Reiseführer Hannover
Vom Hauptbahnhof zum Maschsee
Einmal quer durch die Stadt – das bietet diese Tour, die zugleich die wichtigen Sehenswürdigkeiten Hannovers streift und dabei auch die Kunst im öffentlichen Raum nicht übersieht.
Verlassen wir den Hauptbahnhof, der es in seiner Architektur zwar nicht mit dem von Leipzig, aber gewiss mit so manchen anderen Bahnhöfen aufnehmen kann, so stehen wir vor dem Denkmal des Königs von Hannover Ernst August. Spötter nennen diesen auch den Bahnhofsvorsteher von Hannover. Unter dem Schwanz des Denkmalrosses treffen sich nicht nur Fußballfans vor dem Gang in die AWD-Arena, der Spielstätte von Hannover 96, sondern auch abendliche und nächtliche Partygänger. Errichtet wurde das Reiterdenkmal des Monarchen am 21. September 1861. Zehn Jahre zuvor war der greise König im Alten Palais gegenüber dem Leineschloss verstorben.
Heute sprudelt das Wasser einer halbmondförmig angelegten Brunnenanlage auf dem Bahnhofsvorplatz, stehen bei schönem Wetter Stühle und Liegestühle vor dem Bahnhof und man glaubt, hier im pulsierenden Herzen der Stadt, sei der richtige Ort zum Chillen. Wer über die heutige Niki-de- Saint-Phalle-Promenade spaziert, kommt zum Kröpcke mit der Normaluhr. Wie der Bahnhofsvorplatz so ist auch dieser Platz seit Jahrzehnten ein Treffpunkt für Verabredungen.
Ein Opernhaus und berühmte Männer
Von hier aus wenden wir uns auf die Georgstraße, um zum frei stehenden Opernhaus zu gelangen. Das klassizistische Äußere ist dem bekannten Hannoveraner Baumeister Georg Ludwig Friedrich Laves zu verdanken, auf den auch andere Bauwerke der Stadt, darunter die Aegidienkirche, das ehemalige Palais Wangenheim, das Leineschloss, die Orangerie der Herrenhäuser Gärten und die Waterloo-Säule zurückgehen.
Das Opernhaus am Opernplatz
Auf dem begrünten Platz südlich des Opernhauses steht das 1994 errichte Mahnmal für die ermordeten jüdischen Bürger der Stadt, deren Namen im Sockel des Denkmals eingraviert wurden (s. Foto). Gesäumt ist die dreieckige Grünanlage zwischen Georg- und Rathenaustraße durch drei Statuen, die an bekannte Persönlichkeiten der Stadt erinnern. Dem bronzenen Generalmusikdirektor Heinrich Marschner stehen wir ebenso gegenüber wie dem aus Carrara-Marmor gearbeiteten Gründer der Höheren Gewerbeschule Karl Karmarsch und dem Königlichen Generalstabsarzt Friedrich Louis Stromeyer. Schließlich stoßen wir an der Südspitze des Opernplatzes auf das Denkmal für den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz, dem mittels binärem Code die Konstruktion der ersten „modernen“ Rechenmaschine gelang. Neben dem Schattenriss des Kopfes von Leibniz enthält die Skulptur auch das binäre System und das Leibniz-Zitat “Einheit in der Vielfalt“.
Bildende und darstellende Kunst
Wer den Georgplatz verlässt und ein paar Schritte in die Sophienstraße geht, der sieht sich dem im Stil des Historismus entworfenen Künstlerhaus gegenüber. Es handelt sich um einen beeindruckenden Backsteinbau, der als Vierflügelanlage um ein zentrales Treppenhaus konzipiert wurde. Ursprünglich beherbergte das Künstlerhaus als erster Museumsbau Hannovers das Museum für Kunst und Wissenschaft. Heute zeigt hier der Kunstverein Hannover in sechs bis acht wechselnden Ausstellungen im Jahr aktuelle Kunst, ob von Jason Dodge oder Timm Ulrichs. Nicht zu übersehen ist der über der Sophienstraße schwebende Kronleuchter, der hin und wieder ins Pendeln kommt. Zu verdanken ist das Glasobjekt Stephan Huber, der diese Arbeit aus Anlass des 150-jährigen Jubiläums des Künstlerhauses schuf. Wer sich für Theater und moderne Architektur interessiert, der setzt seinen Stadtspaziergang zur Prinzenstraße fort. Hier entstand Anfang der 1990er Jahre das moderne Schauspielhaus.
Kunst auf Schritt und Tritt
Kehren wir zurück in die Georgstraße mit ihren historischen Fassaden, so steuern wir als nächste Station unseres Rundgangs den Georgsplatz an. Ins Auge springt das markante Eckhaus mit seiner Überkupplung des Eckturms, einst der Sitz der Hannoverschen Bank. Reich ist der bauplastische Schmuck des Ende des 19.Jahrhunderts erbauten Bankhauses, in dem heute die Deutsche Bank residiert (s. Foto). Den Platz bereichern Aristide Maillols Brunnenfigur „L'Air“ ebenso wie der stählerne „Wanderer“ von Michael F. Otto (s. Foto). Aus dem Fischerbaukasten entsprungen scheinen die drei roten Schrauben auf dem Platz, eine Arbeit von Hans Wolf Lingemann. Nachts sind die Licht-Kunst-Bänke von Francesco Mariotti ein wirklicher Hingucker. Sie erstrahlen im Wechsel in Grün, Rot, Gelb und Blau. Wer schon jetzt eine kleine Pause machen möchte, der kehrt im „georxx“ mit seiner Cross-Over-Küche ein. Alle anderen setzen ihren Weg zunächst durch die „Schorsengasse“ fort, biegen dann in einen „Durchgang“ zwischen der modernen Bebauung ein, um dort sowohl auf die Reste der mittelalterlichen Stadtmauer zu stoßen, als auch ein Kunstwerk von Stephan Balkenhol zu erblicken. In der Fortsetzung unseres Weges gelangen wir zum Parkhaus Osterstraße, das über eine Doppelwendelrampe erschlossen ist. Röhrenförmige Sichtbetonbrüstungen gliedern die Fassade dieses Funktionsbaus, der nur Schritte vom Mahnmal Aegidienkirche entfernt ist.
Ein Mahnmal mit Kunst
Diese Kirche ist, betrachtet man den Baubeginn, die jüngste der drei Altstadtkirchen. Doch die ursprüngliche Kirche gleicht nicht der, die wir heute sehen, da 1703 bis 1807 ein Neubau erfolgte. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ist sie heute ein Mahnmal gegen den Irrsinn des Krieges und ist zugleich auch Ort für zwei künstlerische Interventionen: „Einleuchtungen“ von Inge-Rose Lippok und „Schattenlinie“ von Dorothee von Windheim.
Auf dem Weg hierher und im Fortgang des Weges folgen wir dem auf dem Pflaster befindlichen, wenn auch sehr verblassten „Roten Faden“, einem der „offiziellen Rundgänge“ durch Hannover. Diesem Faden folgend gelangen wir zum Rand des Theodor-Lessing-Platzes. Die Fassade der dortigen Städtischen Galerie Kubus ziert ein „zerknauschtes“ Stahlrelief von Erich Hauser. Von diesem Künstler steht vor dem Sprengel Museum, zu dem wir auch noch kommen, die ebenfalls aus Edelstahl geschaffene Skulptur „Stahlkugelblätter“. Die Galerie fühlt sich insbesondere der Kulturszene der Stadt verbunden und zeigt seit 1965 in wechselnden Ausstellungen vor allem Arbeiten junger Künstler. Wenige Schritte sind es bis zur Musikkneipe Philharmonie. Hier kommen all diejenigen auf ihre Kosten, die auf handgemachten Blues und Rock von Cover-Bands stehen. Beinahe übersehen wird, dass auch dieser Platz im Rahmen der öffentlichen Straßenkunst mit einem Kunstwerk bedacht wurde: Eine phallisch anmutende Sandsteinsäule von Otto Almstadt steht etwas verloren am Platzrand.
Ein Rathaus wie ein Schloss
Dank einer Unterführung unter dem Friedrichswall - vor 1790 befand sich hier ein Teil der Befestigung der Stadt - gelangen wir zum Trammplatz, wo sich das Neue Rathaus und das Kestner-Museum befinden.
Der Kontrast in der Architektur der beiden Bauwerke am Nordrand des Maschparks könnte nicht größer sein: hier die repräsentative Fassade des vierflügeligen Rathauses mit Kuppelturm, dort die Wabenhülle eines kubischen Museumsbaus, der das zwischen 1886 und 1889 entstandene Kestner-Museum beherbergt. Wie auf dem Trammplatz so findet sich auch im Maschpark Kunst im öffentlichen Raum. Dabei sind nicht die steinernen Löwen gemeint, die den Rathauszugang bewachen, sondern beispielsweise der im Strauchwerk versunkene „Große verletzte Kopf“ von Rainer Kriester vor der aus 5000 „Waben“ bestehenden modernen Hülle des Kestner-Museums, die der alten Fassade vorgesetzt wurde.
Vor der Städtischen Bauverwaltung am nördlichen Westrand der Parkanlage sind acht Steinplastiken zu sehen, die an natürliche Felsen erinnern. „Die Großfamilie“ nannte Eugène Dodeigne sein Werk. Im Gegensatz zu dieser figurativen Arbeit stehen Hans Breders abstrakte „Drei Spiegelplastiken“ am Nordostrand des Maschparks. In diesem kleinen Park findet sich zudem das „Schottische Kreuz“ des berühmten englischen Bildhauers Henry Moore.
Der Maschpark
Der Maschpark ist ein gutes Beispiel für die Gartenkunst des ausgehenden 19. Jahrhunderts und zugleich die erste kommunale Parkanlage der Stadt. Entstanden ist der Park in den Überschwemmungszonen der Leine, die am Westrand des Parks dahinfließt. Gegliedert ist die Anlage in Platz- und Parterreanlagen, die sich auf das Neue Rathaus und das Niedersächische Landesmuseum beziehen. Rhododendren finden sich im Areal ebenso wie Koniferen in dichten Beständen. Solitäre wie die schlanke Sumpfzypresse an der so genannten Seerosenbucht des Maschteiches sind bewusst gesetzt worden, um als Blickfang zu dienen. Blaustern und Narzissen blühen im Park ebenso wie Zierkirschen und Schneebälle. In den 1990er Jahren wurde der Felsengarten des Alpiniums wieder neu bepflanzt und damit ein wichtiger Schritt in Richtung auf die komplette Wiederherstellung der historischen Parkanlage unternommen.
Blick über den Maschpark auf das Neue Rathaus
Als Provinzialmuseum gegründet
Ähnlich repräsentativ wie der Rathausbau fiel die Architektur des Niedersächsischen Landesmuseums aus, das an der Willy-Brandt-Allee in Sichtbeziehung zum Maschteich steht. Hubert Stier, der auch den Hauptbahnhof entworfen hat, zeichnete zwischen 1897 und 1902 für die Gestaltung des damaligen Provinzialmuseums verantwortlich, Insbesondere bei einem Besuch von Eltern und Kindern in Hannover empfiehlt sich der Gang ins dort eingerichtete Vivarium mit allerlei Fischen und Amphibien. Auch die Ur- und Vorgeschichte können die jüngeren Besucher im Niedersächsischen Landesmuseum erleben
Kunst, Kunst und nochmals Kunst
Direkt am Kurt-Schwitters-Platz liegt das Sprengel Museum, in dem die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts zuhause ist. Insbesondere das Werk des Dadaisten Kurt Schwitters und von Niki de Saint-Phalle wird hier bewahrt. Nikis „Haus- Nana“ steht oben auf der Terrasse des lang gestreckten modernen Museumsbaus. Kunst anderer Künstler findet man vor dem Museum, so auch am Nordostufer des Maschsees Alexander Calders roter Hellebardenträger. An die Zeit der Entstehung des künstlichen Maschsees in den 1930er Jahren erinnern die 18 Meter hohe Säule des Fackelträgers als Symbol der olympischen Idee und der so genannte Fischreiter – ein Bronzefisch mit Putte. Beide Kunstwerke wurden von Hermann Scheuernstuhl geschaffen. Als Kunstobjekt gestaltet wurde die Designer-Bushaltestelle mit breitem Flügeldach direkt vor dem Museum. Der glänzende Kopffüßler von Horst Antes am Aufgang zum Sprengel Museum scheint wenig Sinn für die Kunst zu haben, sondern eher zielstrebig zum Maschsee zu laufen.
Übrigens, in einer Schleife der Leine steht unweit einer aus den 1930er Jahren stammenden, jedoch längst abgerissenen Milchwirtschaft, die mit Produkten aus einer Burgwedeler Molkerei versorgt wurde, das heutige Ausflugslokal Loretta's mit Biergarten, wo man sich nicht allein auf italienische Küche versteht.
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