Salamis-Aquädukt
Merkwürdigerweise wird dieses erstaunliche Bauwerk erstmalig im späten Mittelalter erwähnt. Damals (1394) hielt der italienische Reisende Nicholas Martoni in seinem Tagebuch fest: „In das Wasserreservoir (in Salamis) fließt ständig Wasser, das von einem Berg durch eine auf Säulen und Bögen ruhende Leitung herangeführt wird.“ Kein Autor, kein Reisender hatte je zuvor über den Aquädukt berichtet, obwohl er, wie Inschriften belegen, bereits im 6. Jahrhundert existierte. Aber schon bei der Deutung der Inschriften beginnt der Streit: Erzählen sie von der Grundsteinlegung oder nur von späteren Erweiterungen oder Reparaturen? Eine Inschrift erwähnt Byzanz` Kaiser Herakleios, der anlässlich seines Besuches in Salamis (610) die Errichtung von sieben Bögen des Aquädukts veranlassen ließ.
Die Kontroverse über das Alter des Bauwerks zieht sich seit Jahrzehnten hin, ohne neue Erkenntnisse zu gewinnen. Ein Kompromiss, der alle Deutungen berücksichtigt, aber längst nicht alle Ungereimtheiten beseitigt, wird in jüngster Zeit favorisiert: Danach muss es schon in römischer Zeit allein auf Grund der hohen Einwohnerzahl von Salamis eine externe Wasserversorgung gegeben haben. In frühbyzantinischer Zeit sei die Wasserzufuhr durch Massivbauten verbessert und erweitert worden.
Streckenführung
Von Salamis sind es etwa 40 km Luftlinie bis zur Quelle, die das Leitungssystem speiste. Die „Kephalovrýsi“ (= Hauptquelle) genannte Schüttung lag nördlich von Kythréa (türk.: Degirmenlik) in 264 m Höhe am Südhang des Besparmak-Gebirges. Wo die einstige Wasserfassung genau lag, ist nicht bekannt. Vielleicht steht eine im Gelände ausgegrabene Bronzestatue des römischen Kaisers Septimius Severus (reg. 193-211) in einer bestimmten Beziehung zu einem Umbau oder einer Restaurierung der Quellfassung (Nymphaeum?).
Man nimmt an, dass die Wasserleitung über lange Strecken als erdüberdeckter Kanal geführt wurde. Das würde auch das Fehlen jeglicher Spuren in dieser intensiv landwirtschaftlich genutzten Gegend erklären. Eine weitgehend gestreckte Linienführung war auf Grund der nur schwach ausgeprägten topographischen Gliederung des Geländes wahrscheinlich.
Sichtbar wird der Aquädukt südlich des Dorfes Yenibogazici nordwestlich von Salamis, wo Reste der über eine Bogenreihe geführten Wasserleitung zu besichtigen sind. Von hier reicht eine Spur von Trümmern und Pfeilerresten bis an den Stadtrand des antiken Salamis. Über den weiteren Verlauf gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Vermutlich wurde der Wasserzulauf in zwei Äste geteilt, von denen einer das Zentrum großen Wasserbedarfs (Gymnasium mit Bädern und Latrinen) versorgte, der andere das große Reservoir am Forum bediente. Der erste (ältere) Ast wurde wahrscheinlich in einer trogartigen Vertiefung auf der alten Stadtmauer in einem weiten Bogen zum Gymnasium geleitet, während der zweite Ast in gleicher Weise über die jüngere Stadtmauer geführt wurde.
Der Aquädukt
Eine Stadt von der Größe Salamis` zuverlässig mit Wasser
zu versorgen, setzte eine Quelle mit einer kontinuierlichen Schüttung
von mindestens 120 l pro Sekunde (= über 10 Mio. l pro Tag) voraus.
Nur „Kephalovrýsi“, Zyperns stärkste Quelle,
war dazu in der Lage. Ihr Ausstoß lag je nach Jahreszeit zwischen
13 und 20 Mio. l täglich. Ein minimales Gefälle der Wasserleitung
von wenigen Promille zwischen dem vermuteten Einspeisungsort in 160
m Höhe und dem Zielort Salamis (10 m über NN) wurde über
mindestens 40 km eingehalten und stellt eine ingenieurtechnische Bravourleistung
dar.
Die südlich von Yenibogazici erhalten gebliebene Bogenreihe des
Aquädukts gibt weitere technische Details preis. Sie erreicht
eine Höhe von 9 m. Pfeiler und Bögen wurden aus Kalksteinblöcken
errichtet. Die Hohlräume füllt „opus caementitium“ (Bruchsteinbeton).
Zwischen den Pfeilern (Abstand: 5,30 m) öffnen sich Spitzbögen,
die eine ausgekleidete, ursprünglich mit Steinplatten abgedeckte
Rinne von 80 x 80 cm tragen.