DAS PORTAL DEUTSCHSPRACHIGER REISEJOURNALISTEN

Münsters unbekanntere Seiten –
Bahnhof-, Kreuz-, Lamberti- und Servatiiviertel

Text und fotos: ferdinand dupuis-panther

Wer die Innenstadt von Münster mit dem Dom, dem Prinzipalmarkt, der Lambertikirche oder der Kirche Liebfrauen Überwasser kennt, der wird auf dieser Rundtour eher unbekannte Ecken der Universitäts- und Bischofsstadt kennen lernen. Dabei wird man neben Barockarchitektur auch moderne Architektur und Bauten der 1920er Jahre entdecken.

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Längst begrünt ist der einstige Festungsgürtel der Stadt

Eine „Kathedrale der Eisenbahn“ ist der Hauptbahnhof von Münster wahrlich nicht. An die Architektur der Bahnhöfe von Leipzig oder gar Antwerpen reicht die des hiesigen Hauptbahnhofs, der 1890 erbaut, 1929 und 1930, aber auch in den 1950er und 1960er Jahren umgestaltet wurde, nicht heran. Entlang der Bahnhofsstraße reihen sich heute Bahnhofsdirektion, Ladengeschäfte und das Empfangsgebäude aneinander. Jüngstes Kind der Bahnhofsgestaltung ist das gläserne Fahrradparkhaus und die Radstation. Doch ein Facelifting für das Eingangsgebäude steht immer noch aus. Über die Windhorststraße erreichen wir die Von-Vincke-Straße und die dahinterliegende sogenannte Promenade, einst der Befestigungsgürtel mit doppelten Wall- und Grabenanlagen. Zu dieser Stadtbefestigung gehörte auch der Buddenturm an der Münzstraße sowie der sogenannte Wasserbär Kleimannstraße. Heute ist die Promenade ein durchgrünter 4,5 km langer Rundweg um die innere Stadt. Zu verdanken ist dies dem Gartenbaumeisterr Adolf Kleimann, der für die systematische Umgestaltung am Ende des 19. Jahrhunderts sorgte. So wurden die Gräben zugeschüttet und Alleebäume gepflanzt. Bevor wir auf die Promenade einbiegen, werfen wir noch einen Blick auf die ehemaligen Villa Bönninghaus, in der heute das Museum für Lackkunst untergebracht ist. Sie befindet sich gegenüber der Engelschanze. Das rote Mansardendach und der mit Säulen bestandene Mittelteil der Villa nebst vorgelagerter Freitreppe sind die ins Auge springenden Architekturmerkmale des 1914/1915 errichteten heutigen Museumsbaus.

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Architektur der 1960er Jahre:
Das Iduna-Hochhaus

Am Servatiiplatz stoßen wir auf das Anfang der 1960er Jahre erbaute Iduna-Hochhaus, das an der Nahtstelle von Altstadt und der Stadterweiterung des 19.Jahrhunderts steht. Mies van der Rohe stand bei der Entwurfskonzeption wohl Pate, als das elfgeschossige Gebäude mit gerasterter Vorhangfassade konzipiert wurde. Schräg gegenüber erblicken wir die von Otto Bartning entworfene Erlöserkiche in hellrotem Stein. Bei der Kirche handelt es sich um einen Sakralbau, der nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg als Notkirche entstand. Anders als die anderen Notkirchen in Deutschland, auf die sich Bartning spezialisiert hatte, verfügt die Erlöserkirche über niedrige Seitenschiffe. Das Kircheninnere erinnert ein wenig an ein riesiges Zeltdach. Über die Piusallee setzen wir die Tour fort und kommen dabei an der 1936 entstandenen Villa General Hahn vorbei. Benannt ist sie nach dem Fliegergeneral Hans Hahn, der hier in den späten 1930er Jahren wohnte. Nicht zu übersehen sind die klassizistischen Anleihen der Villa. Am Ende der Straße befindet sich die Siedlung Schnorrenberg, die sich entlang des Niedersachenrings ebenso erstreckt wie an der Piusallee und der Flensburger und Holsteiner Straße. Erbaut wurde diese Siedlung in Zeilenbauweise im Auftrag des Beamtenwohnvereins. Auffallend sind die gelb getünchten Fassaden am Niedersachsenring, während im Siedlungsinneren Grau- und Blautöne überwiegen. Zumeist sind die Wohnhäuser zweigeschossig, teilweise finden sich vierachsige Dachgauben.

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Längst anders genutzt: Das ehemalige Kanalwasserpumpwerk

Nachfolgend entdecken wir in der Gartenstraße das ehemalige Kanalwasserpumpwerk (1901-05), teilweise in Fachwerkarchitektur erbaut. Dieses Pumpwerk diente dazu, das Brauchwasser der Stadt auf die nördlich der Stadt gelegenen Rieselfelder zu pumpen. Unterdessen befindet sich im Pumpenhaus die Filmwerkstatt Münster, da man nunmehr ein Zentralpumpenwerk in Betrieb genommen hat, sodass man auf das Kanalpumpenwerk mit Maschinenhalle und Wärterhaus verzichten kann. In einer Grünanlage unweit des Kanalpumpwerks sehen wir zwei Betonringe, wie sie in Abwasserkanälen verbaut werden. Dieses „Denkmal“ erinnert daran, dass von 1894 bis 1898 entlang der Stadtgrenze Münsters ein drei Kilometer langer Hauptentwässerungskanal gebaut wurde. Dieser sammelte Abwässer aus dem Gebiet St. Mauritz. Hundert Jahre später wurde mittels Rohrvortrieb der Kanal erneuert.

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Ein gleichseitiges Dreieck bestimmt diesen Sakralbau

Über das renaturierte Flüsschen Aa und die Kanalstraße hinweglaufend kommen wir zur ehemaligen Kirche St.Bonifatius, die einen frei stehenden Glockenturm besitzt. Das Kirchenschiff auf parabelförmigem Grundriss ist ebenso wie der Turm mit Ziegeln verkleidet. Wegen fehlender Gemeindemitglieder wurde die Kirche vor Jahren verkauft und nun als Verlagshaus genutzt. Wir bleiben auf dem Ring rund um die Stadt und stoßen im weiteren Verlauf am Friesenring auf die Versöhnungskirche, ein Kind der frühen 1960er Jahre. Auffallend ist das eingeschossige Basisgeschoss auf das das steile Dach aufgesetzt wurde. Das Dach gleicht einem gleichseitigen Dreieck mit Dreiecksrasterung des Giebels.

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Mal ein anderes Möbelhaus und doch nicht IKEA

Schräg gegenüber steht die Dreifaltigkeitskirche, die 1938 und 1939 als Ziegelbau mit massivem rechteckigen Turm errichtet wurde. Dieser Turm erscheint wie ins Kirchenschiff hineingeschoben. Das Westportal zeichnet sich durch einen spitzbogigen Einschnitt in den Baukörper aus. Geht man wenige Schritte an der Kirche vorbei in die Grevener Straße hinein, steht man vor RS + Yellow Möbel, kein kastenförmiges Möbelhaus am Rande der Stadt, sondern drei Möbelgeschäfte mit 5000 qm, die sich um einen inneren Parkplatz herum gruppieren. Markant sind nicht nur der Werbeturm, sondern auch das schwebende Dach in zwölf Meter Höhe. Aus Klinker und Glas sind die vorherrschenden Bauelemente gefertigt worden, die mit überbreiten Holzrahmen eingefasst sind, sodass die Assoziation an offene Kisten aufkommen kann.

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Hier wohnten einst Offiziere

Über die Grevener Straße in Richtung Kreuzviertel gelangen wir in ein Wohnviertel nördlich des Schlosses. Im Auftrag des Heeresbauamtes entstanden in den 1920er Jahren Mietshäuser in der Melcherstraße unweit des Schlosstheaters. Diese Wohnbauten dienten als Unterkünfte für Offiziere mittlerer Dienstgrade, die in der benachbarten Kaserne ihren Dienst versahen. Auffallend ist die rostrote Fassung der Fenster der beiden unteren Geschosse. Diese Fassung hebt sich deutlich vom hellen Fassadenanstrich ab. Der achtachsige vorspringende Gebäudeteil am Kanonierplatz ist mit Bauschmuck versehen. Dieser besteht aus Relieffeldern mit Motiven wie Helm, Schwert und Lorbeerkranz. Hans Ostermann zeichnete für den Entwurf des 1953 erbauten Schlosstheaters verantwortlich, zu dem ein Café und neuerdings auch ein Bouleplatz gehören. Beim Schlosstheater handelt es sich um gutes Beispiel der Lichtspielarchitektur jener Zeit, gekennzeichnet durch eine leicht geschwungene Fassade und ein halbrundes Foyer mit Eingang und Kassenhalle.

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Hochherrschaftliche Wohnkultur im Kreuzviertel

Im Kreuzviertel findet man nicht nur Mietshäuser aus dem Beginn des 20.Jahrhunderts, sondern auch Wohnsiedlungen der 1920er Jahre wie in der Görresstraße. Hier stehen 21 Ein- und Zweifamilienhäuser, die in ihrer Architektur eher schlicht anmuten. Klinkerfassaden statt Putzbauten sind typisch für die Wohnhäuser in der Kellermannstraße. Entlang der Studtstraße, insbesondere dort, wo sie sich platzartig erweitert, finden wir unter anderem die Villa Busz, deren Architektur sich am Münsteraner Heimatstil orientiert. Sogenannte Lünettefenster krönen die links und rechts vom Eingang vorspringenden Fassadenelemente. Der Eingang selbst wird von ionischen Säulen flankiert. Am Ende der Straße und an der Einmündung zur Lazarettstraße steht ein Luftschutzbunker aus dem Jahr 1941, in dem 530 Menschen Schutz finden konnten. Bis heute gibt es keine realistische Nutzungsidee für diesen von zwei Türmen flankierten Bau. Über die Lazarettstraße gelangen wir zur Promenade und zum sogenannten Wasserbär Kleimannstraße. Bei Letzterem handelt es sich um ein Wehr, das den Wasserstand der Gräben regulieren sollte.

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Erinnerung an die Zeit des Wiederaufbaus nach dem II.Weltkrieg

Vor der Einmündung der Promenade in die Straße Neutor steht die sogenannte Trümmerlok (Bj. 1910). Mit dieser Lok und Kipploren wurden nach dem Zweiten Weltkrieg 2,5 Millionen Kubikmeter Trümmermassen aus der Stadt geschafft. Nur wenige Schritte sind es von hier zu den beiden Torhäusern des Neutors. Sie dienten einst als Wache und Torschreiberei. Es sind schlichte Ziegelbauten mit Walmdach und einem vorgesetzten Eingang mit hölzernen toskanischen Säulen.

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Das von Friedrich Drake gestaltete Grabmal
des Generals Roth von Schreckenstein

Über die Wilhelmstraße gelangen wir zum aufgelassenen Alten Überwasserfriedhof. Zwei Grabmonumente springen dem Besucher sofort ins Auge: das sockelartige Grabmonument mit liegendem Löwen obenauf für den Königlich Preußischen Generalleutnant Wilhelm von Horn und das von Friedrich Drake gestaltete Grabmal des Generals Roth von Schreckenstein mit dem Bildnis des Verstorbenen. Unterdessen sind wir in der Nähe des Schlosses angekommen, dessen Areal von einem Grabenlauf umgeben ist. In der Grünanlage rund um das Schloss findet man gleich zwei Kunstwerke im öffentlichen Raum, die im Zuge der Skulptur-Projekte in den letzten Jahrzehnten entstanden sind. Auf der Wiesenfläche an der Einsteinstraße steht das sanctuarium von Herman de Vries. Es handelt sich um ein backsteinernes Rondel mit ovalen sandsteingerahmten Durchblicken, durch die man ins Innere schauen kann. Im Inneren hat die Natur das Sagen, ohne jeden Eingriff des Menschen, sodass der Titel des Kunstwerks „Schutzraum“ gut gewählt ist. Nur noch einer von drei mächtigen Steinen des von Georg Brecht 1987 geschaffenen Kunstobjekts „Void“ ist vorhanden. „Void“, „Leere“, ist als Schriftzug aus dem Stein herausgemeißelt worden.

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Archiskulptur vor dem Graben der ehemaligen Zitadelle

Über den Grünzug dies- und jenseits des Grabensystems erreichen wir den Botanischen Garten hinter dem Schloss. Hier gedeihen Goldkörbchen und Weiße Wald-Astern. Knollenbegonien findet man ebenso wie Japanische Myrte. Kanarische Dattelpalmen werden als Kübelpflanzen präsentiert, während man Ananas, Echte Vanille, Chili, Riesen-Pfeifenblumen und andere Exoten in Gewächshäusern zu sehen bekommt. Fleischfressende Pflanzen wie Fettkraut und Sonnentau, aber auch Kannenpflanzen sind im Botanischen Garten außerdem „heimisch“ geworden. Fischschwanzpalmen, Bambus und Frangipani sowie Europäische Zwergpalme sind nicht für das hiesige Klima gemacht und überleben nur in einem der Gewächshäuser.

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Inszenierte Dünenlandschaft im Botanischen Garten

Der Botanische Garten verfügt neben einem Riech- und Tastgarten, in dem man auch Schokoladenblumen findet, über eine Pflanzensystematik und ein Arboretum. Auch die Pflanzenwelt Neuseelands kann man im Garten entdecken.

Am Schloss und an Per Kirkebys Bushaltestelle vorbeilaufend, lenken wir unsere Schritte ins Überwasserviertel. Die als Klosterkirche in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts erbaute Observantenkirche, die heutige evangelische Universitätskirche, liegt ebenso auf unserem Weg wie das Kiepenkerldenkmal. In der Ferne erhebt sich der Turm der Martinikirche über den Dächern der Stadt.

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Barock-beschwingt und doch nicht überladen:
die Observantenkirche im Überwasserviertel

Bevor wir jedoch zu diesem Sakralbau gelangen, müssen wir die Apostelkirche passieren. Außer einem kleinen Dachtürmchen besitzt dieses Gotteshaus keinen weiteren Turm. Bei dieser Kirche handelt es sich um den ältesten erhaltenen Bau der Minoriten im Münsterland. Die Apostelkirche ist obendrein die erste gotische Kirche der Stadt. Sie wurde aus Bruch-, Back- und Sandstein erbaut. Schräg gegenüber des Gotteshauses liegen das Stadttheater und das Kleine Haus, zwei Theaterbauten aus den 1950er und späten 1960er Jahren. Die hinter den Theaterbauten sich erhebende Martinikirche umlaufen wir, um zur Stiftsherrenstraße zu gelangen. Diese entlanglaufend kommen wir zur leicht bogenförmig angelegeten ehemaligen Gewerblichen Fortbildungsschule an der Lotharingerstraße.

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Der Zwinger: einst ein Bollwerk gegen Angriffe mit Feuerwaffen

In der dahinter liegenden Grünanlage steht als Beispiel des Festungsbaus aus den ersten Tagen der Feuerwaffen der mächtige Zwinger. Er diente als Teil des Außenwalls dazu, die aus der Stadt herausfließende Aa zu kontrollieren. 1731 bezog man den Zwinger in die Planung für ein Zuchthaus ein. Im Zwinger wurden bis 1911 die Schwerverbrecher verwahrt. Auch zwischen 1943 und 1945 wurde der Zwinger als Gewahrsam genutzt. Für das Skulptur-Projekt 1987 wurde von Rebecca Horn die Installation „Das gegenläufige Konzert“ konzipiert, die im Zwinger ihren Platz fand. Dank des Ankaufs der Arbeit ist diese nunmehr dauerhaft jeweils sonntags und nur während der Sommermonate für die Öffentlichkeit zugänglich.

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Moderne Architektur im Herzen der Stadt: die Stadtbücherei

Im Verlauf der Lotharingerstraße stoßen wir auf ein hypermodernes Bauwerk. Es handelt sich um die 2003 erbaute Dreifachsporthalle aus Glas und Stahl und einem mit Aluminium verkleideten Dach, das einer flach gedrückten Rolle ähnlich ist. Gleich um die Ecke steht die ehemalige Kirche der Lotharinger Chorfrauen St. Maria Virgo aus dem 18.Jahrhundert, die zeitweilig auch als Kaserne genutzt wurde. Über die Hörsterstraße und Bült setzen wir unseren Weg nun fort, um so zur Stadtbücherei zu gelangen. Dabei verlassen wir das Martiniviertel und begeben uns ins Lambertiviertel. Die Stadtbücherei entstand zwischen 1987 und 1993. Die federführenden Architekten Bolles-Wilson und Partner spielen mit achsialen und konkaven Formen, haben den Baukörper gleichsam geteilt und beide Teile mit einer Brücke verbunden. Ein kleines Platzareal ist vor dem nördlichen, einem im Grundriss an einen Bumerang erinnernden Baukomplex entstanden. Nebenan steht im Alten Steinweg das Krameramtshaus, das letzte der 17 Gildehäuser Münsters, das erhalten geblieben ist.

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Vom Kaufhaus zum (Stadt)museum. das ehemalige
Kaufhaus Rawe

Nächste und abschließende Station unserer Tour ist das ehemalige Kaufhaus Rawe, in dem heute das Stadtmuseum untergebracht ist. Es war das erste große Warenhaus in Münster und wurden 1910 bis 1913 erbaut. Markant ist die Gliederung der Fassade durch strebepfeilartige Stützen, zwischen denen die Schaufenster eingefügt sind. Nur wenige Schritte von hier steht die Kirche St. Servatii, eine zweijochige Stufenhalle mit großen rundbogigen Fenstern, die allerdings erst beim Wiederaufbau 1946 bis 1952 in die Fassade eingefügt wurden. Über die Promenade gelangen wir zurück zum Hauptbahnhof.

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Als zweijochige Stufenhalle erbaut: St. Servatii

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