Fachwerk, ein falscher Dom und sagenhafte Laternen

Ein Kurzbesuch in der historischen Altstadt von Heppenheim

Text und Fotos: Stephan Eigendorf

 

Heppenheim - Fackwerkhäuser am Großen Markt

Die Skyline der Mainmetropole Frankfurt mit ihren Bürotürmen im Bankenviertel ist noch nicht lange außer Sicht, als der Zug nach Darmstadt und Bensheim in den kleinen Bahnhof Heppenheims einrollt. 2010 war die Stadt in vieler Munde, nachdem der gebürtige Heppenheimer Sebastian Vettel mit seinem Red-Bull-Boliden die gesamte Konkurrenz hinter sich gelassen hatte und bis dahin jüngster Formel-1-Doppelweltmeister aller Zeiten wurde. 2011 legte er noch eine Schippe drauf und gewann abermals den Titel, wie auch 2012 und schließlich 2013 zum vierten Mal. Wir wollen allerdings nicht auf den Spuren Vettels wandeln, sondern auf denen der Geschichte in der sehenswerten historischen Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern.

Heppenheim - Fackwerkhäuser am Großen Markt

Fachwerkhäuser am Großen Markt

Das mit rund 26.000 Einwohner*innen im Vergleich zu ihren Nachbarn Darmstadt und Mannheim deutlich kleinere Heppenheim liegt an der Bergstraße. Diese seit römischer Zeit als Handels- und Heerstraße genutzte Route führt am Westrand des Odenwaldes von Darmstadt in Hessen bis nach Wiesloch in Baden-Württemberg. Rund 20 qm der alten römischen Pflasterung wurden im Jahr 1955 bei Arbeiten an der Kanalisation in Heppenheim gefunden und geborgen. Heute kann man sich dieses historische Teilstück der römischen Bergstraße frei zugänglich in der Ferdinand-Feuerbach-Anlage an der Einmündung der Karlstraße in die Karl-Marx-Straße zwischen Bahnhof und Altstadt ansehen.

Fachwerk in der Altstadt

Heppenheim - altes Rathaus am Großen Markt

Rathaus

Auffälligstes Haus am Großen Markt, dem zentralen Platz inmitten des Ensembles der geschmackvoll restaurierten Fachwerkbauten in der Altstadt, ist das Rathaus. Hoch erhebt sich auf der im Jahr 1551 aus Stein erbauten Halle im Erdgeschoss in kräftigem Rot gehaltenes Fachwerk. Wie etliche andere Häuser in der Stadt fiel auch das Rathaus einem Brand zum Opfer, den französische Besatzungstruppen nach der Plünderung der Stadt 1693 legten. Nur das steinerne Erdgeschoss blieb damals stehen, auf das sieben Jahre später das heutige Barockfachwerk gebaut wurde. Nachdem 1958 abermals Feuer das Dachgeschoss stark beschädigte, bekam das Gebäude im Zuge des Wiederaufbaus auch ein neues Glockenspiel, das fünfmal am Tag zwischen 8 Uhr morgens und 10 Uhr abends erklingt.

Heppenheim - Liebig-Apotheke

Ehemalige Apotheke Pirsch

Gebrannt hat es auch im Dachstuhl des Gebäudes schräg gegenüber des Rathauses auf der anderen Marktplatzseite. Urheber des Brandes war der 1803 in Darmstadt geborene und später bekannt gewordene Chemiker Justus Liebig, der in der ehemaligen Apotheke Pirsch 1817/18 eine Lehre absolvierte und bei seinen privaten Experimenten mit Knallsilber, das man heute etwa in Knallerbsen findet, das Feuer ungewollt entfachte. Die erfolgreichen Löscharbeiten bedeuteten nicht nur das Ende für die züngelnden Flammen, sondern auch für seine Lehre. Dennoch zeugt noch heute eine Tafel an dem schmucken Anfang des 18. Jahrhunderts gebauten Fachwerkhaus, dass man die kurze Zeit des späteren Freiherrn in Heppenheim nicht vergessen hat.

Heppenheim - Marktbrunnen

Marktbrunnen

Zwischen Rathaus und Liebig-Apotheke steht seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein achteckiger Marktbrunnen aus Rotsandstein und lockert als optischer Nebeneffekt das Einheitsgrau des Pflastergranits auf dem Marktplatz ein wenig auf. Die Säule in der Brunnenmitte trägt eine Statue Marias als Immakulata mit goldener Lilie und ebensolchem Strahlenkranz. Aber ungeachtet religiöser Symbolik oder des Hauchs der Geschichte und Geschichtchen die die umstehenden Häuser umwehen, ist der Brunnen nach eigener Beobachtung offenbar das deutlich interessanteste Objekt für den kleinen Nachwuchs, der dem Ruf des plätschernden Wassers allzu bereitwillig folgt und bei nächster Gelegenheit flugs mit den Händen darin plantscht. Manchen Eltern mag’s recht sein, bietet sich doch so bei schönem Wetter die Gelegenheit, unter freiem Himmel an einem der Tische der Cafés und Restaurants am Platz etwas zu essen oder zu trinken, ohne den Spross aus den Augen zu verlieren.

Ein „falscher“ Dom?

Heppenheim - St. Peter - Dome der Bergstraße

St. Peter

Zwischen Rathaus und Touristikinformation mache ich mich auf durch die Kirchengasse in Richtung St. Peter. Zu jeder vollen Stunde hat die Glocke der zwischen 1900 und 1904 im gotischen Stil errichteten katholischen Kirche mir während der vergangenen Nacht im nahegelegenen Hotel deutlich gemacht, dass diese Nacht wohl nicht die längste werden würde hinsichtlich des Schlafes. Ein kurzer Schauer, der aus dem wolkenverhangenen Himmel niedergeht, kaum dass ich die Gasse betreten habe, lässt mir einen Besuch in dem imposanten Sakralbau noch reizvoller erscheinen.

Die Kirche ist übrigens nicht die erste, die an dieser Stelle erbaut wurde. Von den Bauten in den ersten Jahrhunderten nach der ersten urkundlichen Erwähnung Heppenheims und seiner Kirche 755 n. Chr. ist nichts geblieben, aber aus späterer Zeit gibt es Zeugnisse. Der untere Teil des Nordturms, der linke mit dem Uhrwerk, wurde im 11. Jahrhundert errichtet und die darauf gesetzten Stockwerke gehen immerhin noch bis auf die Mitte des 13. bzw. 18. Jahrhunderts zurück. Wenn man von außen genau hinsieht, stellt man auch fest, dass die beiden Türme sich architektonisch unterscheiden.

Heppenheim - Altar St. Peter

Blick auf den Altar

Im Inneren ist das Mittelschiff der dreischiffigen Basilika dank der zahlreichen großen Fenster lichtdurchflutet und wirkt offen. Eindrucksvollstes Interieur ist ohne Frage der prachtvolle Altar mit den darüber liegenden Fenstern, auf deren farbigem Glas Geschichten aus der Bibel dargestellt sind. Ihm gegenüber, direkt über dem Eingang, befindet sich die Kirchenorgel mit ihren Dutzenden blanken Pfeifen. Nachdem die alte Orgel unter anderem wegen Materialmängeln als nicht mehr reparaturfähig eingestuft worden war, wurde die heutige Orgel im März 1997 eingeweiht. Auch die Glocken von St. Peter sind neueren Datums, nachdem im Zweiten Weltkrieg die alten Glocken - wie viele andere auch - für die Produktion von Kriegsgerät eingeschmolzen worden waren, erklang erst 1951 das neue Geläut.

Heppenheim - Kirchenfenster St. Peter

Eines der Kirchenfenster

Auch wenn St. Peter als „Dom der Bergstraße“ bezeichnet wird, ist die Kirche doch kein echter Dom, denn sie war nie Bischofskirche. Vielmehr steht die Bezeichnung im Zusammenhang mit einer Begegnung des Pfarrers Bartholomäus Mischler mit dem Mainzer Bischof Kirstein nach der Weihe der Peterskirche, bei der letzterer geäußert hatte, dass der Kirche etwas fehlen würde, nämlich ein Bischof.

Heppenheim - ältestes Schulhaus

Das älteste Schulhaus

Wieder an der frischen Luft, fällt der Blick schräg gegenüber auf das älteste Schulhaus. Wie auf einer Infotafel an der Front des Fachwerkhauses aus der Zeit um 1680 zu lesen ist, befinden sich noch Mauerreste eines Wohnturmes des frühen Kirchenzwingers in den Untergeschossen an der Rückseite des Gebäudes. Daraus lässt sich schließen, dass die Kirche an dieser Stelle in der Vergangenheit nicht immer so offen dastand, sondern befestigt gewesen sein muss.

Die Starkenburg

Apropos Festung, neben dem alten Schulhaus wandert der Blick über die dahinter liegenden Weinberge hinauf auf den 295 Meter hohen Schlossberg zur Starkenburg, nach der die Region benannt ist. Die im Jahre 1065 im Auftrag des Abtes der Reichsabtei Lorsch Udalreich errichtete Burg gehört zu den ältesten im westlichen Odenwald. 1229 ging zuerst die Burg und 1232 schließlich das Kloster und damit auch das im Besitz des Klosters befindliche Heppenheim in den Besitz des Kurfürsten von Mainz über. Ein Überbleibsel aus dieser Zeit ist der Kurmainzer Amtshof in der Altstadt Heppenheims. Der heutige Bau ist vermutlich nach dem verheerenden Stadtbrand 1369, der nur wenige Häuser verschonte, errichtet worden und gehört zu den ältesten Gebäuden der Stadt. Sehenswert ist der mit gotischen Wandmalereien verzierte Kurfürstensaal im Hauptgebäude, dem ältesten Teil des Amtshofs. Im früheren Marstallgebäude aus dem 16. Jahrhundert, dem Bau für Pferde, Kutschen und Geschirr, auf dem Areal ist heute ein Teil des Museums für Stadtgeschichte und Volkskunde untergebracht. Früher wie heute ist der Amtshof Schauplatz für Versammlungen und Feste.

Heppenheim - Starkenburg

Blick auf die Starkenburg über den Weinbergen

Aber die Herren auf der Starkenburg und das zu ihren Füßen gelegene Heppenheim waren nicht immer Herr der Lage. 1621 besetzten spanische Truppen die Starkenburg und 1630 waren es die Schweden. Besonders schlecht erging es den Heppenheimern unter den französischen Besatzungstruppen. Nicht genug, dass die Pestepidemie 1635 schlimm unter den Stadtbewohner gewütet hatte, zogen die Franzosen erst 1645 im Dreißigjährigen Krieg, dann im Zuge der Pfälzischen Erbfolgekriege 1689 und schließlich 1693 plündernd und diesmal auch brandschatzend durch die Stadt. Die Garnison auf der 1680 noch einmal verstärkten Wehrburg konnte nur von oben zusehen. Nach 1765 verlor die Starkenburg an strategischer und militärischer Bedeutung, die Garnison zog ab und die Gebäude verfielen, wurden zum Steinbruch und Opfer der Unbilden des Wetters. Im 18. Jahrhundert wurde der Verfall gestoppt und in der Folgezeit einiges wieder aufgebaut. Heute ist auf der Starkenburg in einem Neubau eine Jugendherberge untergebracht.

Und wenn es Nacht wird in der Heppenheimer Altstadt ...

Heppenheim - Laterne mit Scherenschnitt

... dann gehen die Lichter an und es wird „sagenhaft“. Über 150 Scherenschnitte des nordhessischen Figurenspielers und Erzählers Albert Völkl schmücken seit 2004 die Straßenlaternen in den Gassen der Altstadt. Sie illustrieren Sagen aus ganz Hessen aus vergangenen Zeiten, bekannte und fast vergessene, in denen es um Ritter ebenso geht wie den Teufel, um Liebe, Geld und Gier, und um Mut und Heldentaten. Da die Scherenschnitte auf dem Laternenweg nicht immer selbsterklärend sind, kann man die Geschichten auf kleinen Tafeln, die mal am Laternenpfahl, mal an einer Hauswand befestigt sind, nachlesen. In den Sommermonaten finden auch Führungen statt.

Heppenheim - Sagentafel

 

Informationen

Tourist-Information Heppenheim
Großer Markt 1
64646 Heppenheim
Tel. +49(0)6252/13-1171
Fax +49(0)6252/13-1173
E-Mail: tourismus@stadt.heppenheim.de
www.heppenheim.de

Sehenswertes

Museum für Stadtgeschichte und Volkskunde
Kurmainzer Amtshof
Amtsgasse 5
64646 Heppenheim
Tel. +49(0)6252/69112
Fax +49(0)6252/69162
E-Mail: museum@stadt.heppenheim.de
Öffnungszeiten: Mi., Do., Sa. 14-17 Uhr, Sonn- und Feiertage 14-18 Uhr

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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Reiseführer Bremen

Sehenswertes in Bremen, Touren durch die Stadt, Tipps und Hintergrundgeschichten ausführlich beschrieben mit vielen Fotos. Darüber hinaus gibt es Ausflugstouren über die Stadtgrenzen hinaus, etwa nach Bremerhaven oder nach Walsrode in den Weltvogelpark.

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Reiseführer Rostock

Die Geschicke der 1265 aus drei Stadtsiedlungen entstandenen Stadt Rostock waren schon immer mit dem Wasser verknüpft. Schon früh war sie ein wichtiger Teil der Hanse und der Handel über See machte die Kaufleute und somit die Stadt wohlhabend, was sich zum Beispiel in der Architektur am Neuen Markt und anderen Teilen der Altstadt bemerkbar macht. Zeugnisse der norddeutschen Backsteingotik haben den Denkmalschutz auf den Plan gerufen, um den Erhalt historischer Gebäude im Stadtkern zu sichern, mit Erfolg.

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Kiel: Top-Sehenswürdigkeiten in der Fördestadt und ein Ausflug nach Laboe

Ein guter Ausgangspunkt um die Stadt heute, Jahrzehnte nach Kriegsende, zu erkunden, ist der zentral gelegene Hauptbahnhof. Auf der Hauptstraße Sophienblatt, die vor dem Gebäude verläuft, treffen alle wichtigen Buslinien zusammen, viel Sehenswertes kann man aber auch problemlos von hier zu Fuß in einem mehrstündigen Spaziergang erreichen.

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Rügen: Wandern und Radfahren rund um Göhren

Wer lieber mit dem Rad wandert als per pedes, findet auf dem Mönchgut gute Voraussetzungen und anders als Verleihnix in dem berühmten gallischen Dorf aus dem Kultcomic Asterix, verleiht man in Göhren gerne vieles, so auch Fahrräder - natürlich gegen Bares. Aber dafür sparen sich Bahnreisende das nervige Gerödel mit den Zweirädern.

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Helgoland - Fels in der Brandung

Knapp 50 Kilometer vor Schleswig-Holsteins Küste gelegen, ist Helgoland jedes Jahr Ziel Tausender Besucherinnen und Besucher, die meisten davon Tagestouristen in den wärmeren Monaten. Ausflugsschiffe laufen Helgoland von Bremerhaven, Büsum oder vom „Alte Liebe“ genannten Anleger im Hafen der niedersächsischen Stadt Cuxhaven an der Elbemündung aus an.

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Per Rad durch Cuxhavens Seebäder

Leider ist die deutsche Nordseeküste, wenn man von den ost- und nordfriesischen Inseln einmal absieht, von der Natur nicht so reich mit Sandstränden bedacht worden, wie die Anrainerländer Niederlande und besonders Dänemark. Natürlich gibt es auch viele schöne Ecken jenseits der Sandstrände und Sand allein ist nicht alles im Urlaub, aber für viele hat ein Sandstrand eben doch eine große Bedeutung und deshalb steppt in den Sommermonaten in den Seebädern Döse, Duhnen und Sahlenburg vor allem an den Wochenenden der Bär.

Cuxhaven und seine Seebäder Döse, Duhnen und Sahlenburg

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Norden Norddeich

Auf den ersten Blick könnte man den Eindruck gewinnen, das Nordsee-Heilbad sei nur die Transferstation für die Urlauber, die es in Scharen auf die Inseln Juist und Noderney zieht. Aber jenseits dessen zeigt sich Norddeich als weit weniger hektischer und überschaubar kleiner Küstenurlaubsort. In dem staatlich anerkannten Nordseebad wird erst seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts der Tourismus gefördert, offenbar mit Erfolg, wie mehr als 1 Mio. Übernachtungen jährlich zeigen.

Norden Norddeich - Drachenfest

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Büsum - Nordsee-Heilbad am Wattenmeer

Einst war Büsum eine Insel, immer wieder bedroht vom „Blanken Hans“. Bedroht von gewaltigen Sturmfluten wie der mehrtägigen Groten Mandrenke im Januar 1362, bei der nach mancher Interpretation das sagenumwobene Rungholt etwas weiter nördlich bei Nordstrand und Pellworm für immer in den Fluten versank. Als die größte Flut des letzten Jahrhunderts 1962 das Nordsee-Heilbad bedrohte, war Büsum allerdings schon lange mit dem Festland verbunden, nämlich seit 1585. Heute zählt der gut 5000-Seelen-Ort im Kreis Dithmarschen zu den wichtigsten Urlaubsorten an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins.

Büsum

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