Reiseführer Bremen
Hafenstadtflair und Weserstrand
Ein Besuch in der niedersächsischen Stadt Brake
Text und Fotos: Stephan Eigendorf
Kaum dass im Frühling die Sonne lacht und die Temperaturen an der 20-Grad-Marke kratzen, treibt es viele Norddeutsche an die Nordseeküste ans Wasser. Ob nach Dangast an den Jadebusen oder in die bekannten Seebäder Cuxhavens, Hauptsache Strand zum in der Sonne liegen und Sand zum Buddeln und Burgen bauen für den Nachwuchs. So zieht es auch viele Bremer an den warmen Wochenenden auf die Autobahn gen Norden, mit Sack und Pack und Picknickkorb gerüstet für einen Tag Strandurlaub. Aber warum in die Ferne schweifen, wenn der nächste Strand gleich um die Ecke liegt, wie ein Besuch in Brake zeigt.
Strand in Brake
Die urkundlichen Erwähnungen der rund 45 Straßenkilometer von Bremen flussabwärts am linken Weserufer gelegenen Stadt reichen zurück bis in das 14. Jahrhundert. Als Brake to Harghen (Harrien) wird das Siedlungsgebiet in einer Urkunde vom 25. bzw. 30. Mai des Jahres 1385 genannt, anlässlich eines nicht mehr einzudämmenden Deichbruchs nahe der Siedlung Harrien, das heute einer der 10 Stadtteile der Kreisstadt ist. Viermal verwüsteten Sturmfluten im Mittelalter den Landstrich, ließen Deiche brechen, Tausende Menschen und ihr Vieh ertrinken und neue dauerhafte Wasserläufe entstehen. Zwischen 1512 und 1531 wurde das Gebiet schließlich nahezu komplett eingedeicht und auf drei nun geschützten Inseln entstanden die ersten Siedlungen von Braksiel als Vorläufer des heutigen Brake.
Ehemaliger Wohnsitz eines Holzhändlers,
die Plassmann Villa nahe der Kaje
Hafenstandort Brake
Brake ist eine Hafenstadt. Seine wachsende Bedeutung bis ins 19. Jahrhundert hinein verdankte der Hafen der günstigen Lage an der Weser. Während die bremischen Häfen mit der zunehmenden Versandung des wirtschaftlich wichtigen Wasserweges zu kämpfen hatten, sodass die immer größer werdenden Seeschiffe die Hansestadt nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt anlaufen konnten, lag der Hafen Brakes an einer tiefen Stelle der Weser. Hier wurden die Waren von den großen auf kleinere Schiffe umgeladen, die dann flussaufwärts zu den stadtbremischen Häfen weiterfuhren. Im 19. Jahrhundert war Brake zeitweise u. a. Umschlagplatz für den Viehexport nach England, Heimathafen der Reichsflotte und Telegraphenstandort. Der Aufschwung endete allerdings, als die Bremer an der Wesermündung 1827 auf einem hinzu gekauften Stück Land Bremerhaven als neuen Standort für die Seehäfen Bremens aus dem Boden stampften. Dennoch ist vor allem der Außenhafen Brakes bis heute wirtschaftlich von Bedeutung. Hier werden Getreide, Futter- und Düngemittel, Holz, Papier und Stahl umgeschlagen. Schiffe mit einem Tiefgang von über 11 Metern können den Kai anlaufen.
Blick auf den südlichen Teil des Seehafens
Leider ist der Seehafen seit 2004 nicht mehr frei zugänglich, sodass interessierte Besucher der Stadt mit dem dahinter gelegenen Binnenhafen vorlieb nehmen müssen, der durch eine 1980 errichtete 90 Meter lange Schleuse von der Unterweser getrennt wird. Da die Schleuse außerhalb des gesperrten Bereichs liegt, kann man auch beim Schleusen zusehen, wenn ein Schiff in den Binnenhafen möchte.
Maritime Stadt rund um die Kaje
Skulptur "Die Wartende" (1990) von Norbert Marten
an der Stadtkaje
Auch wenn der Seehafen ohne Erlaubnis nicht zu betreten ist, kann man trotzdem einiges davon sehen. Einen guten Blick auf den südlichen Teil des Seehafens hat man von der Backstein gepflasterten Stadtkaje, dem vielleicht touristischen Herzstück Brakes, das sich fast nahtlos an die autofreie Bummelmeile mit Straßencafés, Filialisten und Einzelhändlern in der City anschließt. Hier, in einem Seitenbereich der Kaje, ist auch der Platz zum Festmachen für die vergleichsweise kleinen Schiffe der Freizeitskipper, die den Ort anlaufen. Auf den Sitzbänken direkt an der Waterkant sitzt man also in der ersten Reihe, wenn man große und kleine Schiffe sehen und einen Hauch von Seeluft und weiter Welt schnuppern möchte.
Erstklassige Ausschilderung für Radfahrer
Auf Deichhöhe der zum Wasser hin abfallenden Kaje ist in einem modernen Pavillon u. a. die Touristinformation untergebracht. Das dort erhältliche Infomaterial zu Brake und Umland unterstreicht die maritime Ausrichtung der Stadt auch im Hinblick auf den Tourismus – regional wie überregional. Brake ist, wie die Hansestadt Bremen auch, eine Station auf dem Weser-Radweg, der von Hannoversch Münden über 455 Kilometer auf der westlichen Weserseite bis Eckwarderhörne und auf der östlichen noch 20 Kilometer weiter bis Cuxhaven führt. Entsprechend häufig begegnet man in der Stadt Radlern mit bepackten Rädern, die den Wegweisern des Weser-Radwegs folgen. Dieser verläuft, wie die Deutsche Sielroute, unter anderem durch den braker Stadtteil Käseburg hinter dem Weserdeich. Auf der Höhe des zwischen Deich und Weser gelegenen Campingplatzes, befindet sich ein restauriertes historisches Sielbauwerk das zwischen 1858 und 59 errichtet wurde. Heute fließt durch diesen ehemaligen Entwässerungsdurchlass im Deich kein Wasser mehr, doch hinter dem benachbarten überdachten Rastplatz für Radwanderer verläuft noch immer ein kleiner Wasserarm. Auffallend ist die offenbar unterschiedliche Deichhöhe zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und heute.
Historisches Sielbauwerk, erbaut zwischen 1858 und 59
Aber der Weser-Radweg ist nicht der einzige Weg, der Radwandern mit Wasser verbindet. Unter dem Motto ‚Radeln zwischen Weser und Jadebusen – von Melkhus zu Melkhus’ etwa führt die Deutsche Sielroute auf einem 181 Kilometer langen Radrundweg nicht nur vorbei an zahlreichen Sielen, die der Entwässerung des flachen Küstenlandes dienen, sondern ermöglicht Einblicke in die Kultur der Region - kulinarische Erfahrungen mit Milchprodukten aus der Gegend inbegriffen. Radler sind in der Regel Gäste nur für eine oder zwei Übernachtungen. Auch die privaten Vermieter von Ferienunterkünften in Brake haben sich darauf eingestellt, sodass Buchungen für eine Nacht zumeist kein Problem darstellen, anders als vielerorts, wo denn doch gerne nur ab einer Woche vermietet wird.
Wegweiser im Straßenpflaster:
Maritime Wege - Auf den Spuren der Duckdalben
Wer nicht gerne mit dem Rad fährt, sondern lieber per Pedes auf Entdeckungstour geht, stößt in den Straßen im Bereich um die Stadtkaje immer wieder auf in das Straßenpflaster eingelassene Wegweiser. Die runden Zeichen mit der Abbildung von Duckdalben, dicken Holzbohlen, die im 18. Jahrhundert als Schiffsanlegestellen senkrecht in den Wesergrund gerammt wurden, gehören zu einem Rundgang, der den interessierten Besucher auf eine Entdeckungstour maritimer Sehenswürdigkeiten führt, z.B. zum ältesten Haus der Stadt, einem Fischerhaus aus dem Jahre 1731.
Das älteste Haus Brakes: ein Fischerhaus aus dem Jahr 1731
Ausgangspunkt dieses Rundgangs ist die Stadtkaje. Hier befindet sich ein Teil des „Schifffahrtsmuseums der oldenburgischen Häfen“, das 1960 eingeweiht wurde. Untergebracht ist dieser Teil des Museums, das historische Stücke aus der Schifffahrt aus der Zeit unter oldenburger Flagge zeigt, in einem 1846 errichteten quadratischen Backsteinbau mit Türmchen, der als Teil einer optischen Telegraphenlinie zwischen Bremen und Bremerhaven einen Telegraphen beherbergte. Vor der der Weser zugewandten Seite des Gebäudes erinnert ein Mahnmal an die Opfer der beiden Weltkriege.
Blick auf den alten Telegraphen
Der zweite Teil des Schifffahrtsmuseums liegt in der nahegelegenen Bummelmeile des Ortes und ist seit 1985 im ursprünglich 1808 von Kaufleuten errichteten "Haus Borgstede und Becker" untergebracht.
Bürgermeisterhaus aus dem Jahre 1862
Biegt man gegenüber dem alten Bürgermeisterhaus von 1862, im dem von 1881 bis 1909 die Stadtverwaltung ihren Sitz hatte, in den Dr.-Fritz-Carstens-Weg ein gelangt man in den hinteren Geländeteil des Schiffahrtsmuseums. Die Neugestaltung des Außengeländes wurde mit EU-Geldern gefördert.
Das Schifffahrtsmuseum von hinten
Wer weiter den Spuren der Duckdalben folgt, gelangt mit der 16. und letzten Station wieder an die Kaje und Heukaje mit Blick auf Harriersand.
Harriersand
Sehenswerte Friedrichskirche in Hammelwarden
Zwar gibt es am Braker Weserufer einen kleinen Strandabschnitt, z.B. bei der Kirche in Hammelwarden, aber wer schöneren und breiteren Sandstrand möchte, kann als Fußgänger oder Radfahrer von der Kaje von Mitte April bis Ende Oktober mit einer kleinen Personenfähre nach Harriersand am anderen Ufer übersetzen.
Personenfähre "Guntsiet" während der Überfahrt
Harriersand ist mit rund 11 Kilometern eine der längsten Flussinseln Europas. Die sechs Quadratkilometer große Insel in der heutigen Form ist eigentlich eine künstlich geschaffene Insel, denn im Zuge von Korrekturen und Vertiefungen der Weser zwischen 1924 und 32 wurden sieben kleinere Inseln zu einer großen zusammengefasst. Nachdem das teilweise landwirtschaftlich genutzte Eiland früher zur Kreisstadt Brake gehörte, ist es heute ein Teil von Schwanewede am östlichen Weserufer. Das macht auch Sinn, denn von hier ist die Insel deutlich besser über eine 70 Meter lange Brücke im Südosten von dem Ort Rade aus zu erreichen. Mit dem Auto gelangt man von Bremen aus am besten über die A27 Richtung Bremerhaven und die Abfahrt Schwanewede hierher. Das Bauwerk spannt sich über einen kleinen, von Verlandung bedrohten Nebenarm der Weser, der Harriersand eigentlich erst zur Insel macht. Er ist übrigens Teil des 487 ha großen 1985 eingerichteten Naturschutzgebietes „Rechter Nebenarm der Weser“, das sich von hier bis zum Segelhafen Sandstedt nördlich von Harriersand am Ostufer erstreckt. Von hier führt die einzige Straße vorbei an Äckern, Wiesen und den wenigen Häusern der Insel gen Norden auch vorbei am Anleger der Personenfähre.
Segler vor Harriersand
Das Gebiet rund um die Anlegestelle gehört zum Verein der „Inselfreunde Harriersand e.V.“. Neben einigen Wochenendhäusern einem Campingplatz in unmittelbarer Strandnähe und einem Spielplatz, steht hier auch das Restaurant „Strandhalle“, das sich als Ziel bei einem Ausflug über die Insel anbietet. Direkt gegenüber am anderen Ufer liegt der Außenhafen Brakes und man kann bei einem Päuschen am Weserstrand bei der Anlandung oder Verladung von Getreide und Stückgut zusehen. Wen der Anblick der Industrieanlagen stört, sieht einfach in die entgegengesetzte deutlich grünere Richtung - das Areal hat reichlich Baumbestand.
Etwas ruhiger geht es an einem anderen Strandabschnitt ein Stück flußaufwärts Richtung Bremen zu. An warmen Tagen tummeln sich hier zahlreiche Ausflügler zum Baden und zum Picknick am Strand. Wer hier mit dem Auto anreist, sollte allerdings wissen, dass die Parkmöglichkeiten beschränkt sind und dass das Parken am Rand der schmalen Straße nicht unproblematisch ist, denn dieser Weg dient nicht nur den Freizeitgästen, Radlern und den wenigen Bewohnern der Insel als Verbindung, sondern ist auch Wirtschaftsweg für die Landwirte mit ihren breiten und schweren Arbeitsgeräten.
Ein großer "Pott" schippert vorbei
Nachdem in den letzten Jahrzehnten die Verunreinigung der Weser mit Giftstoffen immer geringer geworden ist, hat das Wasser heute wieder eine Qualität, die das Baden bedenkenlos zulässt. Allerdings ist dabei Vorsicht geboten, denn da die letzte Staustufe der Weser in Bremen liegt, ist der Fluss hier tideabhängig und es entstehen vor allem weiter in der Flussmitte nicht ungefährliche Strömungen, besonders bei Ebbe. Man sollte also den Uferbereich beim Baden nicht allzu weit verlassen. Großen Spaß haben vor allem die Kinder, wenn wieder eines der zahlreichen Schiffe vorbeifährt und für Wellen am Ufer sorgt. Spätestens um 20 Uhr hat der Badespaß allerdings ein Ende, denn dann legt das Boot nach Brake zum letzten Mal ab.
Strand auf Harriersand
Informationen
Touristeninformation:
Brake – Das beste Stück Weser e.V.
Infopavillon an der Kaje
26919 Brake
Tel.: 04401 / 19433
Fax: 04401 / 936005
E-Mail: info@brake-touristinfo.de
Internet: http://www.brake-touristinfo.de
Radwege:
http://www.weser-radweg.de
http://www.deutsche-sielroute.de
http://www.region-unterweser.de
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