Emden

Wo Ostfriesen Witze machen und ernsthafte Kunst wirkt

Text und Fotos: Stephan Eigendorf

 

Emden in Ostfriesland - Wegweiser auf den Em-Jade-Kanal Radweg mit Durchblick auf den Ratsdelft

Was haben Henri Nannen, der Journalist und Gründer des Print-Magazins „STERN“, der Regisseur Wolfgang Petersen (u.a. Das Boot) sowie die Komiker Karl Dall und Otto Waalkes gemeinsam? Sie wurden in Emden geboren. „Die Männer der Emden“ nicht unbedingt, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Und natürlich haben in der mit rund 50.000 Einwohnern größten Stadt Ostfrieslands auch Frauen das Licht der Welt erblickt, wie zum Beispiel die ehemalige Boxweltmeisterin Heidi Hartmann - selbstverständlich nur stellvertretend für alle anderen genannt.

Emden in Ostfriesland - holländisches Plattbodenschiff

Ein Plattbodenschiff in einem der zahlreichen Gewässer der Stadt

Für viele Urlaubsreisende ist die Stadt am Dollart bzw. an der Ems allerdings eher Durchgangsstation denn Reiseziel. Das zumindest rund um den Hafen pittoresk anmutende Greetsiel, das zur Stadt Norden gehörende Norddeich und die ostfriesischen Inseln Juist und Norderney mit ihren tollen Sandstränden stehen in der touristischen Gunst vielfach höher.

Aber wer mit dem Zug anreist, legt zwangsläufig im Emder Bahnhof einen kurzen Halt vor der Weiterfahrt ein. Freilich ohne auszusteigen oder gar das Bahngebäude zu verlassen. Und ohne schräg gegenüber des Bahnhofs die Emder Denkmallok mit ihrem Tender in Augenschein zu nehmen.

Emden in Ostfriesland - Denkmallok 043 am Bahnhof

Ein imposantes Vehikel aus Stahl, dahinter erstreckt sich eine Mini-Bahn-Anlage

Die schwarz-rote ehemalige Dampflokomotive (Lok 043 903-4 [44 903]) ist kein seltenes Einzelstück, vielmehr wurden von der Baureihe 043 bzw. 044 ab 1939 2000 Stück gebaut. Das Exemplar in Emden wurde 1944 im von Nazideutschland besetzten Frankreich gebaut und ebenso wie die anderen Loks im Güterverkehr eingesetzt. 1960, nun im Besitz der Deutschen Bundesbahn, wurde sie von Kohle- auf Ölfeuerung umgerüstet. Ein Verein kümmert sich um den Erhalt des ausrangierten und doch sehenswerten technischen Wunderwerks vergangener Tage.

Emden in Ostfriesland - Wasserturm von 1912

Weithin sichtbar: der Wasserturm

Von dem Treppchen neben der Lok fällt nicht nur der Blick auf die Steuerungswerkzeuge und Kontrollanzeigen im Führerstand, sondern einige hundert Meter weiter auch auf den weiß getünchten Wasserturm mit seinem roten Dach. Das seit 1999 denkmalgeschützte Gebäude wurde zwischen 1910 und 1912 erbaut und ist der erste in Stahlbetonbauweise errichtete Bau in der ostfriesischen Stadt. Anders als viele erhaltene Wassertürme andernorts, ist dieser nicht rund, sondern zehneckig, was ihm ein markantes Aussehen verleiht und mit 42 Metern Höhe ist er auch kaum zu übersehen. 1000 m³ kann der Wasserbehälter in dem Turm aufnehmen, der bis heute in Betrieb ist.

Emden in Ostfriesland - Bronzestatue Peterke von Karl-Ludwig Böke in der Fußgängerzone

Peterke de Boer (1887-1956) war eine stadtbekannte Tagelöhnerin, die als Straßenfegerin das Geld für sich und ihre Familie verdiente. Die Bronze "Peterke" in der Fußgängerzone schuf Karl-Ludwig Böke 1986, gestiftet wurde sie von der Sparkasse

Wie in vergleichbaren Städten sinnigerweise üblich, ist in Emden die Innenstadt ebenfalls nicht weit vom Bahnhof entfernt und fußläufig problemlos zu erreichen. Und sie ist in Teilen autofrei und dort eher auffällig unauffällig, touristische Highlights finden Besucher vor allem am Rand der Fußgängerzone.

Emden in Ostfriesland - Kunsthalle Emden mit der Skulptur Maja von Gerhard Marcks

Blick auf die Kunsthalle mit der Skulptur "Maja" (1942) von Gerhard Marcks im Vordergrund. In der Kunsthalle schließt das Standesamt auch Ehen und angebunden ist rechts neben dem Bau ein Café

Dazu gehört mit überregionaler Strahlkraft die Kunsthalle und deren Historie ist eng verknüpft mit dem schon genannten Namen Nannen. Es war die umfangreiche Kunstsammlung des langjährigen Chefredakteurs und seiner Ehefrau Eske die als Stiftung den Grundstock des Bestandes der Kunsthalle legte sowie das Vermögen des Paares, das den Bau im Jahr 1986 erst ermöglichte. War zunächst die Klassische Moderne (1900 - 1939 bzw. `45) Schwerpunkt der 650 Werke umfassenden Sammlung aus dem Besitz der Nannens, wurde sie rund zehn Jahre später durch eine Schenkung auf die Zeit nach 1945 erweitert. Spender war der Sammler Otto van de Loo, der in München eine Galerie betrieb. Durch den Zuwachs musste die Kunsthalle baulich erweitert werden. Seither ist der Bestand auch durch Zukäufe noch weiter vergrößert worden.

Emden in Ostfriesland - Dat Ottohus am Ratsdelft

Ein echter Hingucker

Dat Ottohus ist ein weiteres Haus, das mit dem Namen eines Emder Prominenten verbunden ist. Auch wenn die Medienpräsenz von Otto Waalkes nachgelassen hat, seine länger zurückliegenden Sketchsendungen im Fernsehen und seine Kinofilme vielen jüngeren Menschen gar nicht bekannt sind, erfreut sich das Angebot in dem mehrgeschossigen Eckhaus am Ende der Großen Straße gegenüber dem Ratsdelft großer Beliebtheit. Der Blödelbarde, wie er oft etwas herabsetzend genannt wird, ist auch Musiker und talentierter Maler und Zeichner. Zu seinen bekanntesten Figuren gehören die Ottifanten. Es sind vor allem diese, die die Produkte im Ottohus zieren, angefangen bei Postkarten über Nippes bis zu bedruckten T-Shirts und mehr.

Emden in Ostfriesland - einzigartige Ampel

Das Grün-Licht der Fußgängerampel am Ottohus zeigt eine typische Körperhaltung des Komikers

Mit dem Ratsdelft gegenüber dem Ottohus hat man den wohl attraktivsten Teil der Innenstadt erreicht. Delft leitet sich von Graben bzw. graben ab und meint die Erweiterung eines natürlichen Gewässers von Menschenhand - vornehmlich zu einem Hafen, so wurde der Delft an der Mündung des kleinen Flüsschens Ehe angelegt, das in die Ems floss. Das geschah bereits um 800 und später wuchs er zu einem der größten und wichtigsten Häfen an der Nordseeküste heran. Große Handelshäuser hatten in der einst reichen Stadt ihren Sitz und ex- und importierten über die Hafenanlagen ihre Güter. Noch heute hat die ostfriesische Stadt den drittgrößten Hafen an der deutschen Nordseeküste. In der Innenstadt sieht man nur den kleinsten Teil davon, nämlich den Ratsdelft, der 1887 teilweise zugeschüttet und auf seine heutige Länge bis auf Höhe des Rathauses verkürzt wurde, und den Binnenhafen mit Freizeitbooten.

Emden in Ostfriesland - Marina und Reisemobilstellplatz am Binnenhafen

Am Binnenhafen mit Marina und Reisemobilstellplatz

Rund um die Gewässer sind Wege angelegt worden bzw. durch die Kaianlagen ohnehin vorhanden und es gibt auf einem Rundgang einiges zu entdecken. Schade ist allerdings, dass rund um den Ratsdelft eine der Hauptverkehrsstraßen Emdens verläuft und der Lärm der Blechlawinen zu den Stoßzeiten für empfindliche Ohren echt heftig ist. Aber gut - oder auch nicht.

Emden in Ostfriesland - viele Wege führen um den Ratsdelft und den Binnenhafen

Weg über eine Klappbrücke am Binnenhafen, rechts im Bild eines der Hafenrundfahrtschiffe

Zu entdecken ist zum Beispiel das letzte erhaltene von ehemals mehreren steinernen Stadttoren, das Emder Hafentor. Es steht heute an der Einfahrt zum alten Hafen am westlichen Ufer. Allerdings ist der Standort nicht exakt der ursprüngliche. Zu damaliger Zeit war es nicht unbedingt möglich jederzeit in Häfen einzufahren, mitunter wurde ein starkes Seil oder eine Kette von Ufer zu Ufer gespannt bzw. wie in Emden ein Schlagbaum genutzt, um den Schiffsverkehr zu kontrollieren oder auch die Passage zu blockieren, auf jeden Fall musste hier im Zollhaus neben dem Tor und dem nicht mehr vorhandenen Blauen Turm Zoll entrichtet werden, bevor die Schiffe richtig festmachen und ihre Ladung löschen durften. Am Tor wurde bezahlt und bezahlt wurde sicherlich auch schon bevor dieses Tor während der Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1635 im Auftrag der Stadtoberen von dem einheimischen Baumeister Martin Faber errichtet wurde. Es ist zwar kein gewaltiges Bauwerk, aber wer genau hinschaut, entdeckt über dem Torbogen auf den etwas verwitterten Sandsteinquadern die lateinische Inschrift „Et pons est Embdae et portus et aura deus“, was übersetzt etwa heißt: Gott ist für Emden Brücke, Hafen und Segelwind. Nun ja, die Lage an der Ems und der Seehandel bescherten der Stadt schon Mitte des 15. Jahrhunderts einen ansehnlichen Reichtum.

Emden in Ostfiresland - Stadttor aus dem 17. Jahrhundert

Durch das Stadttor geht es hinein in den mittelalterlichen Hafen

Im stilisierten Dachgiebel der Tores findet sich das Wappen der Stadt. Erst nach langem Bitten und unter Zahlung einer beträchtlichen Summe wurde Emden das Wappen von König und späterem Kaiser Maximilian I. verliehen. Das war im Jahre 1495. Das Wappen ist eigentlich in Gelb, Rot und Blau gehalten, hier allerdings in sandstein-uni und zeigt einen Engel (Gelb, besser eher Gold) hinter einer Steinmauer (Rot) und Wasser (Blau) davor. Das Wasser steht für die Ems, die Mauer für eine schützende Flutmauer zwischen Fluss und Stadt und das „Engelke up de Muer“, also das Engelchen auf der Mauer? Es ist nach so mancher Quelle kein echter Engel, sondern ein der griechischen Mythologie entliehender weiblicher Unheilsdämon mit Flügeln und Krallen. Dieser sogenannte Jungfrauenadler soll wiederum dem des Wappens der damals einflussreichsten ostfriesischen Adelsfamilie Cirksena entliehen sein, aus deren Reihen Männer zu Grafen und Fürsten in der Region erhoben wurden. Eine Harpyie als Wappentier also, sie verkörpern mythologisch in der Mehrzahl die Sturmwinde, ob man das direkt an der Küste wirklich haben muss ... aber Flaute ist bei Seehandel mit Segelschiffen auch ganz schlecht ...

Emden in Ostfriesland - Schiffe im Ratsdelft

Segler im Ratsdelft

Mal abgesehen von den Hafenrundfahrtschiffen findet Berufsschifffahrt in den weiter entfernt gelegenen Hafenbereichen statt, wie dem Industriehafen, dicke Pötte (große Schiffe) hätten in den alten Hafenanlagen ohnehin nicht genug Wasser unter dem Kiel. Schließlich verlassen auch gewaltige unförmige für den Autotransport gebaute RoRo-Schiffe oder auch Carcarrier mit Tausenden Autoneubauten im Bauch die Stadt am Dollart, denn VW baut hier seit 1964 Autos, die aus Deutschlands westlichstem Hafen den kürzesten Weg nach Übersee haben. Zeit ist Geld.

 

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Reiseführer Bremen

Sehenswertes in Bremen, Touren durch die Stadt, Tipps und Hintergrundgeschichten ausführlich beschrieben mit vielen Fotos. Darüber hinaus gibt es Ausflugstouren über die Stadtgrenzen hinaus, etwa nach Bremerhaven oder nach Walsrode in den Weltvogelpark.

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Reiseführer Rostock

Die Geschicke der 1265 aus drei Stadtsiedlungen entstandenen Stadt Rostock waren schon immer mit dem Wasser verknüpft. Schon früh war sie ein wichtiger Teil der Hanse und der Handel über See machte die Kaufleute und somit die Stadt wohlhabend, was sich zum Beispiel in der Architektur am Neuen Markt und anderen Teilen der Altstadt bemerkbar macht. Zeugnisse der norddeutschen Backsteingotik haben den Denkmalschutz auf den Plan gerufen, um den Erhalt historischer Gebäude im Stadtkern zu sichern, mit Erfolg.

Rostock Reiseführer

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Kiel: Top-Sehenswürdigkeiten in der Fördestadt und ein Ausflug nach Laboe

Ein guter Ausgangspunkt um die Stadt heute, Jahrzehnte nach Kriegsende, zu erkunden, ist der zentral gelegene Hauptbahnhof. Auf der Hauptstraße Sophienblatt, die vor dem Gebäude verläuft, treffen alle wichtigen Buslinien zusammen, viel Sehenswertes kann man aber auch problemlos von hier zu Fuß in einem mehrstündigen Spaziergang erreichen.

Kiel Sehenswürdigkeiten

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Rügen: Wandern und Radfahren rund um Göhren

Wer lieber mit dem Rad wandert als per pedes, findet auf dem Mönchgut gute Voraussetzungen und anders als Verleihnix in dem berühmten gallischen Dorf aus dem Kultcomic Asterix, verleiht man in Göhren gerne vieles, so auch Fahrräder - natürlich gegen Bares. Aber dafür sparen sich Bahnreisende das nervige Gerödel mit den Zweirädern.

Rügen - der Rasende Roland

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Helgoland - Fels in der Brandung

Knapp 50 Kilometer vor Schleswig-Holsteins Küste gelegen, ist Helgoland jedes Jahr Ziel Tausender Besucherinnen und Besucher, die meisten davon Tagestouristen in den wärmeren Monaten. Ausflugsschiffe laufen Helgoland von Bremerhaven, Büsum oder vom „Alte Liebe“ genannten Anleger im Hafen der niedersächsischen Stadt Cuxhaven an der Elbemündung aus an.

Helgoland - Seevögel auf dem Lummenfelsen

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Per Rad durch Cuxhavens Seebäder

Leider ist die deutsche Nordseeküste, wenn man von den ost- und nordfriesischen Inseln einmal absieht, von der Natur nicht so reich mit Sandstränden bedacht worden, wie die Anrainerländer Niederlande und besonders Dänemark. Natürlich gibt es auch viele schöne Ecken jenseits der Sandstrände und Sand allein ist nicht alles im Urlaub, aber für viele hat ein Sandstrand eben doch eine große Bedeutung und deshalb steppt in den Sommermonaten in den Seebädern Döse, Duhnen und Sahlenburg vor allem an den Wochenenden der Bär.

Cuxhaven und seine Seebäder Döse, Duhnen und Sahlenburg

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Norden Norddeich

Auf den ersten Blick könnte man den Eindruck gewinnen, das Nordsee-Heilbad sei nur die Transferstation für die Urlauber, die es in Scharen auf die Inseln Juist und Noderney zieht. Aber jenseits dessen zeigt sich Norddeich als weit weniger hektischer und überschaubar kleiner Küstenurlaubsort. In dem staatlich anerkannten Nordseebad wird erst seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts der Tourismus gefördert, offenbar mit Erfolg, wie mehr als 1 Mio. Übernachtungen jährlich zeigen.

Norden Norddeich - Drachenfest

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Büsum - Nordsee-Heilbad am Wattenmeer

Einst war Büsum eine Insel, immer wieder bedroht vom „Blanken Hans“. Bedroht von gewaltigen Sturmfluten wie der mehrtägigen Groten Mandrenke im Januar 1362, bei der nach mancher Interpretation das sagenumwobene Rungholt etwas weiter nördlich bei Nordstrand und Pellworm für immer in den Fluten versank. Als die größte Flut des letzten Jahrhunderts 1962 das Nordsee-Heilbad bedrohte, war Büsum allerdings schon lange mit dem Festland verbunden, nämlich seit 1585. Heute zählt der gut 5000-Seelen-Ort im Kreis Dithmarschen zu den wichtigsten Urlaubsorten an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins.

Büsum

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