Besparmak-Gebirge
Erdbeerbaum und Orchideen . . .
Hänge und Kammlagen des Besparmak-Gebirges tragen ein für den östlichen Mittelmeerraum erfreulich dichtes Pflanzenkleid. Lichte, fast parkartige Wälder, die eine rasche nächtliche Ausstrahlung und die überlebenswichtige Taubildung begünstigen, wechseln mit Niederwald- und Strauchgesellschaften (Macchie) und Garigue-Zonen (Zwergstrauchformationen). Diese vergleichsweise üppige Vegetation sucht man an bestimmten Abschnitten der Besparmak-Südseite vergebens. Hier haben geologische Strukturen und widrige Klimabedingungen eine trocken-kahle, zerschluchtete Erosionslandschaft entstehen lassen. Kammregion, Nordhänge und nördliches Vorland erfreuen sich dagegen einer klimatischen Gunstlage: durch zyklonale West- und Nordwestwinde herangeführte niederschlagsträchtige Wolkenmassen stauen sich vor der wie eine Barriere wirkenden Gebirgskette. Niedrigere Durchschnittstemperaturen und größere Niederschlagsmengen sind die Folge. Zudem machen die zahllosen Klüfte und Spalten in den Marmoren und Kalkbreccien den Fels zu einem ergiebigen Wasserspeicher, der zahllose Quellen speist.
Knabenkraut
(links) und Zistrosen (rechts)
Schon vor Jahrhunderten haben Reisende diesen Landstrich gepriesen, ihn einen der "gesegnetsten Teile Cyperns", "einen einzigen Fruchtgarten" genannt, ihn gar zu einer der "seligsten Oasen in der Wüste" erklärt. Wie gefährdet diese Naturlandschaft ist, offenbarte sich im Juni 1995, als ein Waldbrand außer Kontrolle geriet und großen Schaden anrichtete. Seine Spuren sind noch heute unübersehbar. Jahrzehnte werden ins Land gehen, bis die Aufforstungen wieder die gewohnte Vegetationsdichte erreichen.
Die Wälder der zentralen Nordkette bestehen überwiegend
aus Aleppo-Kiefern (Pinus halepensis, var. brutia), häufig gemischt
mit Zypressen der Unterart "horizontalis Aiton" mit waagerecht
ausgebreiteten Ästen. Aber auch die "klassische" Säulenform
der Zypresse mit aufrechten Ästen (Unterart "sempervirens")
ist anzutreffen. An den flachen westlichen und östlichen Enden
der Gebirgskette wird Pinus brutia seltener, dafür dominieren
Phönizischer Wacholder und Mastixstrauch, Johannisbrot- und Olivenbaum
gesellen sich dazu. Der Unterwuchs des Hochwaldes weist eine erstaunliche
Vielfalt an immergrünen Hartlaub- und Dornbuschgewächsen
auf. Häufige Vertreter sind der rotborkige Östliche Erdbeerbaum
und die Terpentin-Pistazie.
Auch Myrte, Styraxbaum und Lorbeerbaum, die stachelblättrige Kermes-Eiche und die Steinlinde sind weit verbreitet. Behaarter Dornginster und andere Rhamnaceen (Dorngewächse) zeigen den Übergang von der Macchie in die Gariguezone an, die nur noch Pflanzen von ca. einem Meter Wuchshöhe und darunter hervorbringt. Hier stößt man auf die charakteristischen Kugelbüsche von Dornbusch-Wolfsmilch, Thymian und Dorniger Bibernelle, auf den Schopf-Lavendel und das gelbblühende, endemische Zyprische Sonnenröschen und vielerorts leuchten weiß, blassrosa oder in kräftigen Pinktönen die knittrigen Blüten der großen Zistrosenfamilie.
Blick von St. Hilarion nach Osten über das Besparmak-Gebirge
Und wenn das Glück mit dem Wanderer ist, trifft er im Umfeld der Burg St. Hilarion auf die seltenste der siebzehn endemischen Pflanzen Nordzyperns, den versteckt blühenden Ritterspornabkömmling Delphinium caseyi. Unter Orchideenfreunden ist das Besparmak-Gebirge längst ein Begriff, sind hier doch allein 30 der 45 auf der Insel vorkommenden Arten nachgewiesen, darunter der spektakulär blühende Orientalische Pflugschar-Zungenstendel und die nur auf Zypern anzutreffende Kotschys Ragwurz.
. . . Seidensänger und Habichtsadler
Zyperns Insellage ist verantwortlich für den beschränkten Artenreichtum unter den Säugetieren. Schon frühen Reisenden fiel die völlige Abwesenheit von Großwild auf. So notierte im 16. Jahrhundert ein Chronist akribisch: "Reißende Tiere gibt es gar nicht. Das am meisten räuberische Tier ist der Fuchs." Er ist der Herrscher über die Flachland- und Bergreviere, wo auch der Langohrige Igel und die Zyprische Spitzmaus heimisch sind. Hase und Wildkaninchen tummeln sich auf den Hängen und sechs Fledermausarten machen sich auf die Jagd nach Insekten, wenn die Dämmerung hereinbricht.
Der eher bescheidenen Artenvielfalt unter den Säugetieren steht
eine umso reichere Vogelwelt gegenüber. Sie weist allein vier
Dutzend heimische Brutvogelarten auf, an die dreißig auf der
Insel brütende Zugvogelarten und noch weitere rund 200 Arten,
die als Zugvögel auf der Insel kurz rasten oder hier überwintern.
Vielen von ihnen begegnet man in der Kammregion, an den Steilhängen
oder den sanften Ausläufern des Besparmak-Gebirges. Je nach Jahreszeit
zählen die Kappenammer, Grauer Ortolan und Zippammer aus der
Finkenfamilie dazu, Drosseln wie Steinschmätzer und Blaumerle,
Würger und Grasmückenarten (z. B. der Seidensänger),
Falken, Blauracke, Kolkraben und Nebelkrähe, Chukarhuhn und Rebhuhn,
der Habichtsadler und viele andere.
Unterwegs
Die Besparmak-Bergkette kann mit einer Einzigartigkeit aufwarten, die so manchem Besucher verborgen bleibt. Was sich bei einem Blick aus Meereshöhe als steiles, spitzgratiges Gelände darstellt, nimmt sich oben als lichter Waldkamm nur noch halb so wild aus mit Raum für einen Forstweg, der viele sehenswerte Plätze berührt. Er überrascht mit immer neuen, wunderschönen Ausblicken auf die bizarre Gipfellandschaft, auf das Meer bis hinüber zu den Küsten Kleinasiens und die weitgespannte Mesarya-Ebene im Süden. Ungeteert schlängelt sich der Waldweg vom küstennahen Karsiyaka weit im Westen bis zur Burg St. Hilarion (rund 25 km). Weiter östlich setzt er sich am Besparmak-Tepesi fort, oft steinig und ausgefurcht und streckenweise nur im Schritt-Tempo befahrbar. Der Weg führt an der Forststation Alevkaya und dem benachbarten Herbarium vorbei, steuert idyllisch gelegene Picknick-Plätze an und durchquert den langgezogenen Kantara Forest, um nach ca. 60 km jenseits der Burg Kantara nahe dem Dorf Büyükkonuk auf die Küstenstraße zu stoßen, die hier in das Innere der Karpaz-Halbinsel einbiegt.
Stausee am westlichen Ende des Besparmak-Gebirges
Die endlos erscheinenden Forstwege und die davon abzweigenden, verschlungenen
Trampelpfade durch abgelegenes Gelände ziehen eine stetig wachsende
Gemeinde von Wanderfreunden an. Neben Einzelwanderern sind häufig
auch organisierte Gruppen unterwegs, spezialisiert womöglich
auf ornithologische Beobachtungen oder auf das Aufspüren verborgener
Orchideenstandorte, aus purer Wanderlust oder auch nur auf direktem
Wege zum nächsten einladenden Picknickplatz.
Bewegung in würziger Waldluft und interessante Begegnungen mit
einer oft nur vom Hörensagen bekannten Pflanzen- und Tierwelt,
dazu überwältigende Fernsichten und verheißungsvolle
Düfte, die von den Picknickplätzen herüberwehen - das
sind die Zutaten, die dem Besparmak sein unvergleichliches Aroma geben.