Zwischen Reichtum und Elend: das byzantinische Zypern
Nach der Rückkehr in den Schoß von Byzanz (965) ordnete die Metropole mit harter Hand die inneren Angelegenheiten Zyperns neu. Gouverneursposten und selbst führende Ränge der Kirchenhierarchie ließ sie mit Angehörigen hauptstädtischer Aristokratengeschlechter besetzen. Eine dünne Schicht zugewanderter, einflussreicher Familien hielt schließlich auf der Insel die Fäden in der Hand. Eine Entwicklung voller Widersprüche, von zeitgenössischen Chronisten bitter beklagt, nahm ihren Lauf.
Rebellion
Landwirtschaft, Handwerk und Handel erholten sich rasch von der Stagnation während des byzantinisch-arabischen Kondominiums und schufen die Grundlagen für eine anhaltende Wirtschaftsblüte. Neben den neuen Reichen waren es deren Nutznießer und Verbündete in der Justiz und Finanzbürokratie, im Verwaltungsapparat und höheren Klerus, die in Zypern die Oberhand hatten. Es existiere "eine konspirative Zusammenarbeit zwischen allen Teilen der herrschenden Klasse zum eigenen Nutzen, indem sie die Menschen unterdrücken", musste Nicholas Mouzalon feststellen und trat im Jahre 1110 von seinem Amt als zyprischer Erzbischof zurück. Opfer war das verarmte Landvolk, dem eine strangulierende Steuerlast auferlegt war. Unter den Bauern und den Armen der Städte brodelte es. Als Gouverneur Theophilos Erotikos 1042 aus freilich eigennützigen Motiven gegen die Zentralgewalt revoltierte, schlossen sich ihm die Verzweifelten eine Zeitlang an. Der Aufruhr brach zusammen.
Archäologisches Museum im Barnabas-Kloster:
Teller und Schüsseln aus byzantinischer Zeit (4. - 12. Jh.)
1092 meuterte Gouverneur Rapsomates. Auch er dachte an ein Zypern
unter seiner Führung und auch ihm liefen die Bauern zu. Sein Aufstand
war für Byzanz ungleich gefährlicher als der dilettantische
Putschversuch des Erotikos, hatte sich doch Rapsomates mit dem byzantinischen
Statthalter von Kreta und dem selçukischen Emir von Smyrna verbündet.
Den drohenden Flächenbrand konnte Byzanz gerade noch abwenden.
Allerdings machten die Vorgänge auf Zypern deutlich, dass die
Auflösungserscheinungen der staatlichen Ordnung nun auch die Peripherie
des Reiches erreicht hatten. Auslöser für die Erosion des
Staates von Byzanz waren die Machenschaften des von seinen Eigeninteressen
getriebenen Landadels und einer sich zunehmend verselbständigenden
Militäraristokratie.
Wirtschaftliche Blüte . . .
Als die Kreuzzugsbewegung Ende des 11. Jahrhunderts im syrisch-palästinensischen Raum christliche Kleinstaaten gründete, konnte Zypern mit seinen beträchtlichen Ressourcen einen Großteil des Bedarfs an Lebensmitteln und Ausrüstungen der instabilen Fürstentümer decken. Neben dem überaus profitablen Geschäft mit den Kreuzfahrerstaaten entwickelte sich die Insel auch immer mehr zu einem bedeutenden Umschlagplatz für hochwertige Waren, zu einem Magneten für Kaufleute und Reeder, Glücksritter und Flüchtlinge. Ein Netz dichter Handelsrouten verband Zyperns Häfen mit den wichtigen Seestädten des östlichen und westlichen Mittelmeers. Überseehandel wurde zur wichtigsten Quelle des zyprischen Reichtums.
Die Burg von St. Hilarion: Reste der byzantinischen Klosterkirche
Längst existierten Handelsniederlassungen der Venezianer und Genuesen.
Kaufleute aus Amalfi hatten sich angesiedelt und jüdische Händler
Unternehmen gegründet. Auch Armenier betätigten sich im Großhandel
und selbst einige Türken lebten seinerzeit schon auf Zypern, dazu
kamen Araber, Kopten aus Ägypten und zahllose Angehörige
christlicher Religionsgemeinschaften des Nahen Ostens wie Maroniten,
Nestorianer, Jakobiten. Pilger aus allen Teilen des Abendlandes machten
auf der Insel Station. Sie alle gaben der Inselgesellschaft ihre so
oft gerühmte Weltläufigkeit.
. . . und die Kehrseite
Das Elend der unmäßig besteuerten und rechtlos gehaltenen Landbevölkerung hielt an. Und eine Besserung war nicht in Sicht, zumal sich auch der Klerus, der sich gerne als soziales Gewissen ausgab, auf die Seite der Mächtigen geschlagen hatte. Viele suchten ihr Heil in der Flucht. Doch die Administration schob dem für sie bedrohlichen Exodus einen Riegel vor und schloss die Häfen, wie der byzantinische Chronist Konstantin Manasses nach seinem Besuch 1161/62 in seiner "Weltchronik" festhielt:
"... eine undurchdringliche Festung, ein eiserner Wall, ein steinerner Käfig, eine dunkle Unterwelt, kein Entkommen zulassend, kein Weg, der hinausführte, ein stummes Land."
Dem Schutz der Insel diente eine bunt zusammengewürfelte Soldateska von zweifelhaftem militärischem Wert. Armenische Söldner zählten dazu, zyprische Freiwillige und sog. Turkopolen, getaufte Türken. Dass Zypern trotz seiner strategischen und wirtschaftlichen Bedeutung nur über eine unzureichende Verteidigung verfügte, hatte sich schnell in den Lagern christlicher und muslimischer Freibeuter herumgesprochen. 1156 brach mit dem Überfall des Renaud (Rainald) de Châtillon, Herr über die Burg Kerak am Südende des Toten Meeres, und seines Kumpanen Fürst Thoros II. von Kleinarmenien (Kilikien), eine bedrückende Epoche der Gewalt über Zypern herein. 1158 attackierte die ägyptische Flotte die Insel und 1161 war es Raymond (Raimund) III. von Tripolis, der über Zypern herfiel, gefolgt von arabischen Angriffen in den frühen siebziger Jahren. 1170 erschütterte ein Erdbeben die Insel, 1174/75 breitete sich die Pest aus, der sich eine Dürreperiode anschloss und wie ein Vorbote des nahenden Weltuntergangs erschien den verstörten Zyprern die Sonnenfinsternis von 1176.
In der Burg von Girne: In der byzantinischen Kreuzkuppelkirche des hl. Georg
Dass der Alptraum noch steigerungsfähig war, sollte während des brutalen Regimes des Isaak Doukas Komnenos offenbar werden. Der Großneffe des byzantinischen Kaisers Manuel I. Komnenos war 1184 in Zypern aufgetaucht, hatte sich mit Hilfe gefälschter Dokumente als neuer Gouverneur ausgegeben, die Insel für unabhängig erklärt und sich 1185 von einem eigens ernannten Patriarchen zum Kaiser krönen lassen.
Der wohl berühmteste Asket unter den Heiligen Zyperns, Neophytos,
der aus seiner Einsiedelei oberhalb von Paphos die Umtriebe des Tyrannen
beobachtete, schrieb über ihn: "Er verwüstete das Land, raubte
den Wohlhabenden das Geld .Tag für Tag unterdrückte er sie.alle
lebten in großer Furcht und Trübsal und suchten nach Wegen,
sich gegen ihn zu schützen." Und der byzantinische Historiker
Niketas Choniates (ca. 1150-1217) hielt in seiner "Zeitgeschichte"
fest: "Er raubte einst blühenden Familien all` ihre Habe und jene,
die noch gestern und vorgestern wegen ihres Reichtums bewundert wurden,
brachte er an den Bettelstab, stürzte sie in Hunger und Elend.
Und ebenso viele gab es, die der blindwütige Lump mit seinem
Schwert niederstreckte".
Erst eine Intervention von außen beendete die Schreckensherrschaft
des selbsternannten Kaisers und gab dem Geschehen in und um Zypern
eine neue Richtung.