Afrikanische Kunst und das Museum für Zentralafrika
Das 1897/98 in Tervuren (östlich von Brüssel) gegründete Museum hat sich in seiner
ethnologischen Arbeit seit Anbeginn auf das Kongo-Becken konzentriert.
Ausschließlich aus dieser Region, aus dem Gebiet der sogenannten
Bantu-Kultur, stammen auch die »verborgenen Schätze«, die das vom
belgischen König Léopold II. ins Leben gerufene Museum bewahrt. Nicht
nur Masken und Fetische, sondern auch Trinkgefäße und Musikinstrumente
gehören zur einmaligen Sammlung afrikanischer Kultur, die
bedauerlicherweise den sozialen Kontext, in den die Kunst- und
Gebrauchsgegenstände einzubinden sind, nahezu ausblendet. Nichts oder
wenig ist über die Kunsthandwerker zu erfahren, die aus der Ostprovinz
des Kongo stammen und eine männliche Figur »ofika« fertigten, die
einzelne Nägel im Körper trägt. Von einem figürlichen Rindengefäß
erfährt der Besuche zwar, aus welchem Holz es geschnitzt wurde, zudem
auch daß es zwischen 1903 und 1907 gesammelt (!!) wurde, doch wer es
schuf, bleibt im Verborgenen. Zu erfahren ist zumindest, daß die
ausgestellten Objekte von den Kuba, Lega, Zande, Luluwa, Kete und Pende
gefertigt wurden, ohne jedoch deren soziales oder religiöses Leben ein
wenig nähergebracht zu erhalten.
Stationen im Lebenszyklus
Götter, Geister und Ahnen sowie Herrschaft und Repräsentation sind
die Leitthemen der Ausstellung. Mutter-Kind-Figuren der Luluwa und Bembe
sind daher ebenso zu sehen wie Zauberfiguren, die »minkisi«, die auch
als Nagel- und Spiegelfetische bezeichnet werden. Unter diesen
Zauberfiguren finden sich strafende und gütige, vor allem aber
furchteinflößende,» nkondi« genannt, die gegen Hexerei und Krankheit
helfen sollen. Schließlich sind auch die Insignien der Macht aus
Leopardenfell oder Elfenbein ausgestellt. Insbesondere Zepter,
Kopfstützen und Zeremonialstäbe oder Ritualgefäße, in denen Blut und
Palmwein gereicht wird, symbolisieren die Macht der Ältesten,
Häuptlinge und Könige der jeweiligen Ethnie.
Einige Ausstellungsstücke,
die entweder vor dem Ersten Weltkrieg oder in den 50er Jahren den Weg
aus der belgischen Kolonie Kongo ins Mutterland fanden, sollen wegen
ihrer Bedeutung herausgegriffen werden. Selten, da die meisten
Ausstellungsobjekte Holz, Kupfer, Polsternägel und ähnliche
Materialien verwenden, ist die aus Speckstein gefertigte Grabfigur »ntandi«,
die eine Figur in nachdenklicher Haltung zeigt. Der Kopf ist geneigt,
stützt sich auf eine Hand und trägt einen Kopfschmuck, der an einer
Krone erinnert. Über und über mit Nägel versehen, die Hand zur Faust
geballt und drohend nach oben gestreckt, begegnet uns ein Zauberwesen,
ein »nkondi«, mit weit aufgerissenem Mund und Augen. Die Art der
Darstellung soll im Betrachter Furcht auslösen. Die Kraft des »nkondi«
zur Beherrschung destruktiver Kräfte wie Krankheit und Zauberei
verleiht der Zaubermeister, der die Nagelung vollzieht. Eher asiatisch
muten Gesichtsmasken von Priestern an - weiß mit geschwärzten Wangen
und mit hervortretenden Backenknochen die eine und mit Spitzbart die
andere. Sie stammen beide aus der Provinz Unterkongo. Aus dem »nzu
kumbi«, einem Haus, in dem sich Mädchen aus dem Westen des Kongo
auf die Hochzeit vorbereiteten, ist eine Bettwange zu sehen, die jeweils
links und rechts einer sitzenden Figur ein Paar zeigt. Dabei handelt
sich um die jeweilige Braut und ihren zukünftigen Ehemann. Rechts von
einem der Paare erkennt man eine männliche sitzende Figur, deren
Bedeutung ebenso unklar ist, wie die des Hundes, der neben dem anderen
Paar zu sehen ist. Als ein Meisterwerk der Pende-Kunst gilt die Maske
»mbangu«. Eine Gesichtshälfte der Maske ist aufgrund einer
Lähmung der Gesichtsnerven seitlich verschoben, hängt ein wenig herab
und vermittelt den Eindruck eines »schiefen Gesichts«. Die Farbgebung
in Schwarz und Weiß für die jeweilige Gesichtshälfte unterstreicht
die Erstarrung und Leblosigkeit. Auffallend sind zahlreiche Figuren,
teilweise als Teil von Zeremonialäxten oder -speeren, die
Narbentätowierung in geometrischer Musterung zeigen. Im Gegensatz
hierzu ist die weibliche Figur »kakungu« der Metoko mit blauer
Tätowierung von Kopf bis Fuß geschmückt.
Ein Lesetip
Wer auf die Kunst aus dem Kongo-Becken neugierig geworden ist, dem
sei der Katalog »Afrikanische Kunst - Verborgene Schätze aus dem
Museum Tervuren«, erschienen bei Prestel in München, zu empfehlen.
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