Sommerpalast
(Yiheyuan)
Die Duftpagode im Sommerpalast
Die Chinesen nennen ihn gar nicht Sommerpalast, sondern "Garten des Friedens und der Harmonie im Alter". Den im Westen bekannten Namen erhielt die 290 qkm große Anlage mit Berg und See von den westlichen Diplomaten, die zum Ende der Qing-Dynastie immer häufiger und den ganzen Sommer über in den Nordwesten der Stadt pilgern mußten, wenn sie eine offizielle Angelegenheit mit dem Hof zu klären hatten. Denn die schon alte Kaiserinwitwe Cixi, die de facto das chinesische Reich regierte, zog sich immer häufiger hierher zurück, um der Pekinger Sommerhitze zu entgehen – in ihrem Garten.
Diese künstlich angelegte Landschaft weist alle Elemente der chinesischen
Gartenarchitektur auf: Wasser, Felsen und Pflanzen. Den größten Teil des
Wassers macht der Kunming-See aus, der zwar nur rund zwei Meter tief ist, aber
dafür die weite Horizontale bildet, das yin-Element, das auch das
Weibliche symbolisiert. Der Berg, am Ufer aufragende Felsen und Pavillons bilden
das kontrastierende yang-Element, das Männliche. Nur in ihrer Synthese,
der perfekten Harmonie, entsteht ein befriedigendes Ganzes.
Auch die Pflanzen stehen nicht zufällig in einem chinesischen Garten,
sondern werden gezielt ausgewählt und in einem bestimmten Rhythmus
positioniert, damit ein Bild entsteht. Dieses bleibt in der Grundstruktur zwar
gleich, verändert sich aber dennoch das ganze Jahr über, da die Pflanzen auch
nach Blüte- und Fruchtzeiten sorgfältig arrangiert werden.
Brücke im Garten des Sommerpalastes
Durch Wege, Stege und Brücken werden die Besucher durch dieses dreidimensionale Bild zu bestimmten Vistas geleitet, die wiederum mit anderen Kunstformen korrespondieren. Maler zeichnen sie, Dichter beschreiben sie in Versen, jeder zitiert jeden.
Geburtstagsgeschenk
Einen solchen Garten nun wollte der Qianlong-Kaiser seiner Mutter zum 60.
Geburtstag (1752) schenken, natürlich von kaiserlichen Ausmaßen. Schon vorher
gab es auf dem Hügel Pavillons, einen kleinen Tempel und ein kleines
Palastgebäude am Fuß, doch das alles war Qianlong, einer der größten
Baumeister der Qing-Dynastie, nicht repräsentativ genug. Also wurde der See
wesentlich vergrößert, mit dem Aushub der Hügel zum Berg aufgeschüttet,
durch Kanäle, die bis zum Kaiserpalast im Stadtzentrum reichten – der Hof
reiste immer per Schiff zum Sommerpalast – wurden die Sümpfe trockengelegt,
und die Bepflanzung von Ufer und Berg mit Bäumen und Gebäuden begann.
Das Original ist allerdings nicht mehr vorhanden, denn 1860, am Ende des
zweiten Opiumkriegs, zerstörten britische und französische Truppen alle
Holzgebäude und raubten die Kunstgegenstände. 1873 ordnete der Tongzhi-Kaiser
eine Restaurierung an, die jedoch mehrfach unterbrochen wurde. 1891 vollendete
Cixi sie mit Geldern, die eigentlich für die chinesische Kriegsmarine gedacht
waren, aber so sicher sinnvoller eingesetzt wurden. Symbol blieb das Marmorboot,
das sich anders als die Kriegsmarine keinen Millimeter vom Platz bewegt. Doch
auch hier blieb Cixi Restaurateurin, denn die marmorne Basis hatte bereits
Qianlong für den Geburtstag seiner Mutter gelegt.