Unterwegs im Kinzigtal
Ein Reiseführer durch den mittleren Schwarzwald

Zell am Harmersbach

Storchenturm, alte Waschküche und …

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

 

Zell am Harmersbach - Zell am Harmersbach Haus der Gambrinus; Hauptstraße

Wer im Kinzigtal zwischen Gengenbach und Alpirsbach unterwegs ist, sollte durchaus mal vom Weg abweichen und ins Städle am Harmersbach fahren. Reste der alten Stadtmauer sind neben dem Storchen- und dem Hirschturm zu finden. Nein, mit Rothenburg ob der Tauber oder Nördlingen kann der Ort am Harmersbach nicht mithalten, denn eine begehbare Stadtmauer haben nur die genannten Städte vorzuweisen. Doch Pfarrhofgraben und Grabenstraße sowie der Straßenverlauf machen den Resten der Stadtmauer deutlich, dass wir uns in einem mittelalterlichen Städtchen befinden. Und wer einen Sinn für Kunst der Gegenwart hat, der kommt beim Besuch von Zell am Harmersbach außerdem auf seine Kosten. Das ist dem Sammler und Architekten Walter Bischoff geschuldet, der mit der Villa Haiss und Galerieräumen in der Hauptstraße dafür sorgt, dass erstklassige Kunst der Gegenwart in dem Städtchen am Harmersbach präsentiert wird. Die Sammlung mit Werken unter anderem von ARMAN, Stephan Balkenhol, Joseph Beuys, Baselitz, Christo und Jeanne-Claude, Jim Dine, Hans Hartung, He Jinwei, Damien Hirst, Heinz Mack, Jean Miotte, A.R. Penck, Otto Piene, Mel Ramos, Hans Rentschler, Gerhard Richter, Thomas Ruff, Cindy Sherman, K.R.H. Sonderborg, Daniel Spoerri, Fred Thieler und anderen erweist sich ohne Frage auf Augenhöhe mit den entsprechenden Galerien und Museen in den Großstädten dieser Republik.

Zell am Hermersbach - Historische Schaufenster im Bahnhof

Historische Schaufenster

Bahnhöfe laden ja häufig nicht zum Verweilen ein, zumal sie in kleinen Ortschaften – und dazu ist Zell am Harmersbach auch zu zählen – oftmals verwaist und in einen Dornröschenschlaf gefallen sind.Doch im hiesigen Bahnhof werden Eisenbahngeschichten inszeniert, erfährt man, dass italienische Arbeiter ganz maßgeblich am Bau des Bahnhofs beteiligt waren. Die hier verkehrende Bahn, die Harmersbachtalbahn, wurde 1904 in Betrieb genommen und ist eine Nebenlinie der Schwarzwaldbahn. Bis auf den heutigen Tag erhalten ist die rein mechanisch betriebene Eisenbahnstationsuhr der Berliner Firma Meister, wahrlich ein Stück Eisenbahngeschichte. Man glaubt es kaum, würde man es nicht mit eigenen Augen sehen, aber im Bahnhof wurden auch Güter abgefertigt. Darauf verweisen unter anderem die 100-kg-Waage der Schwäbischen Waagenfabrik in Esslingen und ausgestellte Frachtkisten. Zu Fuß, so lesen wir, wurden in der Vergangenheit sogenannte Schienenstöße kontrolliert. Diesen Job führte einst Wilhelm Hug aus, der ansonsten in der Güterabfertigung tätig war. Zu sehen ist auch eine Werbeschrift für Frachtkredite. Doch das ist nur noch eine Fußnote der Geschichte. Und wer wartet da auf den Zug? Es ist eine Schwarzwälderin in Tracht, auch wenn nicht mit dem bekannten roten Bollenhut. Die Gestaltung der sogenannten historischen Schaufenster, die uns die Geschichte des Bahnhofs näher bringen, ist dem Historischen Verein und den Museumsfreunden der Stadt zu verdanken.

Zell am Harmersbach - Storchenturm und Stadttor

Storchenturm und Stadttor

Gehen wir über die Bahnhofstraße in Richtung Storchenturm, so nähern wir uns der einstigen Stadtbefestigung. Beim Näherkommen sehen wir einige Kanonen in einer Nische des Storchenturms. Es sind sogenannte Schwedenkanonen, die im Dreißigjährigen Krieg Kriegsbeute waren. Diese Kriegswaffen wurden den Schweden in der Schlacht von Stöcken im Jahr 1646 abgenommen. Nachdem wir die Stadt betreten haben, fallen uns einige Storchennester auf, die allerdings im Herbst verlassen sind. Unweit des 25 Meter hohen Storchenturms aus dem 14. Jahrhundert steht das sogenannte Schöttgenhaus, das der Pottaschesieder Wilhelm Schöttgen einst erbauen ließ und am Kanzleiplatz zu finden ist. Unser Blick richtet sich auf das Keramikgesims in Traufhöhe, das in Zeller Keramik gefertigt wurde. Zu erwähnen ist zudem, dass in einem Vorgängerbau Erhard Junghans, der Begründer der Schramberger Uhrenfabrik, im Jahr 1823 geboren wurde.

Zell am Harmersbach - Rathaus und Fachwerk nahe des Kanzleiplatzes

Rathaus und Fachwerk nahe des Kanzleiplatzes

Rote Ecksteine und rote Fensterlaibungen sind typisch für die Alte Kanzlei, die auf der anderen Seite des Kanzleiplatzes steht. Mit feuersicheren Gewölben wurde die Ratsstube ausgestattet, in der Rats- und Gerichtstage abgehalten wurden. Unterwegs treffen wir nicht allein auf Fachwerkarchitektur, sondern in der Hauptstraße auch auf Jugendstilbaukunst. Man betrachte nur mal den Eckerker des ehemaligen Kaufhauses Siefert. Stilisierte weibliche Figuren in langen Gewändern sind hier statt tragender Säulen zu sehen. Aber auch Fachwerk in den oberen drei Geschossen und ein abgewalmtes Dach finden wir, wenn wir vor der Buchhandlung Richter stehen.

Zell am Harmersbach - Jugendstilerker am Siefert Kaufhaus an der Haupstraße

Jugendstilerker am ehemaligen Kaufhaus Siefert

Dass an der Hauptstraße überhaupt der Jugendstil seine Spuren hinterlassen hat, ist dem Großbrand von 1904 geschuldet. Von einer der Giebelfassaden grüßt ein Weintrinker umgeben von Weinreben. Die Inschrift lautet „Siefert's Haustrunk“! Es findet sich aber auch das Motiv von Knaben mit riesigen Traubengebinden als Dekor. An einer weiteren Fassade entdecken wir, in Gold gehalten, eine Brauwanne mit Braukelle und oben am Giebel König Gambrinus, der Erfinder des Bierbrauens, inmitten von rankendem Hopfen. Auch ein schleichender Löwe unter einer strahlenden Sonne ist als Fassadenschmuck an einem weiteren Haus in der Haupstraße zu entdecken.

Zell am Harmersbach - Siefert's Haustrunk Hauptstraße

Siefert's Haustrunk

Verlassen wir die Hauptstraße und begeben uns zur Hinteren Kirchstraße, so sehen wir in einer Baulücke ein Stück der Stadtmauer mit Wehrgang. Unser Weg führt dann zur Kirchstraße, an der sich der Mühl- oder Gewerbekanal und das ehemalige Schlachthaus befinden, dessen Fachwerk in Rinderblut getaucht zu sein scheint, betrachtet man die rostrote Balkenfärbung.

Zell am Harmersbach - Hintere Kirchstraße, Stadtmauer

Blick auf die alte Stadtmauer in der Hinteren Kirchstraße

Wir folgen dem Hinweis zum alten Waschhaus, das Teil der Stadtmauer ist. Hier stehen die alten Waschkessel, die an die Haushalte der Stadt vermietet wurden. Aus dem Gewerbekanal entnahm man das notwendige Wasser. Das Brennmaterial zum Einheizen musste mitgebracht werden. Der Boden des Zubers wurde mit Reisig belegt und mit einem Leinentuch abgedeckt. Darauf legte man die Wäschestücke, ein weiteres Leinentuch und Buchen-Asche. Diese Lagen wurden mehrmals mit heißem Wasser übergossen und eine Nacht lang wurde alles in dieser „Waschlauge“ eingeweicht. Erst am nächsten Tag begann der eigentliche Waschtag, und das war schwere Handarbeit!

Zell am Harmersbach - Altes Waschhaus

Altes Waschhaus

 

Unterwegs im Kinzigtal
Ein Reiseführer durch den mittleren Schwarzwald

Die Kinzig fließt durch den mittleren Schwarzwald zwischen Kehl im Rheintal und Loßburg im Schwarzwald, wo das Flüsschen auch entspringt. Entlang des 93 Kilometer langen Flusslaufes finden sich sehenswerte Fachwerkstädte wie Schiltach, Haslach und Gengenbach. Einstiges Klosterleben und die hohe Kunst des Brauens machen den Reiz von Alpirsbach aus. In einem Nebental der Kinzig, im Gutachtal, stoßen wir auf das Freilichtmuseum Vogtsbauernhof mit verschiedenen Gehöften aus allen Teilen des Schwarzwaldes. Ein weiterer lohnenswerter Abstecher führt nach Zell am Harmersbach, wo neben Spuren der mittelalterlichen Stadtbefestigung auch die Architektur des Jugendstils das Stadtbild prägt. Rund um Gengenbach und Offenburg versteht man etwas von edlen Weinen. Man besucht dabei ein wichtiges Gebiet des badischen Weinbaus. Auf dem Ortenauer Weinpfad, einem Wanderweg quer durch die Region, kann man mehr über Reben und Rebensaft in Erfahrung bringen.

Die Kinzig war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eine wichtige Wasserstraße, auf der Flößer unterwegs waren. Sie brachten Bauholz nach Straßburg und auch nach Amsterdam. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn wurden die Flößer dann arbeitslos. Ab und an gibt es noch Schauflößen auf der Kinzig bei Schiltach zu sehen. Ist man auf dem Flößerpfad von Loßburg nach Wolfach unterwegs, dann folgt man den Spuren der Flößer, erfährt dank zahlreicher Informationstafeln am Wegesrand, was ein Flößerbub zu tun hatte oder was ein Gamber ist. Schließlich organisieren die Narrenzünfte der genannten Städte zur Fasnet närrische Umzüge in der Tradition der schwäbisch-alemannischen Fasnet. Dann beherrschen Hexen, Hemdglunker, Narrenbolezei, Klepperlesgarde, Büttel, Storch und Elefant die Straßen und Gassen.

 

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Alpirsbach. Nicht nur Weizen Hell, Kloster Zwickel und …

Alpirsbach an der Kinzig ist mit der historischen Flößerei in Verbindung zu bringen. Diesem einst florierenden Gewerbe kann man auf einer Wanderung über den Flößerpfad Kinzigtal auf den Grund gehen. Er führt von Loßbach bis nach Wolfach.Alpirsbach ist außerdem wegen seiner ausladenden romanisch-gotischen Klosteranlage bekannt. Zudem wird nahe des Klosters Bier gebraut.

Alpirsbach

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Gutach. Im Freilichtmuseum Vogtsbauernhof durch den Schwarzwald wandern

Der Besuch des Freilichtmuseums ersetzt gewiss nicht das Wandern auf dem Westweg oder auf dem Flößerpfad Kinzigtal, aber zumindest bekommt man einen Einblick in die Lebensweise zwischen südlichem und nördlichen Schwarzwald. Rund um den Vogtsbauerhof, der an Ort und Stelle geblieben ist, hat man 23 Bauwerke unterschiedlicher Architektur zusammengetragen, ob vom Schauinsland auf 1100 m ü. M, von Oberwolfach im Kinzigtal oder vom Hotzenwald.

Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach

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Gengenbach. Eine Perle an der Deutschen Fachwerkstraße

Was haben Duderstadt, Celle, Einbeck, Quedlinburg, Bietigheim-Bissingen, Herrenberg und Haslach mit Gengenbach gemeinsam? Sie liegen alle an verschiedenen regionalen Abschnitten der Deutschen Fachwerkstraße. Diese 1990 ins Leben gerufene Kulturroute erstreckt sich von der Elbe bis zum Neckar und zum Bodensee, schließt das Wendland ebenso wie den Harz, das Weserbergland und die Oberlausitz mit ein. Zu sehen sind Fachwerkbauten aus dem 13. bis zum 19. Jahrhundert. Enge Gassen und Stadttore sowie Reste der Stadtmauer lassen das Mittelalter wieder aufleben.

Gengenbach

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Haslach. Ein Haselstrauch gab der Fachwerkstadt den Namen

Das Stadtwappen von Haslach ist ein sogenanntes sprechendes Wappen. Bereits das erste Stadtsiegel zeigte einen stilisierten Haselstrauch, der namensgebend für die Stadt war. Einst war die Fachwerkstadt im Kinzigtal eine fürstenbergische Amtsstadt, ehe sie dann zum Großherzogtum Baden kam. Wie Schiltach, Gengenbach, Celle oder Wernigerode und Quedlinburg liegt die Stadt an der Deutschen Fachwerkstraße.

Haslach

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Offenburg. Die „Stadt in der Ortenau“ jenseits von Aenne Burda

Unzweifelhaft ist Offenburg mit Aenne Burda und Burda-Moden in Verbindung zu bringen. Doch Offenburg, die „Stadt in der Ortenau“, ist auch bekannt für ihre Weine und Weingüter wie die Ortenauer Weinkeller GmbH und die Fessenbacher Winzergenossenschaft. Auch für die, die keine Weinliebhaber sind, bietet die Stadt Sehenswertes, ob nun Barockes am Marktplatz oder die Stadtbefestigung entlang des Zwinger-Parks.

Offenburg

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Schiltach. Ein Herz aus Fachwerk, Flößergeschichte und …

Wer die Kinzig überquert, der steht vor einem Hang, an den sich dicht an dicht mehrgeschossige Fachwerkhäuser klammern. Hinter diesen liegt das Herz der Fachwerkstadt, das über eine steile Steintreppe zu erreichen ist. Dass überhaupt eine derart einmalige Fachwerkarchitektur das Stadtbild prägt, erscheint nach drei verheerenden Stadtbränden wie ein Wunder. Aufgabe kam nicht in Frage, denn im württembergischen Grenzort war gutes Geld zu verdienen. Die Flößerei auf der Kinzig, die einst auch sehr einträglich war, ist allerdings längst verschwunden, sieht man von gelegentlicher Schauflößerei einmal ab. Verbunden mit der Stadt an der Kinzig ist außerdem der Name „hansgrohe“, der für Duschspaß und Smart Living steht.

Schiltach

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Donaueschingen. Donauquelle, Jugendstil und …

Was fällt einem zur Stadt Donaueschingen spontan ein? Das Schloss derer von Fürstenberg nebst Brauerei? Die Donauquelle am Rande des Schlossareals? Der Zusammenfluss von Breg und Brigach zur Donau? Das herbstliche Musikfestival? Ein internationales Reitturnier von internationaler Bedeutung? Gewiss, all das macht die Stadt aus und doch gibt es noch weitere Schätze, so für Kunstliebhaber das Museum Art.Plus am Rande des Schlossparkareals und am Ufer der Brigach gelegen, sowie sehenswerte Jugenstil-Architektur.

Donaueschingen

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