Famagusta, Karaolos – das Camp
Wo heute im Schatten hoher Eukalyptusbäume multinationale Einheiten der UNFICYP über den Frieden auf Zypern wachen, war schon 1917 ein Militärcamp für die britische Armee eingerichtet worden. Ob bereits damals seine baldige Zweckentfremdung beschlossene Sache war, sei dahingestellt. Jedenfalls sah sich die britische Militärführung gegen Ende des 1. Weltkriegs vor das Problem gestellt, Tausende von türkischen Kriegsgefangenen in Lagern unterbringen zu müssen.
Kriegsgefangene
Zum besseren Verständnis: als Alliierter Deutschlands und Österreichs geriet das Osmanische Reich unter erheblichen militärischen Druck der Entente, wobei die Engländer vor allem die türkischen Besitzungen in der arabischen Welt ins Visier nahmen. 1917 fielen Bagdad und Jerusalem in britische Hand, auch am Suez-Kanal und im Hedschas (al Higaz / westliches Saudi-Arabien) siegten die Engländer. Die hier und auf anderen Schlachtfeldern wie den Dardanellen gemachten türkischen Kriegsgefangenen wurden nach Zypern verschifft und im Camp Karaolos festgehalten. Mindestens 2.000 sollen es nach türkischen Quellen gewesen sein. 33 Gräber auf dem neuen Friedhof von Famagusta, so heißt es dort, und die zahllosen dokumentierten Leidensgeschichten der Lagerinsassen gäben Auskunft über die unerträglichen Zustände im Gefangenenlager.
Flüchtlinge
Wesentlich besser erging es offenbar einer anderen Gruppe von Insassen, die Ende 1920 das Lager bezog. Es waren Angehörige der russischen Wrangel-Armee, benannt nach Baron von Wrangel, der im Bürgerkrieg 1920 die antibolschewistische „weiße“ Südarmee befehligte. Nach ihrer Niederlage gegen die Rote Armee setzten sich viele Zivilisten und Militärangehörige in westliche Länder ab, auch nach Südosteuropa und Istanbul. Die in Karaolos einquartierten Flüchtlinge, neben wenigen Zivilisten einige Hundert Offiziere und Mannschaften mit ihren Familien, waren von der Krim evakuiert worden. Sie blieben länger als ein Jahr im Lager. Einige ließen sich auf der Insel nieder. Für die meisten war Zypern aber nur Zwischenstation auf dem Weg in nahe oder ferne Aufnahmeländer.
Deportierte
Ganz andere Dimensionen erreichte dagegen „Operation
Igloo“, die von London im August 1946 in Szene gesetzt wurde. Sie
sollte illegal nach Palästina eingewanderte Juden notfalls mit Gewalt
nach Zypern abschieben und dort in Lagern, darunter Karaolos, internieren.
Die völlig überforderte englische Mandatsverwaltung hatte zunächst
in Palästina Auffanglager eingerichtet. Als immer mehr Flüchtlinge
unter meist dramatischen Umständen die palästinensische Küste
erreichten, waren die Lager bald überfüllt. London setzte auf
die zyprische Karte.
Mit Gewalt zerrte englisches Militär die erschöpften Ankömmlinge
von ihren rostigen Seelenverkäufern, trieb sie auf Deportationsschiffe
und verfrachtete sie in wenigen Stunden von Haifa nach Famagusta. Dort
fuhr man sie auf offenen Lastwagen in die Lager.
Die meisten von ihnen waren osteuropäische Juden, Überlebende
des Holocausts, die sich auf abenteuerlichen Wegen mit Unterstützung
jüdischer Hilfsorganisationen zur Mittelmeerküste durchgeschlagen
hatten. Hier, an bestimmten Sammelpunkten, sollte die letzte Etappe ihrer
aufreibenden Flucht beginnen, auf Schiffen, die ihre Helfer irgendwie
organisieren konnten, immer in der Furcht, von englischen Kriegsschiffen
aufgebracht zu werden. Anfänglich erreichten viele ihr Land der Verheißung
und tauchten für einige Zeit unter. Mit Anlaufen der „Operation
Igloo“ war jedoch der Weg ins Land versperrt. Mehr als 52.000 an
Palästinas Küste anlandende jüdische „Illegale“
mussten den Weg in die zyprischen Lager antreten.
Als am 15. Mai 1948 der Staat Israel ausgerufen wurde, endete dieses fragwürdige Kapitel britischer Nahostpolitik. Die Lager leerten sich. Die letzten Internierten verließen Zypern in Richtung Haifa im Januar 1949.