der Hafeneinfahrt war viel Arbeit und Geld investiert worden. Unerbetene Eindringlinge hatten keine Chance mehr.

 


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