Mons – der zweite Blick
Sicherlich mit dem Glockenturm, der Stiftskirche der hl. Waltrudis und der Grand Place hat man die wesentlichen Sehenswürdigkeiten der Stadt gesehen, die sich anschickt, Europäische Kulturhauptstadt 2015 zu werden. Aber auch abseits der Gassen und Straßen rund um die Grand Place gibt es die eine oder andere Sehenswerte zu entdecken. Also, machen wir uns auf und entdecken zum Beispiel das Theater Manege, das BAM, wo Kunst und Architektur miteinander verschmelzen, und den Waux-Hall-Park.
Der Garten des Bürgermeisters hinter dem Rathaus von Mons © fdp
Die bekannten Sehenswürdigkeiten lassen wir hinter uns. Uns macht neugierig, was hinter dem Rathaus liegt: ein lauschiger Innenhof mit Rhododendren und Palmen, einem kleinen Brunnen nebst einem Wasser trinkenden Knaben sowie dem Denkmal für den aus Mons stammenden Maler und Dichter Marcel Gillis, ein Werk von Raoul Godfroid (1896-1977). Bei der erwähnten Brunnenfigur handelt es sich um „L'Ropieur“ von Léon Gobert (1869-1935). Des Bürgermeisters Garten wurde um 1930 angelegt, als man den 100.Jahrestag der Unabhängigkeit Belgiens feierte und sich anschickte hinter dem Rathaus das Jahrhundert-Museum einzurichten.
Erinnerung an einen Sohn der Stadt © fdp
Es wurde dort untergebracht, wo einst ein Pfandhaus existierte. Dieses Pfandhaus wurde 1625 nach Plänen von Wenceslas Coebergher erbaut. Damals war das aus Backstein errichtete Pfandhaus gleichsam eine Wohlfahrtsbank für die kleinen Leute, die sich hier gegen Abgabe ihrer wertvollsten Habseligkeiten Geld leihen konnten.
Blick auf das ehemalige Pfandhaus von Mons © fdp
Ehe wir den Innenhof jedoch betreten stoßen wir auf die Figur eines blank geputzten Äffchens links vom Durchgang. Der Legende nach soll es Glück bringen, wenn man das Äffchen streichelt. Augenscheinlich ist das bisher recht zahlreich erfolgt, so glänzend wie der Kopf des Äffchens scheint.
Die Grand Place von Mons © fdp
Rund um die Grand Place
Treten wir wieder auf die Grand Place, so gelangen wir zum Neuen Theater, das im neoklassizistischen Stil ein Jahrzehnt nach der belgischen Unabhängigkeit errichtet wurde. Die gusseisernen Tore des Theaters sind mit Medaillons von Roland de Lassus, Racine, Molière und Grétry geschmückt.
Der Eingang des Neuen Theaters © fdp
Verlassen wir das unregelmäßige Geviert der Grand Place, so kommen wir zur Pfarrkirche der hl. Elisabeth. Die heutige Kirche geht im Kern auf ein Gotteshaus des 16.Jahrhunderts zurück. Dieses Kirchengebäude wurde jedoch durch ein Feuer während eines Mysterienspiels zerstört. Im Verlauf des 18.Jahrhunderts vollzog sich der Wiederaufbau mit barocken Anleihen. Zwei allegorische Figuren, eine Sirene und Triton, zieren die Fassade des in die Straßenflucht eingegliederten Sakralbaus.
Ein kurzer Abstecher führt uns in die Rue Neuve und zum BAM, dem Kunstmuseum der Stadt. Transparent ist der moderne, von Christian Menu entworfene Bau, wenn auch nicht so angelegt wie die Neue Nationalgalerie von Mies van der Rohe. Dennoch kann man von einem „Fenster mit Blick auf die Kunst“ sprechen, wenn man vor dem modernen Bauwerk mit seinen aufsteigenden Rampen steht.
Die Moderne aus Glas und Beton: das BAM © fdp
Weltgedächtnis und fromme Frauen
Nächster Stopp unserer Stadterkundung ist das Mundaneum, das ursprünglich alle weltweit bekannten Dokumente in seinen Mauern zusammentragen und öffentlich zugänglich machen sollte. Man kann vielleicht von einem „mondialen Gedächtnis“ sprechen, das in Mons seinen Platz haben sollte. Untergebracht ist es in einem ehemaligen Kaufhaus aus dem Jahr 1930. Heute fungiert es als Archiv der französischsprachigen Gemeinschaft und bietet zudem Raum für temporäre Ausstellungen.
Europäische Kulturhauptstadt 2015: Mons
Einer der grünen Flecken in Mons ist der Place du Parc, an dessen Rand das im Barockstil erbaute Konvent der Töchter der hl.Maria steht. Nachdem dieser Orden aufgelöst worden war, diente das Konvent als Gefängnis und Polizeiwache. Beim deutschen Bombardement von 1940 wurde der Komplex erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Die Kapelle des Konvents wurde 1717 erbaut. Geschwungen ist der obere Fassadenabschluss, streng gegliedert die Fassade durch Reihen von Flachpfeilern.
Die Moderne trifft das Mittelalter
Lenken wir unsere Schritte in die Rue des Droits de l'Homme, so befinden wir uns dort, wo auf dem einstigen Ochsenmarkt in der Mitte des 19.Jahrhunderts Unterkünfte für die Kavallerie entstanden und sich heute der 2007 fertiggestellte Gerichtshof von Mons befindet.
Ein postmoderner „Befestigungsturm“ als Teil des Gerichtshofs © fdp
Hier sind das Handelsgericht ebenso untergebracht wie das Arbeitsgericht und das Berufungsgericht, um nur einige der ansässigen Institutionen zu nennen. Moderne und historistische Architektur der alten Kavalleriekasernen gehen dabei eine harmonische Verbindung ein. Ins Auge springt vor allem die mächtige moderne Rotunde und ein moderner Rundturm mit gestaffeltem gläsernen Dachaufbau. Dieser Turm scheint den einzig erhaltenen Stadtbefestigungsturm, den Tour Valenciennoise, zu paraphrasieren.
Gläserner Theaterbau. Das „Manège“
Wie ein angespitzter Eisberg schiebt sich der gläserne Bau des Theater „Manège“ in den Stadtraum, nur Schritte vom Gerichtshof entfernt ein weiterer Hingucker moderner Stadtarchitektur. Als Teil des Areals des Gerichtshofs ist der Tour Valenciennoise anzusehen. Dieser war Teil einer Stadtbefestigungsanlage, die 1290 im Auftrag des Grafen von Hennegau erbaut wurde. Das Festungswerk bestand aus der Festungsringmauer, einem umlaufenden Graben und sechs Toren.
Tour Valenciennoise: Teil der Stadtbefestigung
des 13.Jahrhunderts © fdp
Im 14. Jahrhundert erfolgte die Verstärkung dieser Stadtverteidigung und eine Ergänzung um aus Stein erbauten Wehrtürmen. Dazu gehört auch der oben erwähnte, der wegen seiner gewaltigen Ausmaße auch der „Große Turm“ genannt wurde. Dieser Turm ist das einzig erhaltene Zeugnis der mittelalterlichen Stadtbefestigung.
Ein Stündchen im Grünen
Außerhalb des Rings rund um die Stadt, der die einstige Befestigung von Mons markiert, liegt der nach Plänen von Louis Fuchs gestaltete Waux-Hall-Park, der ein Beispiel des Bürgersinns des 19.Jahrhunderts ist. Zunächst stand der zwischen 1862 und 1864 angelegte Park nicht allen Bürgern offen, war er doch ein Privatpark. Ursprünglich stand an diesem Fleckchen Erde ein Fort als Teil der Befestigung der Stadt in der Zeit nach dem Wiener Kongress.
Das Gartencafé des Waux-Hall-Parks © fdp
Anstelle des Forts wurde auf einer Anhöhe ein Gartencafé errichte, in dem noch heute bei regelmäßigen Partys die Post abgeht. Neben Rasenflächen, die zum Verweilen einladen, existieren Wasserflächen, auf denen sich einige Enten eingefunden haben. Nicht zu übersehen sind die zahlreichen Skulpturen im Park, die von bekannten Bildhauern wie Georges Grard und Louis Henry Devillez stammen.
Eine der Skupturen, die im Waux-Hall-Park zu finden sind (c)fdp
Oberhalb der Grand Place
Zurück auf der Grand Place wenden wir uns in Richtung Glockenturm und gelangen vorbei an der zu Füßen des Glockenturms erbauten Jugendherberge auf den Square de Château, dabei die stetig ansteigende Rampe de Château hinauflaufend.
So gelangen wir zur Kapelle St. Calixtus. Dabei handelt es sich um das älteste Sakralbauwerk der Stadt. Zu datieren ist der Ursprung der Kapelle auf die Mitte des 11.Jahrhunderts, als beschlossen wurde, einen Ort für die Bewahrung der Reliquien des Papstes Calixtus I. schaffen. Heute sind in der Kapelle Ausgrabungsfunde des Grafenschlosses zu sehen, das sich einst auf der Anhöhe nahe dem Glockenturm befunden hatte.
Die Kapelle St. Calixtus © fdp
Ehe wir zum Bahnhof laufen, erkunden wir noch den südlichen Zipfel der Stadt, wo sich unter anderem die sogenannten Kasematten befinden. In der Rue Achilie Legrand stoßen wir auf einen Komplex von ehemaligen Stiftswohnhäusern, die aus einem Guss gebaut zu sein scheinen. Ein betuchter Stifter ermöglichte es, dass 1897 an dieser Stelle Wohnungen für alte Ehepaare erbaut wurden.
Einem betuchten Stifter sind diese Wohnhäuser zu verdanken © fdp
Entstanden sind lang gestreckte backsteinerne Gebäude mit Gärten. Hier sollten 30 Ehepaare in Zweiraumwohnungen leben. Toiletten, Waschküche und Bad wurden gemeinschaftlich genutzt. Die dort lebenden alten Menschen erhielten zudem eine bestimmte Geldsumme für ihren Lebensunterhalt sowie freie medizinische Versorgung. Gegenüber stößt man auf die Reste der holländischen Befestigungsanlage, die zwischen 1817 und 1822 erbaut wurden. Diese Anlage diente dazu, einen etwaigen französischen Angriff abzuwehren. Bis heute erhalten geblieben sind die sogenannten Kasematten, ein fünfeckiges Bauwerk, das in zwölf Bogensegmente untergliedert ist. Hier waren im Falle einer Belagerung 2000 Soldaten untergebracht. Schließlich: Auch die Boulevards rund um die Stadt waren einst Teil eines Festungswerks, das 1861 geschleift wurde.
Die sogenannten Kasematten von Mons © fdp
In der Nachbarschaft zu den Kasematten lebten zeitweilig Beginen. Daran erinnert der Place du Béguinage. 1830 wurde an diesem Ort anstelle des Beginenhospitals ein Armenhospiz erbaut, das neoklassizistische Hospiz Cantimpret. Außer der Fassade ist von diesem Hospiz nichts mehr vorhanden. Heute ist hier die Verwaltung der wallonischen Region zuhause. Mit diesem Teil der Baugeschichte der Stadt beenden wir unseren zweiten Blick auf Mons. (fdp)
Weitere Informationen
Office du Tourisme
Grand Place 22
und
am Bahnhof Place Léopold
www.monsregion.be
BAM
Rue Neuve 8
www.mons.be
Mundaneum
Centre d'archives de la Communauté française
76 rue de Nimy
www.mundaneum.be
Théâtre du Manège
Rue des Passages
http://www.lemanege.com
Suchen bei schwarzaufweiss
Das könnte Sie auch interessieren