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Musik

Cajun music – das Stillsitzen ist schier unmöglich

“Laissez les bon temps rouler!” 

"Mulate's" in Breaux Bridge bei Lafayette
Fiddle, Akkordeon, Triangel sind die Instrumente
 der Cajun-Musik; bei "Mulate's" in Breaux Bridge bei Lafayette
 kommen noch Schlagzeug und elektrische Gitarre hinzu

Wer als Fremder aus Übersee zum weithin bekannten Lokal “Mulate‘s‘” nach Breaux Bridge bei Lafayette am Interstate 10 kommt, der sucht den unscheinbaren Holzbau wegen des guten Essens, aber vor allem deshalb auf, weil das Restaurant als Bastion der Cajun-Musik bekannt ist, der traditionellen Musik der aus Frankreich über Kanada hier im Sumpfland-Exil angekommenen Auswanderer. Wir hielten nach dem “Mulate’s” in dem gesichtslosen Ort einige Zeit vergebens Ausschau, bis uns ein Einheimischer den Weg wies und auf französisch den Satz hinzufügte: “Laissez les bon temps rouler!” – “Genießt das Leben!”

Cajun music gilt als eine der ursprünglichsten Volksmusiken der USA. Sie ist einfach, hat das, was man neudeutsch als “drive” bezeichnet, ist melodisch und dermaßen rhythmisch, daß das Stillsitzen bei den Two Steps, Walzern, Mazurkas, Polkas und Quadrillen schier unmöglich ist. Und sie erzählt Geschichten, die die Geschichten der Cajuns sind.

Es ist typisch für die USA, daß auch deutsche Einwanderer ihren Teil zu dieser Musik beitrugen: In Form des Akkordeons, dessen Einführung hier im Süden andere Quellen auch Wiener Juden zuschrieben, etwa um 1828. Instrumente der Firmen “Hohner” und “Kalbe” stehen heute längst im Museum, und daß sich auf einigen Schallplattenaufnahmen die Akkordeone nach “biblischem Alter” anhören, mag an der steten Überlieferung dieser Instrumente innerhalb der Familien liegen und vielleicht daran, daß im 2.Weltkrieg die Lieferungen aus Europa stoppten.

Es ist erstaunlich, daß die Cajun-Musik überlebte, wo sie doch fast schon verschwunden war. Tatsächlich erschienen die familiären Samstagabend-Feste, das “Fais Do Do” oder die “Bals de Maison”, die Hausbälle, zeitweise selbst den “Ureinwohnern” antiquiert. “Fais Do Do” kann dabei, gemäß mittelalterlicher Tradition, das religiöse Fest (“Fete de Dieu”) bedeuten oder auch einfach nur eine Redensart für: “Schickt die Kinder schlafen!”. Diese lagen auf den Bänken, während die Erwachsenen zu den Klängen der klassischen Band-Besetzung – Akkordeon, Fiddle, Triangel (oder Löffel) – tanzten, der Sänger mit hoher und harter Stimme die französischen Lieder intonierte. Die Junggesellen warteten dabei noch in den 30er Jahren in einem Bretterverschlag, dem cage aux chiens (Hundekäfig), ungeduldig auf den nächsten Tanz.

Doch der Jazz aus dem French Quarter von New Orleans, der Western Swing aus dem benachbarten Texas, die Musik der (ebenso wie die Cajuns armen) Hillbillies, hatten diese Abend voll von Walzer, Two Step und Polka seit den 30er Jahren immer mehr zurückgedrängt.

Die Band, die spurlos verschwand

Die Identitätskrise der Cajun-Musiker zeigt sich in vielerlei schlimmen persönlichen Schicksalen wie dem von Harry Choates. Selbstmorde lichteten die Reihen der Musiker, Alkoholismus war die Ursache menschlicher Tragödien. Eine Band wie “Linus Touchet and The Rainbow Ramblers” verschwand spurlos. Der halbblinde Akkordeonspieler Ira Le Jeune, amerikanisiert Iry Le June genannt, starb mit 26 Jahren bei einem Autounfall nach einem Konzert. Auch Will und Rodney von den "Balfa Brothers” kamen auf der Straße ums Leben. Nathan Abshire (1913 oder 1915 – 1981) hatte zeitweise erhebliche Alkoholprobleme und starb, weil er ein Cajun-Motto, “The good times are killing me”, ausgelebt hatte.

Bill Haley und ein Cajun-Hit

Andere Musiker verkauften ihre Songs für eine Summe, die gerade mal für eine gute Nacht in irgendeiner Honky tonk-Bar reichte, und wieder andere wurden schlicht betrogen: So behauptete “Papa Cairo”, er habe 1949 auf dem Busbahnhof von Lake Charles sein Stück “Big Texas” gespielt, das der Country-Bluessänger Hank Williams aufgriff und 1952 als “Jambalaya” zu einem Welthit machte. Besser war Bobby Charles alias Robert Charles Guidry aus Abbeville dran, denn als Bill Haley and his Comets aus seinem “Later alligator” die Rock’n Roll-Hymne “See you later alligator” schufen, bekam er für seine Komposition wenigstens Tantiemen.


Stilleben während eines Cajun-Musik-Festivals in Acadiana

Das Comeback der Cajun music begann Ende der 60er Jahre, als sich der US-amerikanische Einfluß nur noch in “Middle of the Road”-Musik offenbarte, wovon der “Swamp Pop” und auch “Cajun Country” profitierten. “Der Prozeß der Amerikanisierung verlief zu massiv und zu schnell – da kochte der Schmelztiegel über”, konstatiert Cajun-Chronist Barry Jean Ancelot, wobei die Entwicklung weiter durch die “Back to the Roots”-Bewegung der studentischen Szene begünstigt wurde.

“Noten schreiben kann ich nicht...”


Zydeco ist die Musik der Schwarzen in Cajun Country

Prompt kehrten die alten Musiker zurück, traten oftmals noch unter dem Markenzeichen “American French Music” beim Newport Jazz Festival, in der Carnegie Hall von New York und natürlich wieder in Cajun dancehalls der Region auf, wo, wie ein Kenner schrieb, “eine Samstagnacht ein Stück Himmel auf Erden ist”. Sie spielten das, was schon ihre Urgroßväter und Großonkel gespielt hatten, und sangen die Geschichten, die ihnen die Großeltern an den Bayous erzählt hatten. Dewey Balfa, einer der Veteranen: “Wir erinnern uns heute nur noch an einen kleinen Teil von dem, was unser Vater sang. Erst als wir anfingen, die alten Lieder zu sammeln, merkten wir, was wir vorher versäumt hatten.” Und Nathan Abshire: “Das Akkordeonspiel hab‘ ich beim Vater und beim Onkel geseh’n und dann hab‘ ich’s mir eben beigebracht. Noten schreiben kann ich nicht. Ich kann ja noch nicht mal meinen Namen aufs Papier bringen.” Dennis McGee, ein musizierender Friseur vom Jahrgang 1893: “Viele der Melodien habe ich als Einziger bewahrt. Manchmal fühle ich mich in meiner Musik sehr einsam.”

Glücklicherweise sind die ersten Schallplatten-Aufnahmen der Cajuns in unsere Zeit hinübergerettet worden und nun auch wieder erhältlich (Serie “Old Timey Records”), so “Allons a Lafayette”, “Wir geh’n nach Lafayette”, der Song von der untreuen Liebsten, und “The waltz that carried me to my grave”, das den Tod der Freundin zum Thema hat. Aufgenommen wurde dieses Lied in einem Hotelzimmer in New Orleans. Andere recordings verliefen ähnlich simpel: Eddie Shuler von der Ein-Mann-Plattenfirma “Goldband Records” stellte 1950 sein Tonband auf den Küchentisch von Iry Le June und begleitete den Akkordeonspieler mit der Gitarre.

Cajun music hat analog zum “Schmelztiegel” USA viele Einflüsse aufgenommen – aus Schottland, Irland, Spanien, Deutschland, der Karibik, Angloamerika. Eine besondere Spielart ist dabei Zydeco, kreolische Musik aus dem Sumpfland, beeinflußt von Soul, Blues, Cajun music, Rythm & Blues, also vor allem afroamerikanischer Musik. Als “King of Zydeco” galt Clifton Chenier (1925-1987) mit der “Red Hot Louisiana Band”. Clifton spielte in Lokalen wie dem “Blue Angel Club” von Lafayette, wo Schilder wie diese hingen: “Wer mit Feuerwaffen geschnappt wird, wird angezeigt”, und: “Wer Ärger macht, fliegt ‘raus und kommt nie wieder ‘rein.” Andere bekannte Zydeco-Interpreten sind “Rockin‘ Dopsie” und “Queen Ida and the Bon Temps Zydeco Band.”

Gruppen und Interpreten wie Creedence Clearwater Revival (“Born on the bayou”, “Pork Salad Annie”), Freddy Fender (“Wasted Days and Wasted Nights”, “Before the next teardrop falls”), Jimmy Newman (“Louisiana Saturday Night”), Mary Chapin Carpentier (“Down at the Twist and Shout”), Roy Orbison (“Blue Bayou”), Linda Ronstadt (ebenfalls “Blue Bayou”),  Bruce Springsteen, The Band und Emmylou Harris haben Anleihen bei der Cajun music bzw. der Region genommen, die auch in Großstädten außerhalb Louisianas im Zuge des Siegeszugs der Cajun-Restaurants gespielt wird.

Da Cajun music und Zydeco regionale Musik sind, ist es kein Problem, sie in Cajun Country live zu hören – bei Festen, in Restaurants, bei Rundfunk-Aufnahmen (siehe unter: Lafayette, Acadian Village, Houma, Crowley, Eunice mit der Cajun music Hall of Fame).

Wer in die USA reist und sich für die Musik interessiert, sollte in den Läden lieber eine CD mehr als weniger kaufen, denn ein solch umfangreiches Angebot findet man in Europa nicht. Eine gute CD-Reihe zur Cajun music hat seit 1989 Trikont Schallplatten aus München aufgelegt. Viele gute Angebote, auch die historischen Aufnahmen, findet man im sowieso vorzüglichen Katalog von Bear Family Records.

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