Die Menschheit, der Leidensweg der Menschheit, die Nichtigkeit menschlicher Triebe, die menschlichen Triebe...
Ähnliche Themenstellungen sind der Kunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht fremd. Auch der Symbolist Léon Frédéric (1856-1940) hat sich mit dem Thema beschäftigt und »Alles is Dood« geschaffen, einem Triptychon, das beim Brüsseler Salon 1894 gezeigt wurde. Vernichtet wurde hingegen 1914 eine Arbeit von Jean Delville mit dem Titel »Zyklus der Triebe«. Auch der Bildhauer Charles Van der Stappen (1843-1910) beschäftigte sich mit der Thematik. Leider sind von seinen Vorarbeiten zu einem »Denkmal der unendlichen Güte« nur einige Fotodokument erhalten geblieben.
Voin Victor Horta entworfen beherbergt diess Tempelchen am Rande des Jubelpark ein Meisterwerk der Kunst
Lambeaux, der als Vorarbeit für sein Marmorrelief auch ein Gipsmodell fertigte, das heute zum Bestand des Museum voor Schoonen Kunsten in Gent gehört, befand sich mit seinem Relief über die menschlichen Laster und Schwächen daher in guter Gesellschaft. Bei der Arbeit von Lambeaux erhebt sich als Zentralfigur der Tod. Rechts von ihm sind die Legionen des Teufels und links die Grazien zu sehen. In der Mitte links geben sich dralle Frauen - Rubens’ Frauenbild scheint Vorbild gewesen zu sein - einem wilden Reigen hin: Sie symbolisieren »Die Freude«. Die Tanzenden scheinen so unbeschwert wie die Tänzerin im Park Middelheim (Antwerpen), die Rik Wouters schuf und die den Titel »Het zotte Geweld« trägt. Nicht um das goldene Kalb führt ihr Reigen, sondern zum Tod hin, und dies mit einem entrückten Lächeln auf den Gesichtern. Unterhalb der Tanzenden hält eine vollbusige Mutter ihr Kind auf dem Schoß und ein junges Paar gibt sich selbstvergessen der Zärtlichkeit hin. Doch Liebe und Glück stehen neben dem Tod und dies nicht nur in Gestalt der über allen stehenden »Gevatter Tod«, sondern auch durch den »Selbstmord« dargestellt. Das Vergängliche ist in diesem beeindruckenden Marmorrelief allgegenwärtig. Und daher fehlt auch nicht »Der Krieg« zu Füßen des »Gekreuzigten Jesus Christus«, dessen Blick zum Himmel gerichtet ist. Hinter diesem erscheint kaum wahrnehmbar »Gottvater«. Der Krieg gerinnt Lambeaux zur Figur eines nackten Kriegers, der eine Axt in den Händen hält. Während er zum tödlichen Schlag ausholt, stürzen seine Opfer in den Abgrund.
Die besondere Ausstrahlung des Reliefs ist nicht allein durch den verwendeten Werkstoff gegeben, sondern vor allem auch durch die dynamische Komposition, das Verschmelzen der einzelnen Bildsequenzen.
Doch der Blick auf dieses Werk ist nur selten möglich. Bereits drei Tage nach der Einweihung des Horta-Pavillons, der einem Tempel gleicht, wurde am 4. Oktober 1899 nach Meinungsverschiedenheiten zwischen Victor Horta und Jeff Lambeaux das Tor des »Tempels« geschlossen. Die Differenzen zwischen dem Meiste der Art nouveau und dem Bildhauer der Dynamik entstanden übrigens über den wünschenswerten Lichteinfall im Pavillon. Auch nach baulichen Veränderungen wischen 1909 und 1910 hat sich an der Zugänglichkeit zum Pavillon wenig geändert. Wer ihn besuchen möchte, muß sich beim Jubelparkmuseum nach etwaigen Öffnungszeiten erkundigen.
Jubelparkmuseum
(Königliches Museum für Kunst und Geschichte)
Jubelpark 10
B-1040 Bruxelles/Brussel
Tel.: 0032/2/741.72 11
Horta-Lambeauxpaviljoen
Öffnungszeiten
01/10 - 30/04: Di-So 14:30 - 15:30 sowie 2/05 - 1/10: Di-So 14:30 - 16:30
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