Agios Ioannis Chrysostomos-Kloster


Das alte Kloster kann nicht besucht werden. Es liegt unerreichbar in einem militärischen Sperrgebiet am Südhang des Beşparmak-Gebirges nahe dem Dorf Güngör (griech. Koutsovendis). Schon vor 1974 hatten sich hier Einheiten der griechisch-zyprischen Nationalgarde eingenistet. Nach dem jüngsten Zypernkrieg folgten ihnen türkische Truppen. Das mag Stirnrunzeln hervorrufen, birgt aber auch die Chance, dass der Gebäudekomplex gut instand gehalten wird, wie etwa das Kloster Acheiropoietos auf dem Gelände der antiken Stadt Lambousa an der Nordküste, wo auch zunächst zyperngriechisches Militär stationiert war und nach 1974 türkische Truppenverbände einrückten.

Chrysostomos, Nordzypern

Wenn man das Kloster über Güngör anzufahren versucht, endet der Vorstoß bald an geschlossenen Schranken. Ein Blick auf den noch recht weit entfernten klösterlichen Gebäudekomplex und selbst das heimlich geschossene Telephoto lassen im unklaren, wie es um das Kloster steht.

Eine Ortsbeschreibung kann also nur auf den nun schon dreißig oder auch vierzig Jahre zurückliegenden Berichten früherer Besucher fußen. Dazu kommen Forschungsveröffentlichungen und Aufzeichnungen über Restaurierungsarbeiten (zuletzt 1968/69 durch das amerikanische Dumbarton Oaks Centre for Byzantine Studies, das die Fresken reinigte), aus denen viel über die Bedeutung des Klosters zu erfahren ist.

Zwei Kirchen

Sie stehen Seite an Seite innerhalb der Umfriedung des Klosters – ein ungewöhnliches Bild. Beide stammen aus byzantinischer Zeit. Die dem Johannes Chrysostomos geweihte Kirche mit dem frei stehenden Glockenturm wird in das 11. Jahrhundert datiert. Ein gewisser Abt Georgios soll 1090 ihren Bau veranlaßt haben. Altersschwach wie sie war, stürzte sie Ende des 19. Jahrhunderts ein und wurde 1891 wenig fachgerecht erneuert. Die ursprünglich vorhandenen Fresken wurden „dem Verständnis des ausgehenden 19. Jahrhunderts folgend wiederhergestellt“ und sind daher „für immer zerstört“. Zum Glück konnte man die alte Apsis mit schönem Opus-Sectile-Fußboden in den Neubau inkorporieren. Seine geometrischen Muster aus häufig sechs- und fünfeckigen gelben Steinchen, eingefaßt von quadratischen Rahmen aus weißem prokonnesischem Marmor, hatte schon der ukrainische Mönch Bars`kyj bewundert, als er 1735 das Kloster besuchte. Erhalten blieb auch am westlichen Eingang ein marmorner Torrahmen mit einer kostbaren Holztür aus dem 16. Jahrhundert. Unter den erhaltenen jüngeren Ikonen stammt eine aus der Zeit um 1500. Sie zeigt Maria di Molino, eine adlige Dame aus Bayern, verheiratet mit dem auf Zypern stationierten Venezianer Philipp di Molino, und ihren Sohn Antonio. Vermutlich haben die Molinos dem Kloster großzügige Spenden zukommen lassen. Die noble Dame wurde mit zwei ihrer Bediensteten in der Kirche beigesetzt.

Der zweite Sakralbau, die Dreifaltigkeitskirche, schließt sich an der Nordseite an. Ihre Entstehung Anfang des 12. Jahrhundert geht auf eine Anweisung des damaligen Gouverneurs von Zypern, Eumathios Philokales, zurück. Es war die Zeit des großen byzantinischen Kaisers Alexios I. aus der Dynastie der Komnenen, die die Ausbreitung des Klosterwesens in allen Provinzen des Byzantinischen Reiches betrieb. Die reichliche Verwendung von Ziegelsteinen beim Bau der Dreifaltigkeitskirche verweist zumindest auf direkte Einflüsse aus Konstantinopel, wenn nicht gar auf die Bauausführung durch Experten aus der byzantinischen Metropole.

In jener Zeit entstanden auch die Kirchen Panagía Theotókos in Trikomo (türk. Iskele) und Panagía Phorviótissa von Asínou im nördlichen Troodos-Gebirge, deren Fresken aus den Jahren 1105/06 verblüffende Parallelen zu den zwischen 1110 und 1118 entstandenen der Dreifaltigkeitskirche aufweisen. Es gilt als sicher, dass die Meister der Freskenmalerei aus Konstantinopel kamen und wahrscheinlich auch ihre Schüler hier eingesetzt wurden. Ihr Werk repräsentiert Schlüsselelemente byzantinischer Kunst des frühen 12. Jahrhunderts auf Zypern.

Die Wandgemälde haben im Laufe der Zeit gelitten, keines ist ohne Schäden. Man erkennt den hl. Gregor, Erzbischof „ton Homeriton“, in der Fensterlaibung der Nordwestnische und den hl. Prokopios auf dem Rundbogen sowie die Bilder des Arkadios und Xenophon in der Lünette (dem Bogenfeld) über dem Fenster. In der nördlichen zentralen Nische haben Reste der Kreuzigungsszene überlebt und im südlichen Gegenüber ein Fragment der Anastasis, der Auferstehung Jesu, mit Abbildungen des Salomon, David und Johannes des Täufers. Das Bildnis des hl. Paul in der Südwestnische zeigt bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem des hl. Hilarion in Asinou und das von Gregor dem Wunderwirker mit Ephraim dem Syrer ebendort. Große Übereinstimmungen gibt es zwischen den Gesichtern der Apostel in der Ausgießung des heiligen Geistes und der Himmelfahrt (Asinou) und denen, die man hier in Mariens Himmelfahrtsszene sehen kann.

Agios Ioannis o Chrysostomos

Kein zyprischer Ort ohne Gründungsmythen! Hier erzählt man sich die Geschichte von einer Königin und ihrem Lieblingshund, die beide an einer Hautkrankheit litten. Der Hund stieg immer wieder in ein nahes Tal hinab, blieb dort einige Zeit, kam zurück und von Tag zu Tag besserte sich seine Gesundheit. Darauf schickte die Königin Vertraute los, den Hund zu beobachten. Sie berichteten, er verbringe lange Zeit im Wasser einer Quelle. Auch die Königin versuchte nun dort Linderung zu erhalten und so geschah es. Beide wurden gesund und um Gott ihre Dankbarkeit zu zeigen, ließ die Königin das Kloster errichten. Die Wunder vollbringende Quelle übrigens liegt einige hundert Meter östlich des Klosters. Sie ist eine der unzähligen heiligen Quellen (Agiasma) Zyperns.

1152, so ist glaubhaft überliefert, begann der große zyprische Heilige Neophytos hier als achtzehnjähriger Laienbruder seinen klösterlichen Lebensweg. Es heißt, Armenier hätten zeitweise im 16. Jahrhundert das Kloster genutzt, 1683 zählte der flämische Reisende Cornelis van Bruyn einen Abt, drei Priester und elf Mönche, 1806 lebten hier nur noch drei Mönche, dagegen sah man in einem Bericht aus dem Jahre 1892 „ihre Zahl jetzt wieder etwas zunehmen“ und: „das Kloster ist eines der wenigen auf Cypern, welche nicht im Verfall begriffen sind“. Es gehört übrigens zum Orthodoxen Patriarchat von Jerusalem und ist daher von der Zyprischen Kirche völlig unabhängig.

Die klösterliche Anlage ist dem Heiligen, Patriarchen und Kirchenvater Johannes Chrysostomos geweiht. Er stammte aus Antiochia, war Eremit und Asket. Auf Befehl des oströmischen Kaisers Arkadios wurde er nach Konstantinopel entführt und dort zum Bischof geweiht. Eine gewaltsame Rangerhöhung, wenn man so will, deren Hintergrund sein Ruhm als eloquenter Prediger (Chrysostomos = Goldmund) war. Sein Reformeifer, seine Unabhängigkeit, sein rastloser Einsatz erregten aber zunehmend die Mißgunst der Mächtigen in Konstantinopel. Er starb mit nur 57 Jahren auf dem Weg in die Verbannung.

Im November 2004 geriet der Heilige aus dem 4. Jahrhundert in die Schlagzeilen, als Papst Johannes Paul II. einer Bitte des orthodoxen ökumenischen Patriarchen Bartholomäos I. entsprach und die Reliquien des Johannes Chrysostomos und des Gregor von Nazianz an die griechisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft zurückgab – als einen Beitrag zur Minderung der Trennung der Christenheit. Die sterblichen Überreste des Chrysostomos waren 1204 in Konstantinopel in die Hände der Kreuzfahrer gefallen, die des Gregor vermutlich im 8. Jahrhundert vor den Bilderstürmern in Sicherheit gebracht worden. Am Tage des orthodoxen Hochfests des heiligen Andreas (30. November) nahmen die Reliquien der in West und Ost, bei Katholiken wie Orthodoxen, hoch verehrten Heiligen ihren endgültigen Ruheplatz in der Sankt Georgs-Kirche von Istanbul ein.





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