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Reiseführer Nordzypern

Nikos Sampson (1935-2001)

In den dramatischen Juliwochen des Jahres 1974 geriet mit Nikos Sampson ein Polithasardeur in die Schlagzeilen der Weltpresse. Seine plötzliche Publizität verdankte er den putschenden Offizieren der Nationalgarde, die ihn zum Präsidenten der Republik Zypern ausgerufen hatten. Es hat etwas atemberaubendes, seinen Weg vom eingestandenen Killer und suspekten Parteipolitiker an die Spitze eines von inneren Wirren zerrütteten Kleinstaates zu verfolgen, der obendrein -es war die Zeit des Kalten Krieges- in den strategischen Planspielen der verfeindeten Supermächte eine feste Größe war. So sahen besorgte Beobachter der zyprischen Szene nach der Amtsübergabe an den unberechenbaren Sampson schon die Gefahr eines großen Krieges heraufziehen. "Emotional instabil und bar jedes administrativen Talents", so ein Zeitzeuge, ließ der Präsident während seiner acht-Tage-Herrschaft dem Chaos freien Lauf. Freilich war Sampson nie mehr als eine Strohpuppe der Putschisten und ihrer Hintermänner in Athen. So trifft ihn kaum die Hauptverantwortung für das Geschehen in den heißen Julitagen, das noch heute vielen als ein Albtraum erscheint, nicht zuletzt deshalb, weil es lange ein Tabuthema blieb und eine rückhaltlose Aufklärung dieser innerhellenischen Tragödie noch immer aussteht.

Nach dem erzwungenen Rücktritt seines Mentors, des Athener Junta-Chefs Ioannides, verliert Sampson den Rückhalt und gibt unter Druck auf. 1976 wird er verhaftet und wegen "Schädigung der nationalen Interessen Zyperns" zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt. Überraschend wird ihm 1979 Haftverschonung zur "medizinischen Behandlung" im Ausland gewährt. Als 55jähriger kehrt er 1990 aus seinem komfortablen Exil in Paris nach Zypern zurück.

Nikolaos Georgiades war gerade zwanzig und Bildreporter der "Times of Cyprus", als er sich 1955 unter dem großspurigen Decknamen "Sampson" der griech.-zypr. Guerillaorganisation EOKA anschloß. Die von Georgios Grivas straff geführten Untergrundkämpfer hatten sich zum Ziel gesetzt, die britische Kolonialherrschaft mit Gewalt zu beseitigen und auf diese Weise der "Enosis", der Vereinigung Zyperns mit Griechenland, den Weg zu ebnen. Daß Sampson verbrecherische Aktivitäten mit seinem Beruf als Pressefotograf verband, blieb nicht lange unentdeckt. Immer wieder war er als erster zur Stelle, wenn tödliche Schüsse auf englische Soldaten oder Zivilisten gefallen waren. Seiner Urheberschaft für die mörderischen Umtriebe in den Straßen Nikosias rühmte er sich später ganz offen. 1956 wurde er verhaftet und wegen unerlaubten Waffenbesitzes zum Tode verurteilt, später zu lebenslanger Haft begnadigt und 1960 im Rahmen einer allgemeinen Amnestie freigelassen. Noch im gleichen Jahr gründete er mit einem Darlehen des orthodoxen Kykko-Klosters die rechtsextreme Zeitung "Machi" ("Kampf"), worin er ungeniert über seine Todesschüsse auf Engländer berichtete und wie er als Anführer eines Hinrichtungskommandos auf Weisung des EOKA-Chefs Grivas auch griech.-zypr. "Verräter" liquidieren ließ.

Die Verwirklichung der Enosis blieb Sampsons fanatisch verfolgtes Lebensziel. Nach dem Abzug der Engländer und dem angstvollen Verstummen der Anschlußgegner unter den Griechen Zyperns, blieben noch seine türkischen Landsleute als entschiedene Gegner einer "großhellenischen" Lösung. Seine Drohung, die Insel notfalls "türkenfrei" zu machen, war in dieser Phase wachsender Spannungen zwischen den Volksgruppen ernst zu nehmen. Die türkisch-zyprischen Bewohner des Nicosia-Vorortes Omorphita (türk. Kücük Kaimakli) mußten denn auch am eigenen Leib erfahren, daß die Insel zum unbeschränkten Aktionsfeld rabiater Privatarmeen verkommen war, wie jenen rund 300 "Grünmützen" des Nikos Sampson, die ihre Blutspur durch Omorphita zogen. Das geschah zur Jahreswende 1963/64. Im August 1964 berannten Nationalgardisten, unterstützt von Sampsons inzwischen auf 600 Mann angewachsener paramilitärischer Truppe und den 2000 "Rotmützen" des Vassos Lyssarides, seinerzeit Leibarzt von Präsident Makarios, heute Chef der Sozialistischen Partei EDEK, den kleinen Hafenort Kokkina (türk. Erenköy), über den der Nachschub für die türkischen Zyprer im unerklärten Bürgerkrieg lief.

"Türkenfresser" (tourkofagos) Sampson, auch "Schlächter von Omorphita" genannt, was ihn ebensowenig störte, gründete 1969 die "Fortschrittspartei", ein bizarres Sammelsurium ehemaliger EOKA-Mitglieder und von ihrer Partei AKEL enttäuschter Kommunisten. Mit dem Slogan "Tod den Türken" zieht er 1970 als Abgeordneter in das zyprische Repräsentantenhaus ein. Im Jahr daraufkehrt sein 1967 von der Insel verbannter alter Kampfgefährte aus EOKA-Zeiten, Grivas, nach Zypern zurück. Sampson tritt seiner neu gegründeten Terrororganisation EOKA-B bei. Beide, Sampson und Grivas, sehen sich nach dem "Verrat" ihres früheren Verbündeten Makarios als standhafte Verteidiger des großhellenischen Gedankens - der aussichtslose Kampf für die Enosis geht in eine neue Runde. Seine hehre Rolle als Kämpfer für die Einheit der Hellenen bewahrt Sampson freilich nicht vor Rückfällen in seine berüchtigten Halbweltallüren: nur zu gerne fuchtelt er mit Maschinenpistolen in der Öffentlichkeit herum, verstrickt sich in Wettskandale bei Pferderennen (seinem Hobby), beschafft durch Drohungen Anzeigen für sein Kampfblatt "Machi".

Die -wie berichtet wird- in einem "Zustand beträchtlicher Euphorie" von Sampson anläßlich einer Geburtstagsparty Anfang Mai `74 gemachte Ankündigung, er werde Zypern von Erzbischof Makarios befreien und die Inselrepublik mit Griechenland vereinen, zählt zu den irritierenden Vorkommnissen dieses ereignisreichen Sommers. War es Größenwahn? Oder war er in die Putschpläne eingeweiht? Nikos Sampson jedenfalls avancierte am 15. Juli zum Präsidenten Zyperns - eingeschworen auf die Putschisten. Wie es dazu kam, darüber hat er höchst widersprüchliche Angaben gemacht. In einem SPIEGEL-Interview (in Nr. 31/1974), dem einzigen, das er während seiner Amtszeit gab, erzählt er von seinem Streit mit Makarios, den er so beendet haben will: "Da wurde ich wütend und schrie ihn an: O.K., das sagst du, jetzt hör zu, was ich dir zu sagen habe: ich werde hier auf deinem Stuhl sitzen und das bald! - An dem Tag begann ich, den Putsch vorzubereiten." Sechs Tage später -Sampson war bereits abgesetzt- erzählte er einem amerikanischen Korrespondenten, er habe von den Putschplänen nichts gewußt: "Sie schafften mich zum Hauptquartier der Nationalgarde und befahlen: Du wirst Präsident! Ich: Nein! Sie bestanden darauf. Um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, akzeptierte ich". Zum Zeitpunkt dieses Interviews war er bereits dabei, seine Legende zu entwerfen - als jemand, der noch Schlimmeres verhinderte, auch als Opfer, denn er und Ioannides seien die "Leidtragenden der antigriechischen Absichten von Angloamerikanern und Russen und ihrer Agenten in Zypern und Griechenland." In "Machi" war zu lesen: "Ich erkläre hiermit feierlich, daß, wäre ich nicht zum Rücktritt gezwungen worden, Zypern nicht in die Klauen Ankaras gefallen wäre." Es nutzte ihm nichts, er wurde verurteilt.

Als Nikos Sampson 1990 freiwillig aus dem Exil zurückkehrte, steckte man ihn vorübergehend ins Gefängnis. 1992 begnadigte ihn Präsident Vassiliou. Es war wie damals 1960, als er unter das Amnestiegesetz fiel und anschließend "Machi" herausbrachte: kaum freigelassen, gründete er "Machi" neu. Er tritt nicht mehr so provozierend auf: "The old days are over." Doch die Türken bleiben im Visier seines "Kampf"blattes und er hat neue Feinde entdeckt: die Israelis. Sie bezichtigt er, vor dem Hintergrund ihrer engen militärischen Zusammenarbeit mit der Türkei Spionageflüge im griech.-zypr. Luftraum zu absolvieren und die gewonnenen Informationen den Türken zuzuspielen. Sampson, dem ohnehin antisemitische Neigungen nachgesagt werden, erscheint eine neue Verschwörung am Horizont . . .
Seine für Zypern unheilvollen Umtriebe fanden ein jähes Ende, als er im Frühsommer 2001 verstarb.

 


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