Text und Fotos: Stephan Eigendorf
Sandklaffmuschel sowie Herzmuschel und Miesmuschel, beide Gemein - und alle unbewohnt
In wenigen Minuten von Brasilien nach Kalifornien laufen oder mit dem Fahrrad fahren, immer mit Blick auf das Wasser? Nein, nicht mit dem Finger auf dem Globus oder der Karte, sondern in Person. Auf die Copacabana und den Sunset Strip mit den Engeln in Los Angeles (spanisch „Die Engel“) müssen Sie allerdings verzichten. Dafür bekommen sie den „Echten Norden“ Deutschlands mit all seinen lichten Seiten. Natürlich gibt es auch hier manchmal Schatten, aber die gehören nur am Rande in diese Story.
Solch ein Strandkorb hat ein wenig etwas von "My home is my castle"
Wir sind in der Probstei unterwegs, einer Region im Kreis Plön bei Kiel, der Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein. Genauer gesagt zieht es uns an die Küste nach Schönberger Strand in der Gemeinde Schönberg mit dem namensgebenden Hauptort wenige Kilometer im Landesinneren. Nur etwas mehr als 6.000 Einwohner zählt die Gemeinde, da verwundert es nicht, dass Brasilien mangels Masse nicht einmal ein Ortsteil ist. Derlei Feinheiten aus der Verwaltungswelt sind Besuchenden und Ansässigen vermutlich herzlich egal. Ihren Spaß mit der Namensgebung macht sich sogar die offizielle Tourismusvertretung in ihren Broschüren, was durchaus erfrischend wirkt.
Es gibt aber auch tierisch merkwürdige Straßennamen in Kalifornien. Im Hintergrund das Strandhotel
Ob die Namen Kalifornien und Brasilien nun tatsächlich auf das von Fischern gesponnenem Seemannsgarn um eine gefundene Schiffsplanke mit der Aufschrift „California“, die, öffentlich aufgehängt, schließlich mit „Brasilien“ gekontert wurde, zurückzuführen sind oder nicht, nun, wer weiß das. Am Deich tönt der eher älteren Musikliebhaberin bzw. dem -liebhaber aber vielleicht spontan etwas ganz real Existierendes im inneren Ohr, wenn sie, er oder auch beide das Namensschild des dort ansässigen Hotels erblicken: „Beach Hotel California“. Spling? Ja, da kommt doch aus dem Jahr 1976 möglicherweise ein Ohrwurm in die Gegenwart gekrochen, „Hotel California“ von dem gleichnamigen Album der Eagles. Lang ist’s her und um die im Text erzählte Story ranken sich auch merkwürdige Geschichten, aber das nur ganz nebenbei bemerkt.
Irgendwie auch von gestern: verblühte Strandrose / Wildrose (Rosa ragusa)
Der Name Probstei für die Region geht übrigens auf das Benediktinerinnen-Kloster in Preetz zurück. Das Nonnenkloster wurde Anfang des 13. Jahrhunderts gegründet und fand seinen festen Sitz nach mehreren Ortswechseln 1261 in Preetz. Die Ländereien als alleinige Grundherrschaft des Klosters wurden über 450 Jahre von dem jeweiligen Probst verwaltet, daher der bis dato bestehende Name, den auch das heutige Amt trägt. Die Menschen, die das Gebiet der Probstei bewohnten, waren persönlich frei, was in Zeiten der weit verbreiteten Leibeigenschaft durchaus besonders war. Die Reformation beendete zwar 1542 die Klostertätigkeit, doch die Anlage bestand als adliges Damenstift der Schleswig-Holsteinischen Ritterschaft weiter und wurde im Laufe der Zeit noch um Bauten erweitert, die in ihrer Gesamtheit heute unter Denkmalschutz stehen und ein touristischer Anziehungspunkt in der Probstei sind.
Ein optischer Fixpunkt im Gegenlicht
Ein solcher Anziehungspunkt ist Schönberger Strand in fußläufiger Entfernung von Brasilien und Kalifornien auch, aber aus anderen Gründen. Wer nach Bildern im Internet sucht, stößt vielfach auf die Ablichtung eines Gebäudes. Sein Erscheinungsbild ist gar nicht mal besonders herausragend, vielmehr bildet sein Eck-Türmchen einfach einen weithin sichtbaren optischen Mittelpunkt des Ortsteils, der dort mit einer Handvoll Einzelhandelsgeschäfte, einem Restaurant und in zweiter Reihe mit einem Supermarkt und der Tourismus-Info für eine Anmutung von kleinem Zentrum sorgt. Insofern ist dann doch wenigstens ein Teil des Baus "herausragend".
Einfach machen
Aber der eigentliche Reiz liegt vor und auf dem Gründeich. Bei dem Anblick über mehrere Tage mit wechselhaftem Wetter kam mir eine Zeile aus dem Song „Love Reign O’er Me“ vom 1973 erschienenen Konzeptalbum Quadrophenia von The Who in den Sinn: The way the beach is kissed by the sea (Die Art und Weise, wie der Strand vom Meer geküsst wird). Und der Strand ist viele Kilometer lang und das Wasser der Ostsee in seiner „Art und Weise“ immer wieder sehr unterschiedlich, mal glatt fast wie ein Gartenteich, mal sprüht die Gischt im böigen Wind und das Baltische Meer nagt wenig zärtlich an der Küste, auf die es trifft.
"Mann im Sturm" heißt diese Leihgabe von "Metallgestaltung Heiko Voss" aus Schönberg
Während die einen an einem solch windigen Tag, vielleicht nach einer Strandwanderung oder einem Sandburgenbau am Vortag bei Sonnenschein und Flaute, die Windjacke etwas fester zuziehen und sich auf den Deich zurückziehen, gehen andere ins Wasser. Jetzt erst recht! So z. B. in Brasilien, wo eine Wassersportschule u. a. das anbietet, was nur die Könnerinnen und Könner an solchen Tagen auf das nasse Element treibt: Surfen, aber weit mehr noch Kiten. Und das in rasantem Tempo mit teilweise weiten Sprüngen und abrupten Richtungswechseln in scheinbarer Perfektion, zumindest nach Ansicht der bewundernd zuschauenden Laien am trockenden Ufer.
Kitende am Wassersportabschnitt in Brasilien
Generell recht wenig an dem, was um sie herum passiert, sind die Schafe interessiert, die, eingehegt durch mobile Elektrozäune, mal hier oder mal dort am Deich das Gras kurz halten und den Deich verdichten. Dem dick und dicht bepelzten natürlichen Küstenschutz auf vier Beinen machen auch niedrige Temperaturen und Wind weit weniger zu schaffen, als uns Zweibeinern. Ohnehin ist man ja im Norden der Auffassung, dass richtiger Wind erst dann ist, wenn die Schafe keine Locken mehr haben.
Also, wer genau ist das Schwarze Schaf in der Familie?
Da dürfte man sich dann der Windstärke 12 recht nah angenähert haben, aber dann fängt im Norden eh erst das Schietwetter an, also das Scheißwetter. Natürlich augenzwinkernd. Dass die Norddeutschen unter Windstärke 5 umkippen und deshalb stets ordentlich Wind brauchen, gehört allerdings dann doch ins Reich der unbewiesenen Theorien. Tatsächlich kippen aber manche um, und nicht nur die Einheimischen.
Frisch in der Pfanne zubereitet und frisch aufgeploppt
Das hat dann aber andere Gründe, wie etwa übermäßig genossenes „Flens“, dem Gerstensaft in der Plop-Flasche aus der Brauerei in Flensburg. Gerne auch aufgeploppt zu frisch zubereitetem Fisch an den rustikalen Fischerbuden an der Waterkant in Schönberger Strand mit Blick auf Strand und Meer.
Pittoresker Anblick für Landratten, im Einsatz auf dem Wasser harte Arbeit
Auch wenn die vor den Buden auf dem Strand liegenden wenigen kleinen Fischerboote und Fang-Utensilien für ein authentisches und optisch attraktives Gesamtbild sorgen, muss auch hier konstatiert werden, dass die Zeit der hier in größerem Stil um 1900 begonnenen Fischerei als sicherer Berufszweig ganzer Familiengenerationen mit hart erarbeitetem Lebensunterhalt vorbei ist. Das Angebot der Küchen wird, wie andernorts auch, durch Importe der Meerestiere ergänzt.
Das liest sich doch lecker
Und trotzdem bleibt Fisch ein fester Teil der traditionellen Küche an den deutschen Küsten an Nord- wie Ostsee, oftmals im passenden Ambiente angeboten. Auch damit wird ein Teil der norddeutschen Identität, mitgeprägt vom Leben vom und mit dem Meer, gepflegt und bleibt lebendig. Eine gute Portion Seefahrer-Romantik gehört natürlich auch immer dazu.
Café hinter dem Deich in Schönberger Strand
Nicht wenige, die an den besagten Buden oder an einer der vielen anderen Locations entlang des Deichs einen Stopp einlegen, bringen ordentlich Kohldampf mit. Denn bei vielen ist Radeln angesagt und auch, wenn dabei weitaus mehr E-Bikes (Pedelecs) als motorlose Zweiräder zum Einsatz kommen, muss frau/man ja dennoch teils ordentlich treten, um von A nach B zu kommen. Und auf dem Ostsee-Radweg können A und B durchaus sehr weit auseinander liegen, denn er reicht von Flensburg über Kiel, Laboe und Lübeck bis Stralsund und weiter über Rügen bis nach Usedom an der Grenze zu Polen. Das sind rund 1.100 Kilometer.
Trotzt seit Jahrhunderten norddeutschem Schietwetter: das Holstentor in Lübeck mit der Salzspeichergruppe (rechts im Bild)
An zahlreichen Abschnitten der Strecke führt der Radweg tatsächlich direkt an der Ostsee entlang, so auch rund um Schönberger Strand. Breit und gut asphaltiert verläuft der Weg hier zwischen Strand und Gründeich. In den Sommermonaten zur Haupturlaubszeit müssen sich die Radelnden und Radreisenden den Weg allerdings mit weit mehr zu Fuß gehenden Mitmenschen teilen, als im Spätsommer nach bundesweitem Ferienende, einer Zeit, zu der diese Reportage entstand.
Traumhafte Wegverhältnisse auf dem Ostseeradweg bei Schönberger Strand, Brasilien und Kalifornien
Zudem sind diverse Abschnitte als Hundestrand deklariert, entsprechend viele Zweibeinige sind mit ihren Vierbeinern unterwegs.
Schon lange bevor vom menschengemachten Klimawandel die Rede war, wurde die deutsche Küste aus bitterer Erfahrung durch Deiche geschützt. In den verheerende Sturmfluten von 1362 und 1634 ertranken an der Nordseeküste so viele Menschen und ihr Vieh, dass die Fluten als Grote Mandränke (das große Ertrinken) in die Geschichte eingingen. Damals wurde so viel Land an der Festlandküste weggeschwemmt, dass stellenweise nur kleine Teile davon als Inseln zurückblieben, etwa die heutigen nordfriesischen Inseln wie Sylt, Amrum und Föhr.
Zu manchen Zeiten wird das aufgewühlte Meer zum Schaumschläger: angeschwemmte Schleimhüllen abgestorbener einzelliger Algen (Phaeocystis globosa) werden in der Brandung wie Eiweiß mit dem Schneebesen zu Schaum geschlagen
Auch wenn sich das Baltische Meer meist weniger rau als die Nordsee unter ihrem ozeanischen Einfluss durch den Atlantik zeigt, kann auch hier wettermäßig wirklich heftig die Post abgehen. Dann gehen auch keine Kitenden mehr auf das Wasser, weil die Gefahr für Leib und Leben zu groß ist. Gerne nehmen die Wellen bei der Gelegenheit auch Teile des Sandstrandes mit, was man an der Küste in den Gemeinden doch ebenso gerne vermeiden möchte.
Bewährte Maßnahme die Kraft der Wellen zu brechen
Da das Aufstellen von Verbotsschildern diesbezüglich wenig hilfreich ist, wurde schon in der Vergangenheit schweres Gestein aufgefahren und im Wasser aufgeschichtet. Verbotsschilder gibt es trotzdem, für die Menschen: Behaltet eure Füße bitte am Strand, danke. Die Seevögel, allen voran Möwen und Kormorane, freut’s.
Der Brückenkopf, danach kommt nur noch die Weite der Ostsee, in der anderen Richtung hat man aus über 200 Metern einen weiten Blick entlang der Küste
Den Erfolg der Maßnahmen entlang der Küste kann man sich von der Seebrücke in Schönberger Strand ansehen, wenn man sich denn dafür interessiert, was die meisten wohl eher nicht tun. Muss man auch nicht. Denn abgesehen davon ist die Seebrücke wirklich ein „nice place“. Vor allem an der Ostsee gibt es von diesen langen ins Wasser ragenden massiv gebauten Stegen etliche, angeregt vielleicht auch von Vorbildern wie denen in Heringsdorf auf Usedom oder in Sellin auf Rügen, dort mit ihren Restaurants auf Pfählen über dem Wasser. Meist dienen sie auch als Schiffsanlegeplatz, ohne extra einen Hafen bauen zu müssen. Und sie werden fast überall gerne aufgesucht, zumal diverse Sitzgelegenheiten zum Standard gehören und zum längeren Verweilen unbedingt und gewollt einladen, Meeresrauschen und Möwengeschrei inklusive. (weiter auf der zweiten Seite)
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