Reiseführer Madrid
Touren durch die Stadt
Tour 1: Zwischen Plaza Mayor und Palacio Real: Geschichte und Gegenwart einer jungen Hauptstadt
Diese Tour führt durch den westlichen und südlichen Teil des historischen Zentrums der spanischen Hauptstadt. Wir begleiten Sie zu den wichtigsten Monumenten Madrids im „Habsburgerviertel“ (Plaza Mayor, Königspalast, Almudena-Kathedrale) und damit auch zu den wichtigsten Episoden seiner Stadtgeschichte. Der zweite Teil des Rundgangs führt uns dann von den Zeugnissen vergangener spanischer Macht in die prall-lebendige Gegenwart von Latina und Lavapiés, zwei der traditionellsten Stadtviertel. Hier treffen wir auf die Madrider Folklore mit ihren volkstümlichen Helden und unterhaltsamen Anekdoten. Zugleich erleben wir hautnah den vor Vitalität strotzenden Alltag: alt eingesessene Läden, Einwanderer aus aller Welt, Straßenverkäufer, kleine Theater, Bohemiens (oder solche, die es gerne wären).
Wir beginnen unseren ca. zweistündigen Rundgang auf der Plaza Mayor. Sie ist so etwas wie Madrids gute Stube: ein harmonisches Gesamtensemble, fern vom Trubel der Großstadt, wo aber dennoch immer für Abwechslung gesorgt ist.
Wir verlassen den Platz durch einen Torbogen im äußersten Südwesteck, nach der Zunft der Messerschleifer, die hier ihre Geschäfte hatten, Arco de Cuchilleros genannt. Am unteren Ende der Treppe überqueren wir die wenig befahrene calle de Cuchilleros und können so noch einmal einen Blick auf die Westfassade der Plaza Mayor werfen.
Wir betreten nun Straßenzüge, deren Struktur seit der Habsburgerzeit nahezu unverändert geblieben ist, und die aus diesem Grund auch als „Habsburgerviertel“ („Austrias“) bezeichnet werden. Die Bebauung stammt zum größten Teil aus dem 19. Jahrhundert, ist also nicht mit jener der Habsburgerzeit identisch. Zum Glück lässt sich aber auch der früher so beliebte Ausspruch von Madrid als Misthaufen Europas nicht mehr auf diese Gegend anwenden. Ganz im Gegenteil. Nicht nur peinlich sauber sind diese Gassen, sondern gerade wegen ihrer vielen Kurven sehr idyllisch. Immer wieder öffnen sich kleine Plätze mit ruhigen Straßencafés, wie zum Beispiel die Plaza del Conde de Miranda. Nach ein paar weiteren Kurven stoßen wir dann wieder unverhofft auf einen etwas größeren Platz, die Plaza de la Villa, eine Art kleine, nicht ganz so mondäne Variante der Plaza Mayor, architektonisch und historisch aber nicht minder interessant.
Wir verlassen die Plaza de la Villa zur calle Mayor hin, die direkt an diesem Platz vorbei führt und biegen scharf nach links ab. Dies verschafft uns die Gelegenheit, die Hauptfassade des Madrider Rathauses, die Casa de la Villa und ihre klassizistische Säulenreihe zu betrachten.Auf der calle Mayor, dem einstigen höfischen Zentrum im habsburgischen Madrid, gibt es zwar nach wie vor alt eingesessene Läden, von Buchhandlungen bis hin zu Gitarrengeschäften. Doch hat diese Straße ihre Stellung als Flaniermeile längst eingebüßt. Auf der etwa ein Kilometer weiter nördlich gelegenen Gran Vía schlägt heute shoppingtechnisch der Puls der Zeit. Zum Glück für die calle Mayor, kann man da nur sagen, denn dadurch ist sie von Neonreklame, schriller Musik und Menschenmassen verschont geblieben – und hat sich bis heute etwas von ihrer Ursprünglichkeit bewahrt.
An ihrem Ende, auf der Höhe einer Engelsstatue, die an ein Attentat auf König Alfons XIII. und seine Braut im Jahr 1905 erinnert, überqueren wir die Straße. Wir lassen die Miniaturabbildung einer der ältesten Madrider Kirchen, Santa María de la Almudena, sowie ihre unter einer Glasabdeckung ausgestellten Überreste links liegen.
Auf unserem Spaziergang durch das historische Zentrum Madrids haben wir uns bisher nicht nur immer weiter nach Westen bewegt, sondern auch immer weiter zurück zu den Anfängen der Stadtgeschichte, und das bedeutet zum muslimischen Madrid. Kurz hinter der traurigen Kirchenruine machen wir am Ende dieser kleinen Gasse einen kleinen Linksbogen und sehen schräg links vor uns das nächste Monument unserer historischen Tour: den Madrider Königspalast (Palacio Real). An dieser Stelle befand sich seit dem 9. Jahrhundert der Alcázar, der Palast des muslimischen Militärgouverneurs, der die neu gegründete Garnisonsstadt von hier aus verwaltete. An der östlichen Seite des Königspalastes schließt sich die grandiose Plaza de Oriente mit einem kleinen Park, einer Skulpturengalerie sowie dem Teatro Real an ihrer Ostseite an.
Wir kehren auf der Plaza de Oriente wieder um, passieren die Hauptfassade des Königspalastes und stoßen direkt dahinter auf die Almudena-Kathedrale, deren Nordfassade sich stilistisch an den Palacio Real anschließt. Ein Besuch des Bauwerks ist über den Haupteingang zur calle Bailén hin möglich. Biegen wir in die abschüssige Cuesta de la Vega nach rechts ein, so können wir neben einem Blick auf die gesichtslosen Stadtteile neueren Datums rechter Hand auch den Eingang zur Krypta der Almudena-Kathedrale sehen, flankiert von einer Kopie der Jungfrauenskulptur der Almudena. Auch hier ist die Besichtigung möglich, sollte an dieser Stelle nicht gerade wieder eine Hochzeit stattfinden.
Die Cuesta de la Vega führt uns serpentinenartig an den Überresten der muslimischen Stadtmauer aus dem 9. Jahrhundert vorbei und unter dem Viadukt aus den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts hindurch. Halten Sie kurz die Luft an, um nicht von den unangenehmen Gerüchen überrascht zu werden. An der Südseite des Palacio de Uceda sowie der Iglesia del Sacramento macht die Gasse eine kleine Rechtskurve und fällt zur calle Segovia hin ab. Mit einem Blick nach rechts können Sie nochmals den Höhenunterschied ermessen, den der eben passierte Viadukt überbrückt.
Palacio de Uceda
Nachdem man all diese kleineren Strapazen bewältigt hat, wird man hierfür mit einem Innenstadtidyll belohnt, der Plaza de la Paja. An der Stirnseite dieses von Bänken und Straßencafés umgebenen Platzes ist die Capilla del Obispo zu sehen, eines der wenigen spätgotischen Bauwerke Madrids.Man braucht nur um diese Kapelle herum zu gehen, und schon steht man vor einer weiteren traditionsreichen Kirche, der Iglesia de San Andrés. Macht der Vorplatz unter der Woche einen sehr beschaulichen Eindruck, so ändert sich dies am Sonntag schlagartig, denn dann strömen Menschenmassen aus den anliegenden Straßenzügen hier zusammen und verwandeln diesen Platz in ein Bierzelt unter freiem Himmel.
Wir biegen an diesem imposanten Kirchenbau aus dem 17. Jahrhundert nach links ab und begeben uns nun mitten in das Getümmel des Stadtviertels Latina. Rechter Hand bekommen wir zunächst den ästhetisch wenig ansprechenden Mercado de la Cebada zu sehen, ein architektonisches Monstrum aus den sechziger Jahren. Ein Abstecher lohnt sich aber auf jeden Fall, denn auf drei Etagen können Sie alles kaufen, was der mediterrane Raum an Spezialitäten zu bieten hat. An der Metrostation „Latina“ befinden wir uns dann deutlich sichtbar im Herzen des gleichnamigen, traditionsreichen Stadtviertels.
Durch eine kleine Seitenstraße mit zahlreichen chinesischen Läden kommt man zur Plaza del Cascorro, einem sehr belebten Plätzchen mit einer Statue, die einem hier geborenen spanischen Kriegshelden des 19. Jahrhunderts gewidmet ist. Der Platz ist zugleich Auftakt des sonntäglichen Flohmarktes Rastro. Für Antiquitätenliebhaber ist der obere Teil mit einer großen Zahl entsprechender Läden empfehlenswert, während am unteren Ende der Hauptachsen Ribera de Curtidores und calle Embajadores die Liebhaber von Second Hand-Kleidung auf ihre Kosten kommen. Daneben gibt es noch eine Unzahl an Kuriositäten, die auf dieser Meile erstanden werden können, vom Keuschheitsgürtel bis hin zum Kanarienvogel.
In der calle Mesón de Paredes
Über die ruhige Seitenstraße calle de Juanelo gelangen wir direkt zur calle Mesón de Paredes und biegen hier links ab. Nach weiteren hundert Metern stoßen wir auf die Plaza Tirso de Molina, dem Schlusspunkt unserer ersten Tour. An diesem strategisch wichtigen Platz können Sie in den vielen Straßencafés einen kleinen Imbiss zu sich nehmen oder sich auf dem Blumenmarkt mit Grünpflanzen eindecken. Auf jeden Fall können Sie hier aber nach den Anstrengungen eines kurvenreichen Spaziergangs entspannen.