Reiseführer Rom

STADTGESCHICHTE - Beginn einer neuen Zeit




1789

Im Gefolge der politischen und geistig-sozialen Umwälzung, ausgelöst durch die Französische Revolution, kam es zu Interventionskriegen u. a. gegen den Kirchenstaat und Neapel. Die französischen Truppen standen unter dem Kommando des jungen Generals Napoleon Bonaparte.

1798

besetzen seine Soldaten die Ewige Stadt. Die „Römische Republik“ wird ausgerufen und Papst Pius VI., ein entschiedener Gegner der Ideen der Menschenrechte, nach Frankreich entführt, wo er im Jahr darauf stirbt. Der Kirchenstaat wird aufgehoben und der Stadt das französische Verwaltungssystem übergestülpt. Viel Beifall finden die Neuerungen nicht. Einige überzeugte Republikaner, zumeist junge Akademiker, können sich mit dem neuen Geist anfreunden, die Mehrheit der Römer aber ächzt unter Steuern, Gängelung, Militärdienst, Teuerung. Auch der neue Papst, Pius VII., gerät 1809 in Gefangenschaft. Wieder zieht Napoleon, inzwischen zum Kaiser gekrönt, im Hintergrund die Fäden. Im gleichen Jahr wird das „Königreich Rom“ ausgerufen und auch gleich ein König in Aussicht gestellt. Napoleon Franz Bonaparte, Napoleons Sohn aus der Ehe mit der Kaisertochter Marie-Louise von Österreich, soll die Krone tragen, doch die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung:

Mai 1814

Im Mai 1814 dankt Napoleon ab, darauf kehrt Papst Pius VII. zurück in den Vatikan und der Wiener Kongress stellt den Kirchenstaat wieder her. Rom hat in dieser Zeit etwa 150.000 Einwohner. Nationalstaatliche Strömungen waren das stärkste politische Element der Zeit. Sie machten den Päpsten zunehmend zu schaffen, weil sie nicht nur die territoriale Souveränität ihres Herrschaftsgebiets gefährdet sahen, sie verdächtigten auch den Nationalismus mit dem in Kirchenkreisen verhassten Liberalismus Hand in Hand zu gehen. Il Risorgimento, die nationale italienische Einigungsbewegung, strebte die Erneuerung der italienischen Nation zu alter Größe an. Sie umfasste Anhänger aus allen Bevölkerungskreisen. Als ihr Vordenker tat sich Giuseppe Mazzini hervor und als militärische Autorität der Berufsrevolutionär Giuseppe Garibaldi.

Rom: Garibaldi

1848

Im europäischen Revolutionsjahr erfasste der Aufruhr weite Teile Italiens, auch Rom war davon betroffen. Papst Pius IX. floh aus der Stadt. Nach blutigen Kämpfen gegen österreichische Truppen, die vom Papst zu Hilfe gerufen worden waren, verblieben nur noch die Römische Republik und Venedig in der Hand der Revolutionäre. Als Triumvirat standen die Radikaldemokraten Giuseppe Mazzini, Carlo Armellini und Aurelio Saffi an der Spitze der Römischen Republik – aber nur wenige Monate, denn Papst Pius IX. holte spanische und französische Interventionstruppen ins Land, um mit ihrer Hilfe seine Herrschaft wieder herzustellen. Die fremden Truppen attackierten Garibaldis auf dem Gianicolo, bei der Porta San Pancrazio und im Park der Villa Doria-Pamphili verschanzte Soldaten und Freiwillige zunächst erfolglos, zwangen sie dann aber zum Rückzug und besetzten die ganze Stadt. Militärführung und politische Spitze flohen und gingen ins Exil. Kardinäle hatten jetzt das Sagen in Rom. Papst Pius IX. kehrte erst 1850 in den Vatikan zurück. Die siegreichen französischen Interventionstruppen blieben als Schutzmacht am Tiber. Sie wurden abgezogen, nachdem Frankreich 1870 Preußen den Krieg erklärt hatte und an der Heimatfront dringend militärische Verstärkung benötigt wurde.

Auf dem Gianicolo: Kampfgefährten Garibaldis

Auf dem Gianicolo: Kampfgefährten Garibaldis

1861

Die sich aus den unterschiedlichsten politischen Strömungen zusammensetzende Risorgimento-Bewegung geriet nach 1849 unter den Einfluss des Königreichs Piemont-Sardinien und seines Königs Vittorio Emanuele II.aus dem Hause Savoyen. Gemeinsam mit seinem Premier Cavour und dessen neuer liberaler Partei aus Adeligen und Bürgern betrieb er die Nationalstaatsbildung, die 1861 in Turin ein provisorisches Parlament zusammenbrachte, das Vittorio Emanuele II. zum König von Italien proklamierte. England und Frankreich erkannten die neue Konstitutionelle Monarchie schnell an, Preußen folgte nach einigem Zögern, Österreich wollte nicht und der Papst schon gar nicht. Seinen Restkirchenstaat mit Latium (Lazio) und Rom umschloss der neue Staat.

1870

Nach dem Abzug der französischen Schutztruppe, war es für die italienische Militärführung ein Leichtes, ihre Soldaten durch die Porta Pia, das Renaissance-Tor in der Aurelianischen Mauer, das Michelangelo gestaltet hatte, in die Stadt einmarschieren zu lassen und Rom zur Hauptstadt des vereinten Italien auszurufen. Der Papst war entsetzt. Er zog sich in den Vatikan zurück und betrachtete sich von nun an bis zu seinem Tod 1878 als „Gefangener im Vatikan“. Die Kirche lehnte die politischen Umwälzungen ähnlich wie die konservativen Eliten strikt ab und große Teile der Landbevölkerung besonders im Süden sahen die gottgewollte Ordnung verletzt. Es dauerte Jahrzehnte bis der Volkszorn nachließ.

Wohnraum war knapp und es fehlten die dringend benötigten Verwaltungs- und Regierungsbauten. Die Stadt galt als unhygienisch und unproduktiv, Geld brachten nur Pilger und wohlhabende Touristen. Eine durchgreifende städtebauliche Umgestaltung einschließlich der Kanalisierung des Tiber im Stadtgebiet war unumgänglich. Man ging rigoros vor, ordnete Straßendurchbrüche an, um breite, neue Achsen dort anzulegen, wo sich noch eben ein düsteres, schmutziges Gassengewirr ausgebreitet hatte. Auch der eine oder andere Palazzo wurde zertrümmert, die beiden Tiberhäfen aufgegeben.

Ponte Sisto

Ponte Sisto


Die Archäologen bekamen zu tun: 1839 – 1842 und 1871 – 1905 wurde großflächig auf dem Forum Romanum gegraben, nach heutigen Erkenntnissen aber höchst unprofessionell.

Ungeachtet aller politischen Veränderungen strömten wie eh und je Künstler und Literaten aus aller Welt in die Ewige Stadt. Rom war ihnen eine Inspirationsquelle, die Villa Malta, das Cafè Greco, der Palazzo Zuccari die dazugehörigen kosmopolitischen Orte. Sie verließen leichten Herzens die geistige Enge daheim, die Bindungen, die vorgegebene Laufbahn und zogen an den Tiber, „um“, wie Goethe sagte, „vor der Welt unterzutauchen“.

Berühmt machten Johann Gottfried Seume seine langen Fußwanderungen nach und in Italien und seine Erinnerungen daran: „Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802“. Auch den Dichter August von Platen zog es über Rom nach Syrakus. Er starb dort 1835. Fünf Jahre vor ihm war der schwäbische Poet Wilhelm Waiblinger als gerade 26jähriger auf dem römischen Cimitero Acattolico beigesetzt worden, im gleichen Jahr als auch Goethes Sohn August in Sichtweite zur ewigen Ruhe gebettet wurde. Elf Tage vor seinem Tod hatte er noch seinem übermächtigen Vater stolz mitgeteilt: „Mein höchster Wunsch ist erfüllt. Ich habe Italien gesehen und genossen...“ Der französische Romancier Stendhal traf 1817 die gewagte Feststellung: „Der Römer erscheint mir allen anderen Völkern in jeder Hinsicht überlegen“. Mark Twain dagegen mokierte sich 1867 über den Michelangelo-Kult in Rom: „Genug, genug! Sagen sie, der Schöpfer schuf Italien nach Entwürfen Michelangelos!“ Friedrich Nietzsche stellte 1882 lapidar fest: „Rom ist kein Ort für mich, soviel steht fest!“ Zuvor hatte in der Via Sistina Nr. 125 Nikolaj Gogol jahrelang über seinem bedeutendsten Roman „Die Toten Seelen“ gebrütet und Émile Zola notierte seine Beobachtungen über die Verwandlung Roms in eine moderne europäische Metropole in seinem Reisejournal von 1894. Wie so viele Rom- Reisende vor ihm und nach ihm war der Schweizer Kunsthistoriker Jacob Burckhardt 1846 tieftraurig, als er Rom Adieu sagen musste: „Ich weiß es jetzt, dass ich außerhalb Roms nie mehr recht glücklich sein werde“.
Cimitero Acattolico

Cimitero Acattolico


Zwischen dem Wiener Kongress 1814/15 und dem Revolutionsjahr 1848 waren „insgesamt 1.200 deutsche Künstler in Rom“, wie jemand herausgefunden haben will.

Besonders von sich reden machten die „Nazarener“, die Mitglieder des St. Lukasbundes, einer Vereinigung deutscher und österreichischer Maler, die der Romantik zugeordnet werden. Sie verschrieben sich einer sittenstrengen, religiösen Lebensweise. Den traditionellen Werdegang an den Akademien lehnten sie ab, da eine freie Entfaltung des Kunstschaffens dort nicht gewährleistet sei. Im deutschsprachigen Raum blieben die Aufträge aus. Sie verlegten deshalb ihren Sitz nach Rom, wo sie sich an antiken Fundstücken weiterbildeten und bald auch das leer stehende Kloster Sant`Isidoro am Pincio als ihr Malerquartier beziehen konnten. Und dann kamen auch die Aufträge für Arbeiten in der von ihnen perfekt beherrschten Freskotechnik. Zu den bekanntesten Mitarbeitern des Kollektivs zählten der Österreicher Joseph Anton Koch und als führender Kopf Friedrich Overbeck, Peter von Cornelius, der mit anderen Nazarenern den Palazzo Zuccari mit Fresken verschönerte und Friedrich Wilhelm von Schadow, Sohn des preußischen Bildhauers Johann Gottfried Schadow, der die Quadriga auf dem Brandenburger Tor entwarf.
Eingang zur Biblioteca Hertziana

Eingang zur Biblioteca Hertziana


Friedrich Rückert, Dichter, Sprachgenie und einer der Begründer der deutschen Orientalistik, reiste 1817 an den Tiber und hielt engen Kontakt zu den hier ansässigen Deutschrömern, mit denen auch der spätromantische Maler Ludwig Richter 1823 – 1826 verkehrte wie auch der Landschaftsmaler Johann Martin von Rohden, der viele Jahrzehnte in Rom verbrachte und auf dem vatikanischen Campo Santo Teutonico seine letzte Ruhestätte fand. Ferdinand Gregorovius, Ehrenbürger von Rom, verfasste in den Jahren 1859 – 1872 seine epochale „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ größtenteils in seiner Wohnung in der Via Gregoriana, nur einen Steinwurf von der Spanischen Treppe entfernt. Ein paar Jahrzehnte vor ihm wirkte August Kestner, Sohn von Charlotte Buff, der „Lotte“ in Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“, als königlich-hannoverscher Gesandter beim Heiligen Stuhl in Rom, betätigte sich als Kunstsammler und Archäologe und war einer der Wortführer der deutschrömischen Community. Sein Grab ist auf dem römischen Cimitero Acattolico wie auch das der Henriette Hertz, der umtriebigen Kunstsammlerin und Mäzenin, die ihren Palazzo Zuccari zum Treffpunkt der Deutschrömer gemacht hatte. Später stiftete sie ihn der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Heute ist hier die nach ihr benannte Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, Rom – beheimatet. Offene Begegnungsstätten für die vielen in Rom tätigen deutschen Schriftsteller, Forscher und Künstler waren auch die römischen Quartiere (Villa Malta und Palazzo Tomati) von Caroline und Wilhelm von Humboldt, als der Bruder von Alexander den Posten eines preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl innehatte. Während Humboldt nach seinem Rom-Aufenthalt u.a. als preußischer Gesandter in London lebte, ging Caroline von H. mit ihren drei Töchtern noch einmal für drei Jahre nach Rom zurück. Ihre Residenz, Casa Buti, lag wie die beiden anderen Quartiere nahe der Spanischen Treppe.

In den beiden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verdoppelte sich die Einwohnerzahl Roms auf 420.000.

1793 – 1824 Rom: Palazzo Montecitorio

Palazzo Montecitorio

Ein herausragendes urbanistisches Projekt war die Neugestaltung der Piazza del Popolo, Roms erster Platz in klassizistischer Manier. Ausgeführt von Giuseppe Valadier. Von ihm stammt auch das Casino Valadier, ein öffentliches Cafèhaus auf dem Pincio. Im Palazzo Montecitorio zog die Abgeordnetenkammer, das Parlament, ein. Der Senat belegte den Palazzo Madama nicht weit von der Piazza Navona und der König residierte im Quirinalspalast. Monumentale Verwaltungspaläste wie das Finanzministerium an der Via XX. Settembre oder der in einem bizarren Mischstil errichtete Justizpalast (Palazzo della Giustizia) neben der Engelsburg und vor allem das gigantische Nationalmonument zu Ehren des Königs Vittorio Emanuele II. nahe dem Forum wurden vor den Augen eines irritierten römischen Publikums aus dem Boden gestampft.

Rom: Quirinalspalast

Quirinalspalast

1871 – 1885

entstanden die „Lungotevere“, die Straßen entlang des Tiber, mit hohen Schutzmauern bewehrte Hochufer, die den Tiber kanalisierten und damit die jährlichen Überschwemmungen ein für alle Mal der Vergangenheit angehören ließen.

1873 – 1926

arbeitete man an der West-Ost-Achse Via del Plebiscito/Corso Vittorio Emanuele II. zwischen der Piazza Venezia und dem Tiber

1864 – 1935

und noch länger dauerte die Fertigstellung der Via Nazionale aus der Gegend um den Hauptbahnhof zur Piazza Venezia.





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